Warum in Corona-Zeiten das eigene Auto wieder attraktiv wird
Das ist schon eine paradoxe Situation: Das eigene Automobil – in der öffentlichen Diskussion der vergangenen Jahre mehr und mehr als Umweltkiller und Dreckschleuder verdammt und nur noch als „shared car" sozial akzeptiert – gewinnt in Corona-Zeiten wieder an Wertschätzung. Vorbei das hohe Lied auf den Nahverkehr mit öffentlichen Bussen, Straßen- oder U-Bahnen unter AHA-Bedingungen. Verpönt die kuschelig, müffelige Nähe von Fahrgemeinschaften oder die Fahrt in anonymen, auf Zeit gemieteten Autos, bei denen niemand weiß, wie der virologische Zustand des Vor-Fahrers gewesen ist.
Plötzlich ist eine gesunde Sicherheit in den eigenen vier Blechwänden wieder ein Besitzmotiv ersten Ranges. Und ein unschlagbarer Kaufanreiz, je länger die Pandemie anhält. Ein Wunder, dass bei all den kursierenden Verschwörungstheorien als Urheber neben Google, Bill Gates und anderen nicht auch die Automobilindustrie des Covid-19-Ausbruchs verdächtigt wird.
Autos sind tatsächlich gefragt – mehr als vor der Krise, allerdings aber auch nicht übermäßig viel. Das mag daran liegen, dass sich mittlerweile die lokale Gegebenheit für den eignen Autobesitz radikal verändert hat. Auf dem Land partiell auch schon, vor allem aber in den städtischen Ballungszentren und Stadtregionen. Ein Großteil der 83 Millionen Menschen in Deutschland sind Einwohner einer Stadtregion. Arbeiten, einkaufen, Freizeit- und Kulturangebote nutzen: Dazu gehört Mobilität, und wenn der ÖPNV das nicht möglich macht, weil entweder nicht ausreichend vorhanden oder wie aktuell nur unter vermuteten Gesundheitsrisiken nutzbar, muss eben der Individualverkehr her.
Das war vor Corona schon nicht einfach: Dauerstaus im Berufsverkehr morgens und nachmittags, nervige Parkplatzsuche – das alles macht Autoverkehr in der Stadt heute noch schwieriger. Die Verhältnisse in den Städten für den individuellen Autoverkehr haben sich zudem bereits in den Zeiten vor Corona gewaltig verschlechtert. Vor allem, weil die Stadtväter die in allen Kommunen beschworene Verkehrswende eingeleitet haben.
Da U-Bahn-Bau langwierig, teuer und kaum wählerwirksam ist, und für die Anlage neuer Straßenbahngleise, Radwege und separater Busspuren kein Platz zur Verfügung steht, gingen die Gemeinde-Wesen einfach dazu über, Straßenraum zu kappen. Also Einfallstraßen zu verengen, um Rad- und Buswege anzulegen, Parkhäuser zu schließen, Innenstadt-Parkplätze zu schleifen und Grünstreifen anzulegen. Kurz: um den Verkehr zu „beruhigen".
Das ist vielfach auch gelungen, auch wenn die Stadtbewohner selber das meist ganz anders sehen. Neue Verdruss-Impulse hat die Elektromobilität gebracht, für die Staat und Stadt eigene Tankstellen errichten müssen. Auch in Innenstadtlage, mit der Folge, dass diese Tankstellenplätze häufig von Falschparkern missbraucht oder von Vorstadt-Ehefrauen aus besten Wohnlagen mit Elektro-SUV als Pseudo-Tankplatz zum Parken in Anspruch genommen werden. Was die innerstädtische Verkehrsdichte nur noch vergrößert, weil man nun ein zweites Elektroauto nur für die freien Innenstadt-Tank(-park)plätze benötigt.
Einem Gerücht zufolge soll es in gewissen angesagten Stadtvierteln bestimmter Großstädte Menschen geben, die ihr Auto vor zehn Jahren am Straßenrand geparkt und seither nicht mehr bewegt haben – weil die schöne Parklücke sonst für immer verloren wäre. Und auf dem Land, wo inzwischen Parkplätze ebenfalls knapper werden, soll eine Bauerstochter mit Parkplatz als Mitgift mittlerweile auch schon leichter zu vermitteln sein als ohne.
Nichts ist also vollkommen, jedes Ding hat zwei Seiten. So erging es vor Kurzem auch dem deutschen Physik-Nobelpreisträger Reinhard Genzel aus München, der neben einer Geldsumme (225.000 Euro) von der Universität Berkeley in Kalifornien für seine Teilzeit-Professur dort etwas wirklich Wertvolles als Geschenk erhielt: einen freien Parkplatz auf Lebenszeiten. Leider auf dem Universitätscampus in Kalifornien und nicht in München.