Die Corona-Beschlüsse der Bundesregierung treffen die Veranstaltungsbranche hart. Schnelle Hilfe ist in Aussicht gestellt, doch die Maßnahmen sind noch nicht zu Ende gedacht.
Der Monat November zählte schon immer zu den traurigsten: Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag, Buß- und Bettag – es hörte nicht auf. Jetzt hat uns Corona nicht nur den November noch schwerer gemacht – geraubt hat das Virus uns auch noch den Trost und die Hoffnung auf Lichterketten, Glühwein und Kerzenleuchten. Nicht nur die Gaststätten, Theater und Hotels müssen dichtmachen, auch die meisten Weihnachtsmärkte sind abgesagt.
Mit zehn Milliarden Euro hält die Bundesregierung dagegen. Zehn Milliarden, die vor allem den kleinen Betrieben, den Solo-Selbstständigen, den Clubs, Festivals, Kinobetreibern, Privattheatern zugutekommen sollen. Sie alle sollen einmalig 75 Prozent des Umsatzes erstattet bekommen, den sie im November 2019 erwirtschaftet haben. Firmen mit maximal 50 Mitarbeitern bekommen 75 Prozent erstattet. Größere Firmen sollen rund 70 Prozent bekommen. Die Mittel sollen so beantragt werden wie bisher die Überbrückungshilfe, also über den Steuerberater. Nichts muss zurückgezahlt werden, das Geld kommt als Zuschuss. Das klingt erst einmal gut, schließlich sollen ja alle „stark durch die Krise" kommen, wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte.
Die Regelung gilt vom 2. bis zum 30. November, also der Dauer des vierwöchigen Lockdowns light. Manche in der Branche, wie der Berliner „Wintergarten", haben unverdrossen bereits die Bühnenprogramme für die Spielzeit nach dem 1. Dezember vorgelegt. Aber was ist, wenn die Infektionszahlen nicht sinken? Hat der Bund die Mittel, die Hilfen zu verlängern oder wird weiter heruntergefahren? Zumindest die Mittel für die vier Wochen sind da, versichert der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg. Die zehn Milliarden Euro Überbrückungshilfe seien kein zusätzliches Geld, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Im zweiten Nachtragshaushalt seien für Überbrückungsprogramme für Unternehmen 25 Milliarden Euro vorgesehen worden. „Davon sind noch gute 20 Milliarden vorhanden."
Der Teufel steckt im Detail
Der Teufel aber steckt wie so häufig im Detail. Beherbergungsbetriebe beschäftigen eine ganze Reihe Dienstleister um das Kerngeschäft herum: Wäschereien, Reinigungsfirmen, Sicherheitsdienste. Können die auch von der 75-Prozent-Regelung profitieren, wenn sie 90 bis 100 Prozent ihres Umsatzes verlieren? Oft sind auch Zimmermädchen oder Köche nicht angestellt, sondern nur auf Leiharbeitsbasis beschäftigt. Wie wird das berücksichtigt? Ein Fitnessstudio, das geschlossen werden muss, beschäftigt natürlich auch selbstständige Fitnesstrainer – wie wird deren Einkommensausfall ausgeglichen?
Viele Restaurants hatten sich in der Krise auf „Essen to go" verlegt, um wenigstens einen kleinen Umsatz zu machen und nicht ganz vergessen zu werden. Dürfen die überhaupt einen Antrag stellen? Wird dieser Umsatz von der Erstattung abgezogen? In jedem Fall werden die Überbrückungshilfe und andere Hilfen, die für den November zugesagt sind, angerechnet.
Bei einem Hotel, das im November 2019 vielleicht 30.000 Euro Umsatz gemacht hat, lässt sich relativ schnell ausrechnen, wie viel 75 Prozent sind. Solo-Selbstständige wie Musiker, die vielleicht nur drei Auftritte hatten, Schauspieler, die auf zehn Tage für eine Produktion beschäftigt waren, Tourneeveranstalter, deren Vertrag mit den Veranstaltern am 5. November 2019 endete – wie kann man diesen Existenzen gerecht werden? Ein Vorschlag war, dass in einem solchen Fall das Gesamtergebnis des Vorjahres durch zwölf geteilt als Berechnungsgrundlage herangezogen wird. Jens Michow, geschäftsführender Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), geht noch einen Schritt weiter: Nicht nur Vorjahresumsätze aus dem vergangenen November sollten erstattet werden, sondern zumindest auch Teile der Einnahmeverluste der vergangenen Monate, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Sofern die Politik tatsächlich meinen sollte, mit der für November angekündigten Regelung alle von uns aufgezeigten Probleme gelöst zu haben, wäre dies ein fataler Irrtum", sagte er weiter. Die Veranstaltungsbranche erbringe seit März ein Sonderopfer, das mit keinem anderen Wirtschaftszweig vergleichbar sei.
Insgesamt hat sich zwar die Situation für Solo-Selbstständige verbessert. Bisher konnten sie nur Betriebskosten geltend machen und mussten ansonsten Grundsicherung nach Hartz IV beantragen. Vor dem Gang zur Arbeitsagentur sind die meisten zurückgeschreckt. Aber welche Betriebskosten sollten denn eine selbstständige Musikerin oder ein Schauspieler geltend machen? Das hatte wenig Sinn. Ob die 75-Prozent-Regelung aber hilft, ist fraglich. Viel besser als eine mit einem unzureichenden Ergebnis berechnete Umsatzerstattung wäre ein Unternehmerlohn gewesen, eine Idee, die inzwischen auch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) favorisiert wurde. In einer Pressekonferenz in Berlin sagte er: „Es geht auch um die Frage, wie man den Solo-Selbstständigen und Unternehmern, die ja ihre Mitarbeiter zwar in Kurzarbeit schicken können, aber selbst nicht von diesen Regelungen erfasst werden, wie man ihnen besser als bisher helfen kann, das ist das Stichwort Unternehmerlohn. Da müssen wir in der Koalition eine Einigung finden." Später gab er zu, er habe sich mit dieser Idee in der Koalition nicht durchsetzen können. Er ist offensichtlich am Widerstand der SPD gescheitert. Der Grund: Da die Solo-Selbstständigen nicht in die Sozialkassen eingezahlt haben, hätten sie auch keinen Anspruch auf diese, einem Kurzarbeitergeld gleichkommenden Nothilfen. Selbst die 75-Prozent-Regelung wurde aus den gleichen Gründen kritisiert. Altmaier reagierte entnervt und sagte, es handele sich um „keine sozialpolitische Maßnahme, sondern um eine Wirtschaftshilfe".
Grüne für 1.200 Euro Unternehmerlohn
Schon zuvor hatte der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck einen Unternehmerlohn in Höhe von 1.200 Euro monatlich ins Spiel gebracht, vergeblich. „Dieser Unternehmerlohn sollte pauschal und rückwirkend gezahlt werden", hatte er gefordert. Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschlands (VGSD) hatte die Annäherung Altmaiers an den fiktiven Unternehmerlohn begrüßt, stellt jetzt aber zu den „Novemberhilfen" fest: „Ein Unternehmerlohn nach Vorbild von Baden-Württemberg wäre für den Staat wahrscheinlich billiger, zumal die 1.180 Euro – wir wünschen uns einen höheren Betrag von mindestens 1.500 Euro, wie in anderen EU-Staaten üblich – ja versteuert und verbeitragt werden müssen." Ein solcher „Lohn" führe zu einer höheren Zufriedenheit der Betroffenen, weil er verlässlich und berechenbar sei und vergleichsweise unbürokratisch vergeben werde.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters erinnert in dem Zusammenhang noch einmal daran, dass es um die Existenz für mehr als 1,5 Millionen Menschen gehe, „die in unserem Land mehr als 100 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt an Wertschöpfung beitragen." Das sei mehr als die Chemie-Industrie und etwa gleich viel wie der Maschinenbau. Die Kultur dürfe nicht zum Opfer der Krise werden. Wenn die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst streiken oder die Metallarbeiter ihre Arbeit niederlegen, merkt das ziemlich bald das ganze Land. Der Jazztrompeter Till Brönner hat jetzt den Vorschlag gemacht, dass die Radios einfach mal drei Tage lang keine Musik spielen. Wäre doch mal eine Möglichkeit, an die Bedeutung der Kultur zu erinnern – auch und gerade im kalten November.