Er erhielt 1954 den Nobelpreis für seine grundlegenden Forschungen zur Quantenmechanik und starb vor 50 Jahren. Professor Max Born war aber auch Lehrer weltberühmter Wissenschaftler, die den Grundstein legten für ihre spätere Tätigkeit: den Bau der ersten Kernwaffen.
Vor 75 Jahren, am 6. August 1945, leuchtet ein greller Blitz über der japanischen Stadt Hiroshima auf. Eine gigantische, pilzförmige Wolke steigt auf – dann gibt es die Stadt nicht mehr. 100.000 Menschen kommen unmittelbar ums Leben, an den Strahlenschäden sterben später unzählige mehr, die genaue Zahl kennt niemand. Es war eine Zäsur in der Geschichte der Menschheit. Hiroshima machte deutlich, dass es möglich war, jegliches Leben auf der Erde zu vernichten. Ein Thema, das den überzeugten Pazifisten Max Born Zeit seines Lebens beschäftigte. Denn es waren seine Schüler, die in den 20er-Jahren an seinem Institut studierten, um später in den USA mit der Atombombe die Apokalypse vorzubereiten. An erster Stelle Robert Oppenheimer, der das Manhattan-Projekt leitete und „Vater der Atombombe" genannt wird. Oppenheimer promovierte bei Max Born und setzte danach seine Forschungen in den USA fort. Auch Edward Teller, der Entwickler der Wasserstoffbombe, hospitierte bei Born, während es Enrico Fermi, der ebenfalls am Göttinger Institut tätig war, in den USA später gelang, die erste Kernspaltungskettenreaktion in einem Reaktor in Gang zu setzen. 1938 bekam er den Nobelpreis für Physik. Auch Werner Heisenberg, Nobelpreisträger aus Deutschland, arbeitete eng mit Max Born zusammen. Er war einige Zeit sein Assistent, um sich später am Uranprojekt der Nazis zu beteiligen. Was übrigens auch dazu führte, dass Albert Einstein, ein guter Freund Borns, 1939 einen Brief an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt schrieb, in dem er auf die Gefahren einer möglichen Atombombe in den Händen der Deutschen hinwies.
1942 wurde das Manhattan-Projekt in Gang gesetzt. Max Born dagegen verlor 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft alle seine Ämter und emigrierte 1936 nach Großbritannien, zunächst nach Cambridge und bald darauf nach Edinburgh. Um als Deutscher einer Internierung zu entgehen, so heißt es, wurde er britischer Staatsbürger, aber als seine Heimat sah er trotz aller Verfolgungen immer noch Deutschland an. Also suchte er sich 1954 einen beschaulichen Platz, nicht allzu weit von Göttingen entfernt, und fand ihn in dem Kurort Bad Pyrmont. Dort kaufte er sich ein kleines Landhaus, wo er bis kurz vor seinem Tod lebte. Sein Freund Albert Einstein konnte diese Entscheidung übrigens nicht verstehen: in ein Land zurückzukehren, in dem die Nazis die jüdische Bevölkerung umgebracht hatten.
Er emigrierte 1936 nach Großbritannien
1954 erhielt Max Born den Nobelpreis für seine Forschungen zur Quantenmechanik, was ihn, der ein wenig in Vergessenheit geraten war, auf einen Schlag wieder berühmt machte. Aber sein öffentliches Thema war der Umgang der Wissenschaft und der Politik mit der Kernphysik, was für mich selbst der Anlass war, mit Professor Born Kontakt aufzunehmen und um einen Interviewtermin für den heimischen Radiosender zu bitten. Außerdem freute ich mich, dass der weltberühmte Physiker meinen eigenen früheren Heimatort als Altersruhesitz ausgewählt hatte. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie ich an der Gartenpforte stand und von seiner Frau Hedwig in Empfang genommen wurde.
Im Wohnzimmer bei Kaffee und Kuchen kamen wir schnell ins Gespräch zum beherrschenden Thema: Wie hält es die Wissenschaft mit ihrer Verantwortung für die Folgen ihrer Forschung? Die Quantenmechanik blieb außen vor. Das Thema war mir einfach zu sperrig. Max Born, der mit seiner Frau das Buch „Der Luxus des Gewissens – Erlebnisse und Einsichten im Atomzeitalter" geschrieben hatte, äußerte sich ausgesprochen kritisch zum Werdegang einiger seiner prominenten Schüler. Sie hätten nur die reine Lehre im Blick gehabt und wenig darüber nachgedacht, welche Folgen ihre Forschungen haben würden.
Immerhin Robert Oppenheimer hatte Skrupel bekommen, als er die Folgen der Atombombe in Hiroshima sah. Er wandte sich gegen das Wettrüsten und kritisierte die Entwicklung der Wasserstoffbombe. Was ihm harsche Vorwürfe seines Kollegen Edward Teller einbrachte, der ein ausgesprochener Hardliner war. Im Magazin „Der Spiegel" hatte Max Born 1957 geschrieben: „Es ist schön, so kluge und tüchtige Schüler gehabt zu haben, und doch wünschte ich, sie wären weniger klug als weise. Es ist wohl mein Fehler gewesen, wenn sie von mir nur Methoden der Forschung und nichts weiter gelernt haben. Nun ist durch ihre Klugheit die Menschheit in eine fast verzweifelte Lage geraten."
In unserem Gespräch betonte Max Born, wie wichtig es ihm war, dass sich 1957 im „Göttinger Manifest" 18 Wissenschaftler gegen die atomare Aufrüstung der Bundeswehr ausgesprochen hatten. Zu den Unterzeichnern gehörten auch Otto Hahn, Werner Heisenberg, Carl Friedrich von Weizsäcker – und natürlich Max Born selbst. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer soll nicht besonders „amused" gewesen sein, denn er hatte in der damaligen Diskussion die Atomwaffen verharmlost. Ich habe später oft an dieses Gespräch gedacht. Auch die herzliche Verabschiedung habe ich noch vor Augen. Seine Abschiedsworte, die ebenfalls im Spiegel veröffentlicht wurden, hätten auch hier lauten können: „Ich rate allen jungen Wissenschaftlern ab, sich der Atomphysik zuzuwenden. Die Politiker machen Unsinn daraus, sie machen Bomben."
Schade nur, dass ich bei dieser Gelegenheit die Enkelin von Max Born nicht kennenlernen konnte: die Sängerin und Schauspielerin Olivia Newton-John.