Nach 14 Jahren Bauzeit soll der Flughafen BER am 31. Oktober endlich an den Start gehen. Damit auch alles klappt, wurde er von Freiwilligen auf Herz und Nieren getestet. FORUM-Autorin Heidi Diehl war dabei.
Schon einmal checkte ich als Komparsin auf dem neuen Berlin-Brandenburger Flughafen BER nach Nirgendwo ein, mehr als 3.000 Tage liegt das nun schon zurück. Damals im Frühling des Jahres 2012 war ich noch fest davon überzeugt, dass ich ab dem Sommer von dort richtig abheben würde. Doch kurz vor dem Eröffnungstermin kam die Hiobsbotschaft, dass aus der geplanten Eröffnung am 3. Juni 2012 nichts wird, weil gravierende Sicherheits- und Baumängel festgestellt wurden. Wie sich im Laufe der Jahre herausstellte, war das noch stark untertrieben. Täglich gab es neue Katastrophenmeldungen. Die Kosten stiegen ins Unermessliche. War beim ersten Spatenstich im September 2006 noch von rund zwei Milliarden Euro Gesamtkosten die Rede, so werden sie sich nun voraussichtlich auf 7,1 Milliarden Euro belaufen. Sechsmal wurde der Eröffnungstermin bereits verschoben, immer mehr zweifelten daran, ob der BER jemals an den Start geht. Doch nun scheint es so, als würde das Wunder doch noch geschehen. Mit mehr als neun Jahren Verspätung soll der BER am
31. Oktober nun endlich eröffnet werden. Der Countdown läuft: Seit Anfang Juli bis Mitte Oktober wird er von Flughafenmitarbeitern und rund 9.000 freiwilligen Komparsen auf Herz und Nieren geprüft. Insgesamt 28 Probebetriebstage wird es geben, auf denen alle Bereiche sowie Abläufe des Flughafenbetriebs und auch viele weitere Szenarien wie Evakuierungen nach Feueralarm oder andere Katastrophen geprobt werden. Gemeinsam mit 400 weiteren Komparsen gehöre ich zu jenen, die einen Tag lang das tun, was täglich Millionen Menschen auf den Flughäfen der Welt machen: einchecken, die Sicherheitskontrolle passieren, Gepäck aufgeben, Boarding, ankommen oder Gepäck vom Band nehmen. Und so, wie auf allen Flughäfen der Welt, kann dabei allerhand passieren. Die Freiwilligen werden in Gruppen eingeteilt, und jeder bekommt eine Ereigniskarte, eine Art Regiezettel, auf dem steht, was man machen soll. Ich werde zunächst als „Nurettin Boller" von Berlin-Brandenburg mit Easyjet nach Grenoble mit einem Gepäckstück fliegen. Eingecheckt bin ich schon, kann also sofort zum Easyjet-Bag-Drop-Schalter, und da ich Easyjet Plus Customer bin, darf ich Speedy Boarding nutzen. So weit die erste Aufgabe. Ich greife mir einen der Koffer, die zu Hunderten bereitstehen, und mache mich auf den Weg. Erst einmal orientieren: Schnell habe ich auf der Abflugtafel meinen Flug gefunden. Zum Check-in muss ich mich zu den Schaltern 611 bis 618 begeben. Kein Problem, denn zum Glück ist der Weg dorthin gut ausgeschildert. Auch die Gepäckaufgabe funktioniert problemlos, doch mir ist bereits aufgefallen, dass ich zwar meine Bordkarte habe, aber ohne Sitzplatz. Von dem freundlichen Mitarbeiter beim Speedy Boarding erfahre ich, dass die Maschine leider überbucht sei, ich solle mich an die Mitarbeiter am Abfluggate wenden.
Alle Abläufe am Flughafen werden durchgespielt
Mal sehen was passiert! Zunächst muss ich ohnehin erst einmal durch die Sicherheitskontrolle. Wo ist die bloß zu finden? Ein Flughafenmitarbeiter zeigt mir den Weg und gibt mir den Tipp, mich vorher an der Abflugtafel zu informieren, welche der vier Sicherheitskontrollbereiche geöffnet und wie stark sie frequentiert sind. Staunend stehe ich erneut vor der Tafel, so etwas kenne ich von anderen Flughäfen nicht. Ich kann daran nicht nur sehen, wo sich die einzelnen Bereiche befinden und wo genau ich mich zur Zeit befinde, sondern auch, dass zwei von ihnen geschlossen sind und an einem ziemlich viel Andrang herrscht. Den lasse ich links liegen, und tatsächlich: in „meinem" Sicherheitsbereich ist nicht allzu viel los. Als Vielflieger kenne ich natürlich das Prozedere, greife mir eine Wanne, lege alles aus den Hosentaschen und Flüssigkeiten rein, packe den Rucksack dazu und begebe mich zum Körperscanner, durch den ich flott hindurchkomme. Dahinter allerdings sehe ich schon das Unheil: Mein Rucksack wurde automatisch aussortiert, irgendetwas Verbotenes ist drin. Penibel durchsucht der Security-Mann alle Seitentaschen und wird auch schon bald fündig: ein Taschenmesser. Doch da es weniger als sechs Zentimeter lang ist, darf ich es mitnehmen. Andere kommen nicht so glimpflich davon. Wasserflaschen und Feuerzeuge sind die geringsten Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften, aber es gibt auch einige „Fluggäste", die versuchen, große Messer oder Drogen durchzuschmuggeln. Den Kontrolleuren entgeht (zum Glück) nichts. Ich habe zwar noch genug Zeit bis zum Abflug, aber da ich nicht weiß, wie weit es bis zum Abfluggate ist, mache ich mich auf den Weg. Zumal der Duty Free nicht zum Shoppen einlädt, da er noch eine einzige Baustelle ist. Man kann nur hoffen, dass die Fertigstellung nicht auch so lange dauert wie der Bau des Flughafens.
Die Schlange vor dem Check-in ist endlos
Etwa zwölf Minuten zu Fuß brauche ich zu meinem Gate, lese ich an der Anzeigetafel. Ein Miniflughafen ist der BER wirklich nicht, die Berliner, die bislang in Tegel absolut kurze Wege gewohnt waren, werden sich sehr umstellen müssen. Am Gate angekommen, treffe ich eine Reisende im Rollstuhl. „Gucken Sie sich nur mal die Rampen an der Fluggastbrücke an, die sind so steil, dass man beim Runterfahren aufpassen muss, dass man keine Purzelbäume schlägt und beim Hochfahren einen durchtrainierten Helfer braucht, der dich schiebt", sagt sie. Die Mitarbeiterin am Gate beruhigt sie: „Alle Rollstuhlfahrer werden von erfahrenen und geschulten Mitarbeitern zum Flugzeug begleitet, da kann nichts passieren." Dennoch wird die Frau später in ihrem Testprotokoll vermerken, dass die Rampen mit einer Steigung von mehr als sechs Prozent steiler sind, als es das Gesetz erlaubt. Ich habe Glück, bekomme noch einen Platz in der Maschine, werde auf Platz 2 A nach Grenoble reisen. Leider nur theoretisch, praktisch begebe ich mich nun direkt zur Gepäckausgabe, wo ich meinem Ereigniszettel folgend ankommend aus Southampton mein Gepäck vom Band holen soll, um danach sofort erneut – diesmal als Thaddaeus Bräuer – nach Hilversum einzuchecken, wohin ich mit Bulgarian Air fliege. Die Schlange vor dem Check-in ist endlos und nur ein Schalter besetzt. Das kostet Nerven! Ich komme mit einer jungen Frau ins Gespräch. Sie erzählt, dass sie unbedingt bei den Tests als Komparsin dabei sein wollte. Sie sei ganz begeistert von dem Flughafen, der mit seinen riesigen Glasfronten und warmen Holztönen ein sehr heimeliges Flair verbreite. Als Kind habe sie mit ihren Eltern in vielen Städten der Welt gelebt, doch „so einen schönen Flughafen habe ich noch nirgendwo gesehen", schwärmt sie. „Optisch ist der Flughafen wirklich toll", mischt sich eine Frau in unser Gespräch, „den Eindruck hatte ich bereits vor neun Jahren, als ich schon einmal als Komparsin dabei war." Und als wolle sie das beweisen, zieht sie einen Gutschein für die Besichtigung der Besucherterrasse hervor, den damals alle Freiwilligen als Dankeschön bekamen. „Der ist im Juli 2013 abgelaufen, ich will mal sehen, ob mir den jemand verlängert", scherzt sie.
Der Check-in nach Hilversum zieht sich hin, langsam wird die Zeit knapp. Und dann auch noch das: Schlangen vor den Sicherheitskontrollen. Die Fluggäste werden unruhig, die Sicherheitsleute lassen sich davon jedoch nicht beeindrucken. Penibel kontrollieren sie. Dass zwei Sicherheitsbereiche geschlossen sind, interessiert niemanden: kein Personal!
Die Fahrstühle sind viel zu eng
Auf den letzten Drücker schaffe ich es zum Gate und in mein Flugzeug, das in diesem Fall leider nur ein Reisebus ist. Seit fast fünf Stunden nun schon dauert der Test an diesem heißen Tag, doch jetzt kommt für alle eine Überraschung. Wir „heben ab", wenngleich nicht richtig. Doch als Dankeschön gibt es nun eine Besichtigungsrundfahrt über das Flughafengelände, die auch mit Speed über die Start- und Landebahn führt, ein Vergnügen, das ab Ende Oktober nicht mehr möglich sein wird. Für uns geht damit ein erlebnisreicher Tag zu Ende, die nächsten Komparsen werden andere Dinge testen, damit am Ende alle Bereiche und Abläufe reibungslos funktionieren.
Alles, was ihnen auffällt, werden die Tester am Ende ihres Probetages aufschreiben, damit die Mängel bis zum 31. Oktober beseitigt werden können. Auch „Nurettin Boller" und „Thaddaeus Bräuer" ist so einiges aufgefallen: So fehlen zum Beispiel Tische hinter den Sicherheitskontrollen, auf denen man seine Siebensachen wieder sortieren kann. Bis jetzt muss man das an den Kontrollbändern tun, was zu einem ziemlichen Rückstau führen kann. Fast überall fehlen Anschlüsse, um Handys aufzuladen. Schuhlöffel im Security-Check wären hilfreich, sind aber noch nicht vorhanden. Das W-Lan ist nicht stabil, zwar kommt man problemlos rein, doch es bricht immer mal wieder zusammen. An einigen Stellen ist die Ausschilderung nicht ausreichend. Die Griffe der Gepäckwagen, die man herunterdrücken muss, damit sich der Wagen bewegen lässt, funktionieren extrem schwer, was für Ältere zu einem Problem werden kann. Das alles sind eher Kleinigkeiten und sicher schnell zu beheben! Doch wie man es hinkriegen will, die viel zu engen Fahrstühle zu vergrößern, dürfte schon eher ein Problem werden. Noch bleiben ein paar Tage, um alle Fragebögen auszuwerten und Fehler abzustellen, um dann hoffentlich am 31. Oktober ohne Pleiten, Pech und Pannen an den Start zu gehen. Dann aber wird Berlin endlich einen Flughafen haben, der sich international auch sehen lassen kann!