Der frühere Fünfkampf-Weltmeister Alexander Nobis beendet seine Karriere. Seine Ehefrau Lena Schöneborn war zwar deutlich erfolgreicher als er, doch der Berliner ist trotzdem stolz auf seine Erfolge.
Lena Schöneborn hatte alles bis ins letzte Detail geplant. Die Freunde waren längst eingeladen, und mit kugelrundem Bauch kaufte die schwangere Fünfkampf-Olympiasiegerin auf dem Markt noch letzte Sachen für die Überraschungsparty ein. Ihrem Mann Alexander Nobis sollte es an seinem 30. Geburtstag an nichts fehlen. Doch dann kam alles anders. Die Wehen setzten ein – fünf Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. „Lena lag schon in den Wehen, als sie mir sagte: ‚Du musst noch den und den anrufen. Ich hatte eine Überraschungsparty geplant, die fällt jetzt aber aus‘", berichtet Nobis. Doch einen schöneren runden Geburtstag hätte er sich gar nicht vorstellen können. Er durfte Töchterchen Marie in den Händen halten, Vater und Kind haben künftig beide an jedem 6. Mai Grund zum Feiern. „Das war so nicht geplant", sagt Nobis, „das hat Marie sich so ausgesucht."
Das Baby hat das Leben des Fünfkämpfer-Paares mächtig auf den Kopf gestellt. Es schläft zwar „ganz ordentlich", verrät Nobis, „aber wir sind noch weit davon entfernt, nachts durchzuschlafen." Da seine Frau halbtags schon wieder arbeitet, muss er in der Zeit die Betreuung übernehmen. Danach trainiert Nobis ab, denn der dreimalige Weltmeister im Staffel-Wettbewerb (darunter einmal im Mixed) beendet zum Jahresende ganz offiziell seine Karriere.
„Die Entscheidung ist über den Sommer gereift"
Seine wenige Monate alte Tochter ist ein wichtiger Grund dafür. Der Athlet der Wasserfreunde Spandau 04 will mehr Zeit mit der Familie verbringen, doch das alleine hat ihn nicht dazu gebracht, die Badehose, den Fechtanzug, die Reiterstiefel, die Laufschuhe und die Laserpistole an den sprichwörtlichen Nagel zu hängen. Nobis steht kurz vor der Beendigung seines Maschinenbau-Studiums und intensiviert seine Bemühungen auf dem Berufsmarkt. Und dann ist da auch noch Corona. „Die Entscheidung ist über den Sommer gereift", sagt Nobis. „Wegen der Corona-Situation hat man ja doch mehr Zeit, um sich mit grundlegenden Sachen auseinanderzusetzen." Und für ihn war schnell klar: Dem unwahrscheinlichen Startplatz für Olympia 2021 in Tokio will er nicht mehr alles unterordnen. „Theoretisch wäre es noch möglich gewesen, aber die Chancen waren relativ gering", sagt Nobis. Er ist nicht Mitglied des Top-Teams im deutschen Verband, das zu allen Weltcups und zur Weltmeisterschaft fährt und dort Punkte für ein Tokio-Ticket sammeln kann. „Ich war erster Nachrücker", erklärt Nobis. „Es hätte sich ein anderer verletzen müssen oder aus einem anderen Grund nicht starten können, dann wäre ich eingesprungen und hätte auch Punkte sammeln können." Der Allrounder hatte für 2020 mit dem Verband ausgehandelt, dass er jeweils in der Mixed-Staffel startet und im Einzel einspringt, sollte jemand ausfallen. „Dann hätte ich auch um meine Olympiachance gekämpft."
Aber dazu kam es nicht, weil nahezu alle Wettkämpfe ausfielen. Und das ganze Arrangement in der kommenden Saison zu wiederholen, kam für den frisch gebackenen Papa nicht mehr infrage. So dürfte der letzte Wettkampf seiner Karriere der am 1. März in Kairo gewesen sein, als Nobis in der Mixed-Staffel trotz einer durchwachsenen Leistung immerhin Weltcup-Sechster wurde. „Damit standen wir auf dem Podium und haben ein bisschen Preisgeld bekommen", sagt er, „das war rückblickend ein guter letzter Wettkampf."
In Erinnerung bleiben ihm aber zwei andere Ereignisse. Gemeinsam mit Marvin Dogue holte er 2015 die Goldmedaille in der Staffel. „Das kam sehr unerwartet – und dann auch noch zu Hause!", erinnert sich Nobis. „Meine Freunde waren da, meine Familie war da. Das war sehr emotional." Ein zweites Highlight sei der dritte Platz bei der Junioren-WM 2011 gewesen. „Das war so etwas wie die Initialzündung für meine weitere Karriere." Zuvor war Nobis im Nachwuchsbereich eher so mitgeschwommen, erst diese Medaille gab ihm den Schub für den Sprung zu den Senioren. Dort reichte es für ihn aber nie zu einem Podestplatz im Einzel bei einem wichtigen Wettbewerb. Das lag vor allem an seinen Leistungen im Schwimmen. „Da bin ich quasi mit Minus gestartet." So stand er eigentlich fast immer schon beim Fechten unter Druck, „aber da entscheidet oft die Tagesform". Stimmte die, dann landete Nobis auch weiter vorne, so wie bei der WM 2018 in Mexiko-Stadt mit Platz elf, wo er seine Medaillenchancen aufgrund eines schwächeren Laufens verbaut hatte. „Ich habe mich mit der dünnen Luft extrem schwergetan", erinnert er sich. Und so beendet der Militär-Vizeweltmeister seine Karriere zwar ohne den ganz großen Einzel-Coup, aber trotzdem „mit Stolz".
„Das war für unsere Sportart extrem wichtig"
Dass seine Frau Lena Schöneborn 2008 in Peking mit Olympiagold Sportgeschichte schrieb und in Deutschland immer noch das bekannteste Gesicht des Modernen Fünfkampfs ist, „ist als Thema zwischen uns nicht omnipräsent", sagt Nobis lachend. Aber während seiner Karriere hätte ihn dieser Fakt „schon angestachelt", er habe sich „viel von ihr abgeschaut". Denn: „Was sie gemacht hat, konnte ja nicht verkehrt sein." Mitunter sei es aber auch komisch gewesen, bei Empfängen oder anderen öffentlichen Auftritten „mehr oder weniger nur mitzulaufen". Lena hier, Lena da – Schöneborn war viele Jahre nach ihrem Olympiasieg vor allem in Berlin ein kleiner Star. Von ihrer Popularität profitierte der gesamte Moderne Fünfkampf in Deutschland enorm. „Es gab einen großen Zuspruch und finanziellen Zulauf, sodass wir Projekte und Trainingsmaßnahmen umsetzen konnten", so Nobis. „Das war für unsere Sportart extrem wichtig und sehr hilfreich." Und auch jetzt konnte Nobis von seiner „besseren Hälfte" lernen: und zwar wie man erfolgreich den Sprung vom Leistungssport in die zweite Karriere schafft. „Die duale Karriere war bei uns immer ein Thema, auch wenn es manchmal hart ist", sagt Nobis. Er hat nun das Thema seiner Abschlussarbeit, es lautet: „Anforderung an integrierte Management-Systeme in der Automobilindustrie."
Darauf stürzt er sich, der Moderne Fünfkampf ist Geschichte. Er beobachtet die Sportart nur noch aus der Ferne und hofft, dass sie möglichst unbeschadet aus der Corona-Zeit herausgeht. „Vielleicht ist es ein Vorteil, dass wir nicht so die Breite haben, dass sich alles in den Stützpunkten Berlin, Potsdam und Bonn ballt", sagt er. „Wichtig wäre es, wenn bei Olympia nächstes Jahr einer von uns einen raushaut."
So wie 2008 Lena Schöneborn. Damals kannte Nobis seine spätere Frau noch nicht sehr gut, er war gerade beim Schwimmtraining, als in Peking die Olympia-Entscheidung im Modernen Fünfkampf fiel. „Irgendjemand hat gesagt, dass Lena gewonnen hat. Und ich dachte nur: ‚Ja okay, cool.‘ Aber groß emotional gepackt hat es mich damals ehrlich gesagt nicht", erzählt Nobis. Zwölf Jahre später ist die Olympiasiegerin seine Frau und die Mutter seiner ersten Tochter.