Die zweite Welle der Corona-Krise hat begonnen. Ängste vor der Erkrankung, Sorgen um Angehörige, die eigene Existenz, Isolierung und familiärer Stress lassen nicht nach. Doch es gibt Möglichkeiten, die Herausforderungen zu meistern.
Draußen schlägt die Ostsee kleine Wellen, eine frische Herbstbrise weht über den Strand. Auf der Dachterrasse des „Hotels Arkona" in Binz auf Rügen hat sich eine kleine Gruppe versammelt. Die Wolkenmeditation steht an diesem Morgen auf dem Programm. Die Teilnehmer machen es sich in Decken eingehüllt auf den Liegen bequem und genießen die frische Luft. „Schaut in die Wolken, nehmt wahr, wie sich ihre Formen verändern und atmet ganz entspannt ein und aus", sagt die Heilpraktikerin und Therapeutin Anna Kalus. Ihre Teilnehmer gönnen sich eine Auszeit und nutzen die Gesundheits- und Entspannungsprogramme des „Grand Hotel Binz", um in dieser herausfordernden Zeit Kraft zu tanken. „Schließt die Augen und spürt nach und nehmt euch Zeit, um die Meditation zu beenden", sagt die Therapeutin. „Es ist herrlich entspannend, man kann für eine halbe Stunde die Corona-Krise völlig vergessen", sagt Gabriele Pagels, die stellvertretende Marketingleiterin des Hotels, die an diesem Tag an der Meditation teilgenommen hat. „Immer mehr Gäste kommen zu uns, um etwas für ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden zu tun und Stress abzubauen", sagt sie. Allein ein ausgedehnter Spaziergang am Strand mit weitem Blick über die Ostsee hilft dabei, den Kopf frei zu bekommen. Gabriele Pagels weiß das aus eigener Erfahrung.
Zu den Angeboten des Hotels gehört beispielsweise eine „Stress-weg-Kur" mit Entspannungstherapien und ayurvedischer Vollverpflegung, die dabei hilft, die eigenen Energieressourcen wieder zu füllen. Dabei können Menschen mit beruflichem oder persönlichem Stress, Erschöpfungszuständen, Schlafstörungen und Burn-out wieder zu Kräften kommen und Zuversicht für neue Herausforderungen gewinnen. Fastenkuren und Vitaltage mit basischer Kost in Kombination mit begleitenden Gesprächen mit der Therapeutin, Massagen, Yoga, Meditation und Atemtechniken helfen ebenfalls, um wieder zu sich und auf die Beine zu kommen. „Fasten ist mehr als nur nichts essen, es beruhigt Geist und Seele", sagt Anna Kalus. Das Gehirn setzt das Glückshormon Serotonin frei, was zu einer Stimmungsaufhellung führt, die Kreativität nimmt zu und unterstützt dabei, neue Wege und Lösungen zu finden. Außerdem werden die Selbstwahrnehmung und die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert. Auch basische Kost, bei der man sich überwiegend mit Obst und Gemüse ernährt, führt zu mehr Energie und hilft, ebenfalls überflüssige Pfunde wegen des Homeoffice wieder zu verlieren. „Viele unserer Gäste nehmen das als Anregung für eine gesunde Ernährung und ein besseres Immunsystem mit nach Hause", berichtet Anna Kalus.
Die Corona-Krise hält uns weiter in Atem. Die warmen Sommermonate sorgten für Entspannung. Familien und Freunde konnten sich im Freien aufhalten oder im Biergarten zusammenkommen, und auch die Zahl der Infizierten ging zurück. Im Herbst nähert sich die Situation wieder der heißen Phase im Frühjahr. Die Fallzahlen steigen und auch die Anzahl der Patienten auf Intensivstationen nimmt zu. Die damit verbundenen Herausforderungen reißen nicht ab. Hygienemaßnahmen und Beschränkungen reduzieren persönliche Kontakte, die Arbeitswelt spielt sich virtuell und im Homeoffice ab, und sogar Reisen innerhalb Deutschlands sind zeitweise nicht erlaubt. Die Sicherheit der vergangenen Jahre ist ins Wanken geraten und wie es weitergeht, ist ungewiss. Die Pandemie überschattet alles und die Verbreitung des Virus wie die Beschränkungen können sich von Tag zu Tag ändern.
Die Pandemie führt zu einer Zunahme depressiver Symptome
Noch nicht absehbar sind die psychischen Folgen der Corona-Krise. Die Angst vor der Bedrohung der eigenen Existenz durch die wirtschaftlichen Folgen, vor der eigenen Infizierung und der Angehöriger, Isolierung und anhaltender Stress durch Homeschooling und Homeoffice hinterlassen Spuren. Das belegen inzwischen auch schon einige Studien. So zeigen Studien der AOK Rheinland/Hamburg und der Techniker Krankenkasse, dass die Pandemie zu einer Zunahme depressiver Symptome führt. „Alles deutet darauf hin, dass Kontaktsperren und Isolation psychische Erkrankungen begünstigen, das gilt insbesondere für affektive Erkrankungen wie Depressionen, aber auch für Angststörungen und Psychosen", erklärt Professor Andreas Heinz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Eine Metaanalyse der Charité Berlin bestätigt, dass soziale Vereinsamung ein wesentlicher Stressfaktor ist und zwischenmenschliche Begegnungen die Gesundheit stabilisieren. „Es ist zu befürchten, dass durch die sekundären Folgen der Covid-19-Pandemie wie Arbeitsplatzverlust und Einsamkeit in den nächsten ein bis zwei Jahren noch mehr Menschen unter einer Depression leiden werden", berichtet Professor Detlef Dietrich, Ärztlicher Direktor der Burghof-Klinik in Rinteln und Vertreter der European Depression Association in Deutschland. Alternative Behandlungsmethoden wie Telefon- und Videosprechstunden seien gut, aber nicht immer ausreichend.
Andere Studien belegen den Einfluss auf unser Wohlbefinden. Viele Menschen fühlen sich erschöpft, ängstlich und schlafen schlechter. Laut Gebhard Hentschel, Psychotherapeut und Vorsitzender der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung, sind die größten Stressfaktoren neben der Ansteckungsgefahr die Veränderungen am Arbeitsplatz, Kurzarbeit und drohender Arbeitsplatzverlust.
Doch es gibt Möglichkeiten, die Ängste, Belastungen und psychischen Herausforderungen zu meistern. Die in Bonn praktizierende Psychotherapeutin Julia Leithäuser empfiehlt, auf die eigenen Erwartungen zu achten und nicht davon auszugehen, dass es diesen Winter besonders schlimm wird. Wichtig ist es, trotz Beschränkungen rauszugehen. Für die psychische Gesundheit spielen Bewegung und Tageslicht eine große Rolle. Wer aus Angst vor Ansteckung nicht ins Kino oder Restaurant geht, könne sich mit Freunden zu einem Filmabend zu Hause verabreden. Menschen, die sich um ihre Existenz sorgen, sollten sich mit anderen Betroffenen zusammenschließen und austauschen. Alleine könne man leichter in einen Strudel negativer Gedanken rutschen. Auch zu viele Nachrichten über die Schrecken der Pandemie fördern die Belastung. Ein oder zwei seriöse Quellen, um informiert zu bleiben, reichen völlig aus. Wer Angst vor Ansteckungen hat, sollte sich an die geltenden Schutzmaßnahmen halten und trotzdem aktiv bleiben. Sich abzuschotten verstärkt die Angst und fördert einen schlechten Zustand. Doch Angst hat auch eine existenzielle Schutzfunktion und hat uns über Jahrtausende das Überleben gesichert. Besser umgehen können wir damit, wenn wir uns eine realistische Einschätzung der persönlichen Gefahr vornehmen und uns Handlungsmöglichkeiten dazu überlegen.
Um gut mit der Situation im Homeoffice zurechtzukommen, ist es wichtig, Arbeitszeiten und Pausen festzulegen und mit Kollegen in Kontakt zu bleiben. Doch nicht alles ist negativ. Viele haben das Homeoffice und flexible Arbeitszeiten schätzen gelernt, auch dass sie dadurch mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen können. „Viele sind dankbar dafür, was sie haben, wie Familie, Freunde, eine Wohnung, ein Land, das ansonsten Sicherheit bietet", sagt Psychotherapeutin Julia Leithäuser. An der Pandemie kann man nichts ändern, deshalb sollte man sich daran orientieren, wie man sich entlasten und entspannen kann und an Möglichkeiten, die eigene psychische und körperliche Gesundheit sowie das Immunsystem zu stärken. Bewegung fördert die Gesundheit und hilft dabei, Stress abzubauen. Sich viel an der frischen Luft aufzuhalten, Joggen zu gehen, Fahrrad zu fahren oder zu Hause die zahlreichen Onlinekurse für Yoga und Fitness zu nutzen – all das geht auch in Corona-Zeiten. Gegen das Gedankenkarussell und die Anspannung helfen Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Meditation und Yoga. Und anstatt im Homeoffice eine Pizza zu bestellen, sollte man auf gesunde Ernährung, viel Obst und Gemüse zur Stärkung und ausreichend Nährstoffe achten. Entscheidend ist es, die Lebensfreude nicht zu verlieren, Resilienz, die psychische Widerstandskraft zu pflegen und die Selbstfürsorge nicht zu vernachlässigen.
Wer sich eine Auszeit gönnen kann, findet im Normalfall in Hotels mit Gesundheitsprogrammen oder in Fachkliniken qualifizierte Angebote, um Abstand zu gewinnen und gestärkt mit den aktuellen Herausforderungen zurechtzukommen. Auch die Malteser Klinik von Weckbecker, Fachklinik für Heilfasten und Naturheilkunde in der Bayrischen Rhön, bietet spezielle Programme für diese Zeiten, um einfach mal die Reset-Taste zu drücken und einen Gang runterzuschalten. „Bei unserem Reset-Programm geht es darum, die Uhren auf null zu stellen, erschöpfende Gewohnheiten hinter sich zu lassen und Klarheit zu finden", sagt die Sprecherin Sabrina Seifert. Um Kraft zu tanken und in Balance zu kommen, bietet das Haus ein Vier-Säulen-Konzept mit Heilfasten oder Optimierung der Ernährung, Physiotherapie und Sport, Kneipptherapie und Entspannungsverfahren. Darmbäder zur Reinigung des Dickdarms, Wickel zur Stimulation des Leberstoffwechsels und seelsorgerische Gespräche gehören zum Paket dazu. „Neben antientzündlicher und stoffwechselverbessender Wirkung ist heute die psychovegetativ entlastende Wirkung des Fastens wissenschaftlich nachgewiesen", erklärt der ärztliche Leiter Dr. Rainer Matejka. Auch bei Stress- und Erschöpfungssyndromen wirke sich dies günstig aus, nicht zuletzt durch die beruhigende und angstlösende Wirkung des Fastens. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bestätigt die positive Wirkung des Fastens.
Beim Fasten gibt es verschiedene Varianten: Bei der strengsten Form nimmt man nur Wasser und Tee zu sich, bei einer modifizierten Form sind Shakes und Suppen erlaubt, beim Heilfasten besteht die Nahrungsaufnahme nach einer Darmreinigung aus Kräutertees, Wasser, Gemüsebrühe, Obst- und Gemüsesäften und zum inzwischen populären Intervallfasten gehören wechselnde Ess- und Fastenphasen.
Das Konzept der Malteser Klinik von Weckbecker beinhaltet ebenso verschiedene Schulungsprogramme, angefangen von der Lehrküche über Gesprächsrunden und Vorträge. „Ziel dabei ist es, zu Ernährung, Bewegung und Entspannungsverfahren individuelle Konzepte zu entwickeln, die Gäste nicht nur zu Hause weiterführen, sondern auch durchhalten können", sagt der medizinische Leiter. Das Problem sei ja heute, dass es öfters an Zeit mangelt, sodass Empfehlungen und Konzepte in einen modernen Tagesablauf passen müssen. Auch das „Grand Hotel Binz" will die Gäste nach ihrem Aufenthalt zukünftig durch onlinebasierte Betreuung und Fragestunden begleiten und sie dabei unterstützen, die aufgetankte Energie beizubehalten.