Die junge Kunsthistorikerin Eileen Scherer erfüllt sich mit ihrer eigenen Kunstgalerie in Saarbrücken einen Traum. Und konnte zur Eröffnung einen renommierten Künstler gewinnen.
Der helle Raum in dem denkmalgeschützten Haus in der Mainzer Straße 67 zeigt sich einladend zur Straße hin. Der Gehweg verbreitert sich dort fast zur Größe eines Platzes und ist wie ein Entree der Galerie mit dieser verschmolzen. Fast schon kann man die Galeriebesucher einer Vernissage im Sommer dort vor den großen halbrunden, sandsteinumfassten Fenstern sehen; vertieft ins Gespräch, mit einem Glas in der Hand. Eine Szene urbanen Kunstgenusses und Geselligkeit.
Diese Szene erscheint noch wie ein Traum. Es erscheint auch sehr mutig, gerade in diesen Zeiten eine Galerie zu eröffnen, wo andernorts die Galerien eher schließen. Aber gerade jetzt war für die 29-jährige Eileen Scherer der richtige Zeitpunkt. „Es gibt nie einen idealen Zeitpunkt", erklärt sie, „aber ich bin derzeit so flexibel wie nie. Dazu habe ich meinen Hauptarbeitgeber im Rücken, der mir eine Teilzeittätigkeit ermöglicht und die nebenberufliche Tätigkeit als Galeristin genehmigte." Eileen Scherer arbeitet bei Randstand, einem Personaldienstleister in Saarbrücken, als Senior Consultant Office and Public. Sie vermittelt also die richtigen Personen für Stellen im kaufmännischen Bereich an Unternehmen aus der freien Wirtschaft und an Unternehmen im öffentlichen Sektor.
Diese Arbeit ist jedoch nicht nur „Broterwerb", wie man vermuten könnte. Ihre Arbeit schätzt sie sehr, sie bietet ihr persönliche Entwicklungsmöglichkeiten. Erfahrungen, das Wissen und die Kompetenzen für diese täglichen vielfältigen Aufgaben werden auch für eine erfolgreiche Tätigkeit als Galeristin gefordert.
Zunächst studierte die in Dudweiler geborene Eileen Scherer Architektur an der HTW in Saarbrücken. Während des Studiums war sie begeistert vom Kurs Freihandzeichnen und Aktzeichnen, welcher vom Künstler Arne Menzel geleitet wurde. Auch Kunst- und Baugeschichte sowie die Architekturtheorie interessierten sie jedoch im Laufe der Zeit wesentlich stärker als Baustoffkunde und Statik. Nach zwei Semestern entschied sie, ihr Studium zu wechseln.
Erste Galerieerfahrungen während des Studiums
Das Kindermalatelier von Peter Schmieden in St. Ingbert hatte sie wohl schon in Kindertagen an die Kunst herangeführt, erzählt Eileen Scherer. Als sie dann 2011 in New York im Museum of Modern Art (Moma) „die großen Stars der Kunst" gesehen hatte, war sie so gefesselt, dass sie genau wusste: „Das ist es, was ich gerne machen möchte" und entschied sich für das Studium der Bildwissenschaften der Künste, Zweitfach: Germanistik. Ihr langfristiges und großes Ziel dabei war, eines Tages selbst Ausstellungen zu organisieren und die Funktion einer Kuratorin innezuhaben.
Als sie ihren Eltern diesen Entschluss mitteilte „Ich studiere Kunstgeschichte", gab es erst einmal ein Gespräch. Beide in kaufmännischen Bereichen tätig, warnten ihre Tochter vor den Schwierigkeiten, mit einer geisteswissenschaftlichen Ausrichtung eine gut bezahlte Stelle zu bekommen. Dennoch – ihren Bachelor-Abschluss machte sie dann in Rekordgeschwindigkeit von fünf Semestern. „Ich wollte die Zeit vom Architekturstudium etwas aufholen". Danach folgte der Masterabschluss im Jahr 2016.
Während ihres Studiums sammelte Eileen Scherer erste Galerieerfahrungen durch ein Praktikum in der damaligen Galerie Besch. Dr. Ingeborg Besch ließ ihr viele Freiheiten, und obwohl sie damals erst im ersten Semester war, durfte sie die Räume sowohl kreativ als auch technisch mitgestalten und die Galerie selbstständig beaufsichtigen. „Sie hat mir einfach den Schlüssel in die Hand gedrückt. Es hat mir sehr viel Freude gemacht, Kunstinteressierten die Werke zu zeigen und mein Wissen darüber weiterzugeben." Das war ihre „Probegalerie". Für dieses Vertrauen, welches ihr die Galeristin entgegengebrachte, ist Eileen Scherer heute noch sehr dankbar.
„Das Studium vermittelt tiefste Einblicke in die Kunst an sich, aber betriebswirtschaftliche Zusammenhänge kommen definitiv zu kurz". Eileen Scherer hält diese Kenntnisse für wichtig. Daher machte sie während des Studiums auch fachfremde Praktika, beispielsweise im Personalbereich der imc information multimedia communication AG im Scheer Tower oder bei Kunstversicherungen in Düsseldorf und Köln, um Office-Abläufe kennenzulernen. Mit Hinblick auf den Plan, irgendwann selbstständige Unternehmerin zu sein, bewarb sie sich – mit Erfolg – nach dem Studium branchenfremd. Ihre Fähigkeiten als Geisteswissenschaftlerin setzte sie im Personalwesen ein: „Ich habe während meines Studiums gelernt, Zusammenhänge eigenständig zu erarbeiten, diese zu präsentieren und fächerübergreifend zu denken."
Die Ausstellung kann trotz Lockdown besucht werden
Die Arbeit in der Personalvermittlung macht ihr Freude. „Sich auf ganz unterschiedliche Personen einzustellen und mit Empathie jedem unterschiedlich zu begegnen, diese Erfahrung kommt mir auch als Galeristin zugute. Mit Kunden zu sprechen, aber auch um mit Künstlern gemeinsam Projekte zu entwickeln. Mein erworbenes Wissen im Vertrieb wird mir helfen, die Galerie voranzubringen".
Die Künstler wählt sie ganz nach eigenen Kriterien aus. „Das Werk und das Schaffen des Künstlers müssen mich persönlich berühren. Darüber hinaus ist es mir wichtig, dass der Kunstschaffende ein Alleinstellungsmerkmal hat: Setzt er sich mit einer bestimmten Maltechnik, Gedanken und Ideen von der großen Konkurrenz ab, wird dies von Besuchern der Galerie auch direkt wahrgenommen."
Die Biografie, die Entwicklung des Künstlers, seine bisherigen Ausstellungen, in welchen Sammlungen seine Werke vertreten sind – all diese Kriterien legt Eileen Scherer bei ihrer Auswahl zugrunde. „Früher habe ich mich mehr für figurative Kunst interessiert. In meiner Bachelorarbeit verglich ich Rembrandt mit Rubens, in meiner Masterarbeit ging es um Pin-ups sowie kunsthistorische Remakes von Mel Ramos. Heute habe ich gemerkt, dass mich die Abstraktion, insbesondere die individuelle Gestaltung von Oberflächen und räumliche Tiefenwirkung innerhalb eines Kunstwerkes aktuell stärker interessiert." Zur Eröffnung ihrer Galerie werden Werke des international renommierten Künstlers Ali Anvari zu sehen sein. „Die Ausstellung ‚Dorns & Flowers‘ wird erstmalig in dieser Form präsentiert, und ich bin sehr glücklich, dass Ali mir hierbei vertraut und mich gerade in der Phase der Neugründung mit all seinen Erfahrungen sehr unterstützt hat." Ali Anvaris Medium sind echte Perserteppiche, die er mit pastosem Farbauftrag quasi upcycelt. Er arbeitet diese auf und transferiert sie in das heutige Kunstverständnis. Anvari würdigt mit seiner Kunst das Schaffen der Menschen, welche die Teppiche mühsam und kunstvoll knüpften und die ansonsten abgenutzt weggeworfen würden." Wegen des aktuellen Lockdowns kann der Künstler zwar nicht persönlich erscheinen, aber die Ausstellung kann ganz normal besucht werden.
Eileen Scherer plant vier Ausstellungen jährlich. Jeder Künstler soll in einer Einzelausstellung drei Monate lang in ihrer Galerie zu sehen sein. Ihr liegt viel an einer guten Zusammenarbeit mit den Künstlern, also eine Zusammenarbeit „auf Augenhöhe". Den Namen ihrer Galerie, ihr Vorname „Eileen", hat sie bewusst gewählt, „um eine persönlichere Ebene zu schaffen. Vielleicht hilft es, bei ‚neuen‘ Kunstinteressierten die Hemmschwelle zum Betreten einer Galerie abzubauen." Auch möchte sie einen möglichst ungezwungenen Kontakt aufbauen. Hinter dem Mut und Elan, eine Galerie zu eröffnen und den eigenen Lebenstraum zu erfüllen, steckten „viele Gedanken". Sie sei doch eher „verkopft" resümiert Eileen Scherer, und sie habe auch ganz gezielt darauf hingearbeitet. Schließlich ist dieser Schritt etwas „ganz Großes". Einiges ging nicht ganz so schnell, wie sie sich das gewünscht hatte. „Manchmal wurde ich auch ausgebremst", sagt sie lachend. Die Gewerbeanmeldung dauerte länger als gedacht, und die Website ist beispielsweise auch noch in Arbeit. „Ich habe zum Glück auch viele helfende Hände" sagt sie froh.
Das Jahr 2020 ist ein Anstoß, mit der Erfüllung ihres Traumes nicht länger zu warten – trotz der vielen Einschränkungen wegen Corona; oder gerade deswegen. Bei allen Einschränkungen möchte sie den Fokus auf die Kunst lenken als „ein Aufatmen, einen Befreiungsschlag. Ich möchte diesem Jahr etwas Positives mitgeben. Denn gerade in diesem Jahr zeigt sich, wie wichtig doch die Kultur, die Kunst und alle Kunstschaffenden sind".