Er wollte seine Frau zur Abtreibung zwingen, betitelte die Sklaverei als eine „Entscheidung der Schwarzen" und wählte Elon Musk als seinen Berater aus. Der US-Wahlkampf von Skandalrapper Kanye West glich einer bizarren Show, die in vier Jahren weitergehen soll.
Wenn etwas gut werden soll, macht man das selbst. Das dachte sich auch der milliardenschwere US-Rapper Kanye West. Bei der diesjährigen US-Präsidentschaftswahl gab der weltberühmte Skandalkünstler seine Stimme sich selbst. „Gott ist so gut", twitterte der 43-Jährige. „Heute wähle ich zum ersten Mal in meinem Leben den Präsidenten der Vereinigten Staaten, und es ist jemand, dem ich wirklich vertraue ... ich." Neben seinen Namen schrieb West auf den Stimmzettel als „Write-in"-Kandidat auch den Namen der Predigerin Michelle Tidball, die ihn als Vize-Präsidentin unterstützen sollte.
Trotz der Tatsache, dass der Ehemann von Reality-TV-Star Kim Kardashian die Anmeldefrist zu seiner Präsidentschaftskandidatur in mehreren wichtigen Saaten verpasst hat, ist es West dennoch gelungen, in zwölf Staaten auf insgesamt 60.000 Stimmen zu kommen. Die meisten, die dabei für „Ye" – wie der Künstler sich selbst betitelt – gestimmt haben, waren seine eingefleischten Musikfans. Zudem hat sich auch eine weitere, wichtige Gruppe hinter West formiert: die Gläubigen. „Wir müssen jetzt das Versprechen Amerikas realisieren, indem wir Gott vertrauen, unsere Vision vereinen und unsere Zukunft errichten", twitterte der Musiker am Unabhängigkeitstag, um an die Christen unter seiner Hörerschaft zu appellieren. Keine große Überraschung, wenn man bedenkt, dass West im Oktober 2019 mit seinem Album „Jesus is King" diese Zielgruppe schon beackert hatte. Die 27-minütige Platte ähnelte dabei einem musikalischen Gottesdienst mit stimmungsvollen Kirchenorgeln, jeder Menge „Hallelujahs", gemixt mit pathetischen Lyrics, wie etwa dem Track „Follow God" mit den Zeilen: „Ich versuche nur zu finden, ich suchte einen neuen Weg. Ich versuche wirklich nur nicht, den Idioten-Weg zu gehen." Welcher Weg der „Idioten-Weg" sein soll, erklärt er in dem Song allerdings nicht.
Kam in zwölf Staaten auf 60.000 Stimmen
Dafür überraschte der labile Musiker im Juli bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in South Carolina mit einem tränenreichen Auftritt. Schluchzend gestand West, dass seine heute siebenjährige Tochter beinahe nicht zur Welt gekommen wäre, weil er seine Ehefrau zu einem Schwangerschaftsabbruch gedrängt haben soll. „Ich wollte mein Kind töten, wie seinerzeit mein Vater mich töten wollte", sprudelte es aus dem im Militär-Stil gekleideten Rapper auf der Bühne heraus. Viele seiner Anhänger jubelten an diesem Tag dem Rapper zu. Einige verließen fluchtartig den Raum. Dennoch sah es West als ein Erfolg an. Schließlich konnte er so seine wichtigsten politischen Themen platzieren: Glaube, den Wert der Familie, Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen und sein Verständnis von Sklaverei. Vor allem letzteres Thema sorgte für eine Welle der Empörung, als er die 400 Jahre Sklaverei in den USA mit dem Nebensatz „Es wirkt, als ob wir Schwarzen uns dafür entschieden hätten" kommentierte.
Auf den Gedanken, Präsident zu werden, kam West übrigens schon im Jahr 2015, während Wasser auf sein Gesicht plätscherte. „Ich stand unter der Dusche und habe nachgedacht. Ich schreibe Raps unter der Dusche. Da hat es mich umgehauen zu sagen: ‚Du wirst als Präsident kandidieren‘, und ich habe angefangen, hysterisch zu lachen." Als seine wichtigsten Berater wählte der Musiker damals seine Ehefrau und den Tech-Pionier und Tesla-Gründer Elon Musk aus. „Ich habe ihm angeboten, der Kopf unseres Raumfahrtprogramms zu werden", erzählte West. Dieser lehnte dankend ab. Auch seine Frau Kim Kardashian distanzierte sich während des rund zehn Millionen US-Dollar teuren Wahlkampfs von „Ye", was dem Rapper ziemlich naheging. Dennoch lässt sich er nicht unterkriegen. Die Website für seine Präsidentschaftskandidatur im Wahljahr 2024 ist aufgebaut. Das Merchandise wird bereits verkauft. Ob er der neue US-Präsident wird, ist fraglich, auch wenn sein Unterhaltungswert den von Trump noch überbietet …