Mit der Premiere von „Toy Story", dem ersten komplett am Computer erstellten Kino-Opus, etablierte Pixar vor 25 Jahren das neue Genre des Computeranimationsfilms. Gleichzeitig läutete das Unternehmen auch das Ende des klassischen Disney-2-D-Zeichentrickfilms ein.
Heute zählen Animationsfilme weltweit längst zu den Kassenschlagern, wobei zahlreiche Erfolgsstreifen aus dem Hause Disney stammen. Einspielergebnisse jenseits der Milliarden-Dollar-Grenze mit der von den Walt Disney Animation Studios produzierten „Eiskönigin 2" als Primus inter pares können kaum noch jemanden überraschen. In dem Anfang 2020 vom deutschen Onlineportal Statista veröffentlichten Ranking der erfolgreichsten Animationsfilme der Historie sind aber auch die Pixar Animation Studios gleich viermal unter den Top Ten vertreten, wobei sich das Opus „Die Unglaublichen 2" aus dem Jahr 2018 mit einem Einspielergebnis von rund 1,42 Milliarden Dollar knapp vor „Toy Story 4" von 2019, „Toy Story 3" (2010) und „Findet Dorie" (2016) platzieren konnte. Vor 25 Jahren, als Pixar am 19. November 1995 in Hollywood die Premiere des ersten, im Auftrag der Walt Disney Company, vollständig am Computer erstellten Kinofilms mit dem Titel „Toy Story" feierte, hatte wohl niemand mit einem solch durchschlagenden und dauerhaften Mega-Erfolg des neuen Genres Computeranimationsfilm auf der Leinwand gerechnet. Selbst der IT-Visionär Steve Jobs, der das junge Start-up Pixar 1986 mit seiner Millionenabfindung aus dem Apple-Zerwürfnis erworben und danach durch kontinuierliche Geldspritzen aus eigener Tasche am Leben erhalten hatte, war vor dem Kinostart nur vorsichtig optimistisch gewesen: „Wenn der Film ein kleiner Hit wird, um die 75 Millionen Dollar, und wir unser Geld zumindest wieder einspielen, bin ich zufrieden." Doch das als Buddy-Movie angelegte Abenteuer rund um den Cowboy-Sheriff Woody, der sich eifersüchtig vom Weltraum-Polizisten Buzz Lightyear in seiner Funktion als Lieblingsspielzeug bedroht sieht, schlug mit einem weltweiten Einspielergebnis von 362 Millionen Dollar an den Kinokassen wie eine Bombe ein. Kinder und Erwachsene waren gleichermaßen begeistert – ein Erfolgsrezept, dass Pixar bis heute auszeichnet.
Regisseur John Lasseter wurde 1996 mit einem Sonderoscar für den ersten computeranimierten Spielfilm geehrt, in drei weiteren Kategorien – bester Song, beste Filmmusik und bestes Originaldrehbuch – hatte es „Toy Story" im gleichen Jahr immerhin zu Nominierungen für den Goldjungen geschafft. Mit einem Budget von 30 Millionen war „Toy Story" deutlich günstiger als ein vergleichbarer Zeichentrickfilm, was in den Folgejahren bei Walt Disney zu ernsthaften Überlegungen über den Fortbestand seines klassischen 2-D-Films führen sollte.
Eine Woche nach der Premiere von „Toy Story" brachte Jobs Pixar an die Börse, wo sich der Wert der Aktie in Windeseile verdoppelte und den Grundstein für Jobs Weg zum Milliardär legte. Dieses Ziel erreichte er im Januar 2006 endgültig, als die Walt Disney Company die im kalifornischen Emeryville ansässige Pixar Inc. für die stolze Summe von 7,4 Milliarden Dollar erwarb, wobei allein vier Milliarden Dollar in Jobs Taschen gespült wurden. Seitdem firmieren die Pixar Animation Studios innerhalb des Disney-Konzerns.
Von den fünf führenden Köpfen der Pixar-Gründungsphase sind nur noch der Informatiker und Computergrafik-Spezialist Edwin Catmull als Präsident des Unternehmens sowie der Animator, Regisseur und Drehbuchautor Pete Docter als CCO mit am Ball. Der für die computertechnische Pionierarbeit verantwortliche Informatiker Alvy Ray Smith war bereits 1991 ausgeschieden, Steve Jobs wechselte 2006 in den Disney-Verwaltungsrat, und der kreative Computergrafik-Vordenker und Regisseur John Lasseter schied 2018 aus. Bis 2020 hat Pixar 22 Spielfilme produziert, die allesamt Publikumsmagneten waren und dem Unternehmen seit Einführung der Oscar-Kategorie „Bester animierter Spielfilm" im Jahr 2002 zehn Goldjungen beschert hat: für die Streifen „Findet Nemo" 2004, „Die Unglaublichen" 2005, „Ratatouille" 2008, „WALL-E – Der Letzte räumt die Erde auf" 2009, „Oben" 2010, „Toy Story 3" 2011, „Merida – Legende der Highlands" 2012, „Alles steht Kopf" 2016, „Coco – Lebendiger als das Leben" 2018 und schließlich „A Toy Story. Alles hört auf kein Kommando" in diesem Jahr.
Jobs pumpte 50 Millionen an eigenem Geld in die Firma
Es war ein weiter Weg von Zeichentrickklassikern wie „Das Dschungelbuch" anno 1967, bei dem die Figuren wegen der 2-D-Technik immer flach gezeichnet waren, bis hin zum 3-D-Animationsfilm. Plastischer konnten die Charaktere auf der Leinwand erst mit dem allmählichen Einzug der Computeranimation ab Mitte der 80er-Jahre werden. John Lasseter war einer der Ersten, der das große Potenzial der neuen Technik für die Filmindustrie erkannt hatte. Doch als er es wagte, bei Disney als fest angestellter Zeichner den Computer als mögliche Alternative für die Trickfilmbranche ins Spiel zu bringen, wurde er 1983 gefeuert.
Etwa zur gleichen Zeit träumten auch Edwin Catmull und Alvy Ray Smith von computeranimierten Kinofilmen, wohlwissend, dass es mit den damals vorhandenen Rechnern so gut wie unmöglich war. Wie es der Zufall so wollte, sollten sich diese drei Animations-Pioniere bei „Star Wars"-Regisseur George Lucas treffen. Dieser hatte für die Graphics Group, das für die Spezialeffekte zuständige Team bei seiner Firma Lucasfilm, ab 1979 kreative IT-Köpfe gesucht. Ihnen gelang es, neben Innovationen wie dem ersten digitalen Filmschneideprogramm auch noch 1981 einen der ersten Grafikrechner Pixar Image Computer zu entwickeln. Obwohl er technisch der Zeit weit voraus war, sollten davon nur insgesamt 300 Exemplare verkauft werden.
Lucas ermöglichte den Spezialisten Smith, Catmull und Lasseter im Jahr 1984 die Fertigstellung des ersten Computer-Kurzfilms mit animierten Charakteren, das zweiminütige Werk um ein menschartiges Wesen und eine Biene trug den Titel „Die Abenteuer von André und Wally B". Ermutigt durch die Begeisterung, die der Kurzfilm in der Technik-Szene ausgelöst hatte, versuchten die drei Macher Lucas für einen computeranimierten Langfilm zu erwärmen. Doch Lucas winkte ab. „Um das durchzuziehen", so der Star-Regisseur, „bräuchte man 30 oder 40 Millionen Dollar, die wir nicht haben".
Da Lucas keinen Bedarf mehr für seine Computerabteilung sah, erlaubte er seinen Mitarbeitern die Suche nach einem Käufer. Als schließlich Steve Jobs 1986 als Investor auf die Bühne trat, machte Lucas ihn darauf aufmerksam, dass seine Mitarbeiter keine Computer herstellen, sondern computeranimierte Filme machen wollten. Davon ließ sich Jobs aber nicht abschrecken, weil er selbst an die Realisierbarkeit des Traums vom Animationsfilm glaubte. Jobs taufte das Unternehmen auf den Namen „Pixar" um. Als sich die Hoffnung auf einen Hardware-Verkaufsschub zerschlagen hatte, setzte man nach Gründung der Pixar Animation Studios ganz auf das Filmemachen, auch wenn damit zunächst kein Geld zu verdienen war. Kurzfilme wie „Die kleine Lampe" 1986, wofür es eine Oscarnominierung gab, oder „Tin Toy", der 1989 sogar einen Goldjungen in der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm" einheimsen konnte, unterstrichen aber zumindest Pixars Standing als grandiose Trickfilmfirma.
Dennoch: Nicht einmal die bahnbrechende Entwicklung des „Render Man"-Programms im Jahr 1989, das noch heute Industriestandard in der 3-D-Computergrafik ist, konnte damals die finanzielle Schieflage von Pixar beheben. Jobs musste daher bis 1991 mehr als 50 Millionen Dollar in seine Firma pumpen. Die Rettung kam in Gestalt der Disney-Company, die Pixar eine Kooperation für einen abendfüllenden Kinofilm vorschlug. In den vier Jahren bis zur Fertigstellung von „Toy Story" stand das Projekt mehrfach auf der Kippe. Nicht nur weil die technologischen Anforderungen schier unlösbar schienen, sondern auch, weil sich die Pixar-Animatoren erst einmal die Fähigkeiten zur Erstellung eines Drehbuchs erwerben mussten.
2006: Verkauf an den Disney-Konzern für 7,4 Milliarden Dollar
Computeranimierte Bilder mussten mit einer pfiffigen Story verbunden werden, die auf Disneys ausdrücklichen Wunsch hin sowohl Kinder als auch Erwachsene ansprechen sollte. Noch nie zuvor musste die Aufgabe bewältigt werden, einen 90-minütigen Spielfilm komplett am Computer zu erstellen. Es kamen ungeheure Datenmassen zusammen, die die Rechner der 90er-Jahre an ihre Grenzen führten. Eine aus 117 Server-Stationen bestehende Rechnerfarm arbeitete 24 Stunden am Tag, um sie zu bewältigen. Der fertige Film erforderte ein Datenvolumen von 500 Gigabyte, das auf 1.200 CDs zwischengespeichert wurde. Insgesamt wurden für „Toy Story" gut 114.000 Einzelbilder verarbeitet, für deren Komposition die Maschinen rund 800.000 Stunden benötigten.
Der Rest ist Filmgeschichte. Nach „Toy Story" gab es zwischen Pixar und Disney bis 2006 noch sechs weitere Film-Kooperationen. Danach standen die Zeichen auf Trennung, weil Pixar sich nicht mehr damit abfinden wollte, dass Disney sich die wichtigsten Verwertungsrechte vorbehalten hatte. Mit der Übernahme von Pixar schuf Disney dann eben das Problem mit den erwähnten 7,4 Milliarden Dollar 2006 auf anderem Weg aus der Welt.