Im kleinen Hunsrückdorf Stipshausen landet Altglas nicht im Container, sondern in der Werkstatt des Designerpaars Adam & Stoffel. Hier entstehen aus Weinflaschen genauso formvollendete wie einzigartige Schmuckstücke.
Ein schöner Abend war’s, als die Idee geboren wurde. Eine gute Flasche Wein spielte dabei die Hauptrolle. Aber welcher Wein? „Keine Ahnung. Eigentlich müssten wir jetzt natürlich behaupten, dass es auf jeden Fall ein Tropfen aus der Region war, also entweder Nahe oder Mosel, keinesfalls Frankreich oder Italien", sagt Claudia Adam lachend. Zusammen mit Ehemann Jörg Stoffel bildet sie das Schmuckdesignerpaar „Adam & Stoffel". Wenn auch der genaue Wein nicht mehr präsent ist, so erinnern sich die beiden noch gut daran, wie ihr Blick an jenem Abend im Jahr 2011 auf die leere Flasche fiel. Wie sich das Licht in dem grünen Glas brach. Es zum Leuchten brachte. Da musste doch was draus zu machen sein …? „Es war die Zeit, als unheimlich viele dieser Upcycling-Ideen aufkamen", erzählt Adam. „Sie wissen schon – Taschen aus alten Jeanshosen oder Rucksäcke aus Reifenschläuchen." Auch die beiden Designer aus dem kleinen Hunsrückdorf Stipshausen suchten damals nach einem zweiten Standbein – sie wollten eine Schmuckserie schaffen, die ein günstigeres Preissegment bediente als das, was sie sonst kreieren. Schlussendlich war es Jörg Stoffel, der sagte: „Lass uns die Flasche köpfen."
Nach einigen Experimenten entsteht die Produktreihe „Voilà"
Gesagt, getan. Das Ehepaar ging in seine Werkstatt nach nebenan – noch bis vor ein paar Jahren befand sich darin ein kleiner Tante-Emma-Laden. Es warf die Diamantsäge an und schnitt den Flaschenhals ab. Die beiden Designer, die normalerweise mit Edelmetallen und kostbaren Schmucksteinen arbeiten, begannen zu experimentieren. Probierten verschiedene Schlifftechniken aus, spielten mit Form und Farbe. Die ersten Schmuckstücke, die dabei entstanden, waren Ringe aus dem Flaschenhals – mit samtweichem Innenschliff, einzigartiger Außenform, mattiert und poliert. Echte Unikate. Dennoch war das Paar zunächst unsicher, ob das zu ihren anderen Kreationen passte. Der Freundeskreis wurde eingeladen – zur Begutachtung. Einhellige Begeisterung. Adam und Stoffel wagten sich mit ihren Ringen aus Altglas auf Fachmessen vor. Schon im ersten Jahr wurden sie mit dem Designpreis Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.
Als sie in der Folge anfingen, die ganze Flasche zu verarbeiten – aus Bauch und Boden entstehen seitdem Anhänger und Ohrringe –, hagelte es zwei Jahre später gleich den nächsten Designpreis. „Durch unsere Art der Verarbeitung erhält das Wegwerfprodukt Glas eine Wertigkeit", sagt Jörg Stoffel, der im Team für das Handwerkliche zuständig ist. Das Design teilt er sich mit seiner Frau. Eine klare, schlichte Formensprache zeichnet die ungewöhnlichen Kreationen aus dem Hunsrück aus. Die Idee dahinter: Ein Spiel aus unsichtbar- und Sichtbarmachen, der Kontrast aus Transparenz und Farbe. Grenzen gibt es nur durch die Flaschenform. „Wir können ja nur Material wegnehmen, nichts hinzufügen", erläutert Claudia Adam. So gibt etwa der Umfang des Flaschenhalses die jeweilige Ringgröße vor. „Gerade für Frauen mit schmalen Fingern müssen wir nach besonderen Flaschen Ausschau halten, um auch kleinere Ringgrößen herstellen zu können."
Ein befreundeter Weinhändler aus Portugal ist da die Rettung – weil die dortigen Flaschenhälse dünner sind. Und was gibt eine Flasche so her? „Ungefähr einen Ring, drei Anhänger und vier bis fünf Ohrringe", rechnet Stoffel hoch. Zehn bis 15 Arbeitsgänge fließen in die Herstellung. Geschliffen wird von grob nach fein. Zum Schluss entsteht ein einmaliges haptisches Erlebnis. Dass sich Glas so gut anfühlen kann!
Verkauf in wenigen Geschäften oder direkt bei den Designern
Mittlerweile führen Galerien in Heidelberg und Hamburg, in Luxemburg und Barcelona die Altglas-Kreationen aus dem Hause Adam & Stoffel. Sogar nach New Milford in Connecticut schicken die Hunsrücker Schmuckdesigner Ware. „Wahrscheinlich könnten es noch mehr Geschäfte sein, wenn wir uns stärker drum kümmern würden", gibt Claudia Adam zu. „Aber bald eröffnen wir einen Online-Shop, und zum Glück finden unsere Kunden auch den Weg zu uns nach Stipshausen oder auf die Märkte, auf denen wir ausstellen." Kunden wie jener Mann, der dem Ehepaar eine ganz besondere Champagnerflasche mit Jugendstildekor ins Atelier brachte – daraus entstand eine Kette für seine Ehefrau und ein Ring für sich selbst. Oder das Weingut aus der Pfalz, das aus seinen Flaschen Ringe herstellen ließ, die es als Kundenpräsent verschenkte. „Vor einiger Zeit kamen drei Generationen einer Familie zu uns –
Oma, Mutter und Enkelin", erzählt Stoffel. „Alle drei hatten eine für sie besondere Jahrgangsflasche dabei. Einmal war es das Jahr der Hochzeit, ein anderes Mal das Geburtsjahr." Selbstverständlich entstanden auch aus diesen Flaschen einzigartige Kreationen.
Flaschen in allen Farben sind das Ausgangsmaterial
Einen Teil der Garage hat das Ehepaar, das sich einst beim Studium an der international renommierten Fachhochschule für Edelstein- und Schmuckdesign im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein kennenlernte, abgetrennt, um das Flaschenlager einzurichten. Unzählige Bouteillen ruhen hier – in Grün, Blau, Weiß, Braun, Rosa und Gelb, manche verstaubt, andere aus Facettenglas oder mit Rosendekor. Die meisten enthielten mal Wein oder Sekt, andere Gin, Rum oder Likör.
Verarbeitet wird, was die Designer im Laufe der Zeit so wegtrinken? Das Ehepaar lacht und wehrt schnell ab. „Nein, nein, mittlerweile bringen uns Freunde, Bekannte und Kunden immer wieder besonders schöne Flaschen vorbei. Die sind dann aber leider immer leer", verrät Claudia Adam augenzwinkernd. Ehemann Jörg fügt schmunzelnd hinzu: „Von unserem Lieblingswinzer von der Mosel verarbeiten wir aber schon ziemlich viel – sobald der gute Grauburgunder ausgetrunken ist."