Das Schlaubetal gilt als das schönste Bachtal Brandenburgs. Auf engstem Raum finden sich im östlichsten Naturpark des Landes völlig unterschiedlich geartete Landschaften.
Hier, sieh Dich um!" So soll einst ein Schild am Jagdhaus die Reisenden gemahnt haben, angesichts des umliegenden Sumpf- und Moorgebietes sehr aufmerksam zu sein. Der Name für den Ort hat sich erhalten und ist bis heute gewissermaßen Programm, wenn man im Schlaubetal südöstlich von Berlin unterwegs ist. Zwar läuft man heutzutage angesichts gut ausgebauter Wander- und Radwege kaum noch Gefahr, im Morast zu versinken. Doch es lohnt sich weiterhin, die Augen aufzuhalten, um die Natur im wohl schönsten Bachtal Brandenburgs in all ihren Variationen wahrzunehmen.
Gerade einmal 35 Kilometer misst der Naturpark Schlaubetal von Nord nach Süd, doch auf engstem Raum finden sich dort völlig unterschiedlich geartete Landschaften, die von der letzten Eiszeit geformt wurden. Der Weg führt durch bunte Laubwälder, die im Herbst in allen Farben erstrahlen und in diesem Ausmaß in Brandenburg eine echte Besonderheit darstellen, ebenso wie durch die für die Region so typischen Kiefernwälder. Mal fließt die Schlaube durch tiefe Schluchten hindurch, an denen die Ränder teils bis zu 30 Meter emporragen, dann wieder durch eine ruhige Seenlandschaft. Auf den Feuchtwiesen entlang der Schlaube und im angrenzenden Dorchetal sprießen die Orchideen, von denen es im Naturpark gleich 14 verschiedene Arten gibt – so viele wie sonst nirgendwo in ganz Brandenburg. Andere Arten wie das gefährdete Rote Waldvöglein entdeckt man zum Teil auch mitten im Wald.
„Es ist eine Gegend für stille Sucher", sagt Constanze Mikeska vom Tourismus-Marketing Schlaubetal. Dabei sei der Eindruck zu jeder Jahreszeit und bei jedem Licht immer wieder anders. Jetzt im Herbst glitzert frühmorgens der Tau in der Sonne, allerorten sprießen die Pilze. Unweit der Schlaubemühle, in der sich heute das Naturschutzzentrum des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland befindet, ist das Wasser teils ganz grün vor lauter Entengrütze. Ein markanter Baumstumpf ragt heraus wie das Ungeheuer von Loch Ness. An einer anderen Stelle bildet der Wald am Hang eine Art natürliches Amphitheater. Constanze Mikeska spricht passend dazu auch gern vom Schlaubetal als „Waldbühne", auf der die Natur die ständige Hauptrolle spielt. „Es ist ganu sicher kein Gebiet, das man mal eben schnell mit dem Auto abfahren kann. Das Schlaubetal muss man sich individuell erschließen", meint Mikeska über Brandenburgs östlichsten und waldreichsten Naturpark. Dass die Einheimischen die Brücke über das Fließ zwischen Hammersee und Großem Treppelsee auch als „Spreewaldbrücke" bezeichnen, ist deshalb eigentlich irreführend. Zwar erinnert die Landschaft an dieser Stelle tatsächlich ein wenig an den Spreewald im Süden des Bundeslandes, doch vom dortigen Touristentrubel kann im Schlaubetal keine Rede sein. Anstelle von überfüllten Kähnen zieht unter der Brücke bloß ein Stück Treibgut vorbei.
Erkundungen auf dem 25 Kilometer langen Wanderweg
Eine beliebte Möglichkeit, um das Schlaubetal zu erkunden, ist der rund 25 Kilometer lange Schlaubetal-Wanderweg, zertifiziert als „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland". Darüber hinaus will das örtliche Tourismusbüro künftig noch mehr Angebote für sogenannte Mikro-Abenteuer schaffen, die seit Corona erst recht im Trend liegen. Momentan trifft man auf manchen Wegen noch kaum eine Menschenseele. Stattdessen fliegt eine blutrote Heidelibelle durchs Bild, auf einem Ast sitzt ein Kleiber und pfeift. Über 140 seltene Vogelarten leben im Naturpark, unter anderem Fisch- und Seeadler, Eisvogel und Schwarzstorch. Auch der Gänsesäger ist darunter, eine Tauchentenart mit markant gebogenem Schnabel, die im Binnenland nicht so häufig vorkommt. In den Seen wiederum leben zahlreiche Fischarten und Amphibien, dazu beherbergt das Schlaubetal fast ein drei Viertel aller in Brandenburg nachgewiesenen Schmetterlingsarten. Neuerdings fühlen sich auch Wolf und Elch dort wieder heimisch und sind in die Wälder zurückgekehrt.
Nicht mehr in Betrieb sind dagegen die meisten der ehemals 17 Mühlen entlang der Schlaube, die der Gegend auch den Beinamen Tal der Mühlen gegeben haben. Elf von ihnen sind erhalten, doch nur die Mühle in Müllrose ist nach wie vor als solche im Einsatz. Andere sind heute beliebte Ausflugsgaststätten oder dienen als Hotel, etwa die Ragower Mühle in Schernsdorf oder die Bremsdorfer Mühle im gleichnamigen Ort, in dem sich auch eine Jugendherberge befindet. Erbaut wurden die Mühlen einst von den Zisterzienser-Mönchen des nahe gelegenen Klosters Neuzelle. Auch an anderer Stelle hat der Mensch die Landschaft im Schlaubetal entscheidend geprägt. In der Reicherskreuzer Heide, ganz im Süden des Naturparks, rollten jahrzehntelang die Panzer. Heute breitet sich dort großflächig das Heidekraut aus, das den ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatz im Spätsommer in einen Traum in Violett verwandelt. Es handelt sich um eine der größten zusammenhängenden Heidelandschaften Deutschlands. Zahlreiche Vogel- und Insektenarten haben dort ein Zuhause gefunden, darunter der Wiedehopf und die Goldammer, die Kreuzspinne und der blau leuchtende Heidebläuling. Der Heidelehrpfad lädt dazu ein, das Areal genauer zu erkunden, den besten Blick bietet ein Aussichtsturm. Anschließend lohnt auch der angrenzende Findlingspark einen Besuch. Entlang der etwa drei Kilometer langen Route von Henzendorf nach Reicherskreuz sollen über 2.000 Findlinge auf dem „Weg der Steine" die menschliche Entwicklung der vergangenen 2.000 Jahre dokumentieren. Derart viele Findlinge gibt es in der Gegend, dass die Menschen in Reicherskreuz daraus sogar ihre Feldsteinhäuser errichtet haben, die dem 50-Seelen-Dorf einen ganz besonderen Charakter verleihen. Der gesamte Ort steht unter Denkmalschutz. „Wir sind eben eine steinreiche Gegend", sagt Inka Schwand, die Leiterin des Naturparks. Reich vor allem an Naturschönheiten, die dazu einladen, sich einmal umzusehen.