Paul Hansen sitzt in einem Gefängnis in Montreal und hört der Kälte zu. Mit dieser Beschreibung beginnt Jean-Paul Dubois‘ Buch „Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise". Bis zum Ende der Geschichte werden wir nicht erfahren, warum genau der friedliebende Paul Hansen eingesperrt ist. Um dem seelentötenden Gefängnisalltag zu entkommen und im Irrsinn des Eingesperrtseins seinen Sinn für die Menschen zu bewahren, die ihm das Leben lebenswert machen, spricht Paul nachts mit den Toten – in seinem Kopf. Der melancholische Held von Jean-Paul Dubois‘ Roman teilt sich die kleine Zelle mit einem Biker der Hell’s Angels, der jedem der nicht auf seiner Seite ist, in der Mitte zu zerschneiden droht – und trotzdem Angst vor Mäusen und dem Haareschneiden hat.
Zum Glück ist Paul Hansen auf der guten Seite seines Zellennachbarn gelandet. Der Roman erzählt aus der Perspektive Hansens vom Dasein im Gefängnis und vom Leben, wie es früher war. Der in Frankreich aufgewachsene Sohn eines dänischen Pastors und einer Besitzerin eines avantgardistischen Programmkinos in Paris, hat schon einiges hinter sich, bevor er seine Berufung als Hausmeister in einer exklusiven Wohnanlage in Kanada findet. Dort wird das „Faktotum", wie Paul sich oft selbst geringschätzig bezeichnet, zur guten Seele des riesigen Apartmenthauses. Denn Paul kümmert sich nicht nur um Heizungsrohre, Dachrotoren und die exakte chemische Zusammensetzung des Schwimmbadwassers. Für seine Mitbewohner ist er auch Zuhörer, Seelentröster, Altenpfleger und Freund.
Ein Vierteljahrhundert lang ist Paul von seiner Aufgabe erfüllt, bis ihm eines Tages die Sicherung durchbrennt und er dafür mit seiner Freiheit bezahlen muss. Trotzdem macht der Leser am Ende seinen Frieden mit dem Buch. Autor Jean-Paul Dubois hat für seinen traurig-schönen Roman 2019 den wichtigsten Literaturpreis Frankreichs, den Prix Goncourt, erhalten. Damit steht Dubois in einer Reihe mit großen Goncourt-Preisträgern wie Marcel Proust, Marguerite Duras und Michel Houellebecq – zu Recht.