Seit einigen Wochen ist der Spielemarkt um eine Golfsimulation reicher. Wir haben sie ausgiebig getestet, und von uns gibt es eine eindeutige Kaufempfehlung für „PGA Tour 2K21" – das wohl beste Golfspiel seit vielen Jahren.
Volle Konzentration vor dem nächsten Abschlag, einem Par-5-Loch auf dem Kurs Tournament Players Club Sawgrass. Die Bedingungen sind alles andere als ideal. Der Wind bläst mit 21 Kilometer pro Stunde von der rechten Seite. Bei einer Schlagweite von knapp 260 Meter sorgt der Wind für eine gewaltige Abweichung des Balls. Dass der Fairway an dieser Stelle nur etwa 15 Meter breit und zusätzlich links und rechts von Bäumen gesäumt ist, macht die Aufgabe nicht einfacher. Ich ändere die Position meines Spielers, drehe ihn ein Stück weit nach rechts und peile beim Abschlag fast schon die rechte Baumreihe an, um die Windverhältnisse auszugleichen. Jetzt nur nicht den Schlag nach links oder rechts verziehen, sondern sauber in einer runden Bewegung durchschwingen. Jeder noch so kleine Fehler sorgt bei diesen Bedingungen für unberechenbare Abweichungen der Flugkurve.
Ich hole aus und ziehe den Rückschwung ein kleines bisschen zu schnell durch – und verziehe damit nach links. Der Ball fliegt direkt auf die linke Baumreihe zu, landet im Rough, also dem tiefen Gras. Dort erwischt er aber einen kleinen Hügel und wird zurück Richtung Fairway geschleudert – und bleibt am Rande des Fairways liegen. Uff, Glück gehabt! Der Ball lässt sich perfekt weiterspielen, und am Ende gelingt mir trotz dieses Patzers ein Birdie – das heißt, ich schaffe es sogar in vier statt der geforderten fünf Schläge auf dieser Bahn.
Das Spiel „PGA Tour 2K21" aus dem Hause „2K" ist ganz ohne Zweifel eine der besten Golfsimulationen der vergangenen Jahre. Für mich persönlich sogar die beste seit den seligen Zeiten der Tiger-Woods-Reihe von EA Sports, die 2013 endete. Das liegt daran, dass sich das Spiel sowohl für blutige Anfänger als auch für echte Profis gleichermaßen eignet. Möglich machen dies allerlei Anpassungen an den Schwierigkeitsgrad und Hilfen, die Anfängern Fehler verzeihen. So lässt sich etwa die bereits oben erwähnte Schwungschwierigkeit einstellen. Je höher die Schwierigkeit, umso stärker machen sich bereits kleinste Abweichungen bemerkbar, wenn der Schwung des virtuellen Schlägers nicht sauber durchgezogen wird. Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad bekommt man durchaus ein realistisches Gefühl, wie es auf einem echten Golfplatz zugeht. Von „Anfänger" bis „Legende" gibt es sechs Schwierigkeitsgrade.
Für Anfänger und Profis gleichsam geeignet
Vor allem Genre-Neulinge sind am Vorgänger „The Golf Club 2019" schnell verzweifelt und haben das Spiel frustriert abgebrochen. Der Nachfolger „PGA Tour 2K21" macht vieles besser, nimmt Anfänger an die Hand und führt sie schrittweise ans Spiel heran. Bessere Spieler verzichten ganz einfach auf diese Art von Hilfsmittel. Auch sonst macht „PGA Tour 2K21" einiges besser als das Vorgängerspiel. Die Ballphysik wirkt nochmals ein Stück weit realistischer, und auch die Grafik ist deutlich besser – wenngleich auch hier gemessen am heute Möglichen noch jede Menge Luft nach oben ist.
Leider wirken die Zuschauer entlang der Bahnen sehr statisch, fast wie in die Grafik hineingeklebt. Sie erwachen meist erst zum Leben, wenn der Spieler den Ball eingelocht hat. Schwächen gibt es meines Erachtens auch bei den Windverhältnissen, deren Auswirkungen nicht immer nachvollziehbar sind. So kam es in unserem Test bei identischen Windverhältnissen und trotz sauberer Schläge immer wieder zu schwer nachvollziehbaren Abweichungen im Schlagergebnis. Bleibt zu hoffen, dass dies durch spätere Patches noch angepasst wird.
Davon abgesehen macht das Spiel aber wirklich richtig viel Spaß und bietet dank der unterschiedlichen Schwierigkeiten eine sehr große Langzeitmotivation. Das gilt insbesondere für den Karrieremodus. Wer mag, kann sich auch ganz gezielt einen einzelnen Platz auswählen, gegen vom Computer generierte Gegner, gegen Freunde oder online gegen reale Gegner antreten. Sogar ganze Saisons sind online möglich. Natürlich gibt es auch einen Trainingsmodus, in dem man an seinen Schwächen arbeiten kann.
Wer möchte, darf sogar eigene Golfplätze entwerfen und diese veröffentlichen, sodass auch andere Spieler sich den Herausforderungen stellen können. Dank eines Baukastensystems und vieler Einstellmöglichkeiten geht dies ganz einfach. Wer bereits das Vorgängerspiel „The Golf Club 2019" sein Eigen nennt, kann sogar bereits dort erstellte Plätze importieren. Das führt dazu, dass es neben den 15 lizenzierten Originalplätzen eine Vielzahl weiterer gibt.
Der Kurs, auf dem wir aktuell gerade unterwegs sind, ist der Tournament Players Club Sawgrass – die virtuelle Umsetzung eines echten Golfplatzes in Ponte Vedra Beach, Florida, südöstlich von Jacksonville. Wir testen die Simulation auf der Xbox One, gesteuert wird also mit dem klassischen Controller. Das Spiel gibt es natürlich auch für Playstation 4, Nintendo Switch und PC. Entsprechend unterschiedlich ist dabei die Steuerung. Wer Golfsimulationen bislang nur am PC gespielt hat, wird schnell feststellen, dass eine präzise Steuerung mit der Maus deutlich einfacher ist als mit dem Stick eines Konsolen-Controllers, der erheblich empfindlicher reagiert. Entsprechend haben kleinste Unsauberkeiten in der Bewegung je nach Schwierigkeitsgrad gewaltige Auswirkungen.
Im Karrieremodus sorgen kleine Belohnungen dafür, dass die Motivation hochgehalten wird. So muss man beispielsweise gewisse Anforderungen erfüllen – etwa drei Birdies in Folge spielen, 260 Meter weit abschlagen und unter dem Platzlimit von 72 Schlägen in einer Runde bleiben. Oder man muss die Runde besser absolvieren als ein gewisser Computergegner. Schafft man dies, schaltet man Ausrüstungsgegenstände frei und erhält Ingame-Geld, mit dem man die Ausrüstung kaufen kann.
Das aus meiner Sicht Lobenswerte daran: Die Belohnungen sind rein optischer Natur und haben keinerlei Einfluss auf das Spiel selbst. Bedeutet: Ich kann meinen Spieler zwar optisch anpassen, aber dadurch nicht besser machen. Besser wird mein Alter Ego nur, wenn ich selbst Lernfortschritte mache und anfängliche Fehler vermeide. Dies gilt für die erwähnten Windverhältnisse ebenso wie beispielsweise fürs Putten, also das Einlochen. Hier zeigen bewegliche Linienraster an, wie stark das Gelände abfällt oder ansteigt. Je weiter der Ball vom Loch weg liegt, umso abwechslungsreicher kann das Gelände sein. Diese Unebenheiten „lesen" zu lernen, ist eine echte Herausforderung. Man muss sich langsam herantasten. Hat man das System einmal begriffen, stellen sich schnell Erfolgserlebnisse ein. Das gibt dem einen unfassbaren Motivationsschub. Man wird so immer besser und kann sich bald an den nächsthöheren Schwierigkeitsgrad wagen, der weniger Hilfsmittel bereitstellt. Die ultimative Herausforderung ist es, das Spiel ganz ohne Hilfsmittel wie das Gitterraster zu bewältigen. Doch bis dahin ist es ein sehr, sehr weiter Weg.