Spaltung ist aktuell überall ein präsentes Thema – egal ob in der Gesellschaft, in der EU oder in Parteien. CDU-Jungpolitiker Philipp Amthor ist es gerade vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wichtig, auch das Gemeinsame wieder mehr in den Fokus zu rücken.
Herr Amthor, die CDU wählt einen neuen Vorsitzenden, und auch die Ära Angela Merkel wird nach der kommenden Bundestagswahl enden. Machen Sie sich Sorgen um die personelle Zukunft der CDU?
Da ist mir überhaupt gar nicht bange. Natürlich ist es so, dass mit Angela Merkels auslaufender Kanzlerschaft eine Ära endet. Aber nach jeder endenden Ära beginnt auch immer eine neue Ära. Wir haben momentan drei gute Bewerber um den Parteivorsitz, und ich bin sicher, dass wir nach dem Bundesparteitag im neuen Jahr gestärkt in den Wahlkampf gehen werden. Im Übrigen setzt sich eine Partei – und das zeichnet gerade die CDU aus – nicht nur aus dem oder der Vorsitzenden selbst zusammen, sondern aus vielen anderen Mitgliedern. Auch in dieser Hinsicht können wir guten Mutes und zuversichtlich für die anstehenden Wahlen sein. Personell sind wir hervorragend aufgestellt.
Auch in Sachen Partei-Nachwuchs?
Da bin ich natürlich in besonderer Weise stolz auf unsere Junge Union. Wir sind die größte politische Jugendorganisation in Europa. Darauf ruhen wir uns nicht aus, sondern sind immer fleißig dabei, weiter zu wachsen. Dass auch jüngere in der CDU Verantwortung übernehmen, gehört ganz selbstverständlich dazu. Dafür haben wir auch einige prominente Beispiele. Wenn man möchte, dass Parlamente ein Spiegelbild der Gesellschaft sind, dann gehören dort auch jüngere Verantwortungsträger hinein. Wobei ich auch immer sage, dass es am Ende auf Inhalte ankommt und nicht auf äußerliche Kategorien.
Bleiben wir beim Nachwuchs: Wie wollen Sie – oder wie will die CDU – gerade junge Menschen ansprechen?
Es ist wichtig, dass man sie ernst nimmt. Das bedeutet nicht, ihnen nach dem Mund zu reden. Ich glaube, eine der höchsten Formen des Ernstnehmens ist auch der inhaltliche Widerspruch – so habe ich es auch als junger Mensch immer wahrgenommen. Das bedeutet, auf Augenhöhe zu diskutieren. Wir müssen junge Menschen aber auch in ihrer Lebensrealität abholen. Dazu gehört etwa auch das Engagement für Fridays for Future. Aber dazu gehört auch – und das müssen wir erkennen –, dass die Jugend in Deutschland nicht nur so ist, wie man es auf manchen Social-Media-Kanälen wahrnimmt, sondern eben auch so, wie sie im ländlichen Raum im Saarland oder in Mecklenburg-Vorpommern ist. Diese unterschiedlichen Seiten adressiert unsere Junge Union ganz erfolgreich und tatsächlich sehr viel lebensnaher als manch linke Partei in diesem Land.
Spätestens seit dem knappen Ergebnis zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz beim Bundesparteitag 2018 wurde immer mal wieder von einer innerparteilichen Spaltung der CDU gesprochen. Teilen Sie diese Auffassung?
Ich würde Meinungsverschiedenheiten und Diskurse nicht per se als Spaltung verstehen. Es zeichnet Demokratie gerade aus, dass es auch unterschiedliche Meinungen geben kann. Was aber immer die Basis sein muss, ist die Überlegung, dass auch die andere Seite Recht haben könnte. Ich bin daher überaus froh, dass die CDU eben nicht auf thematische Einfalt setzt, sondern viele Wurzeln hat: Ein christlich-soziales Element, ein bürgerlich-konservatives Element und ein wirtschaftlich-liberales Element. Genau das ist unsere Stärke. Und am Ende glaube ich, dass man auch nur dann gewinnen kann, wenn all diese Wurzeln gleichberechtigt zur Geltung kommen.
Aber ist die Zeit der Volksparteien nicht schon vorbei?
Diese Skepsis würde ich nicht teilen. Ich hielte es für tragisch, wenn die Zeit der Volksparteien vorbei wäre. Denn was würde das heißen? Das Gegenteil einer Volkspartei, die in der Breite für alle ansprechbar sein will, ist eine Klientelpartei. Und ich möchte nicht, dass wir nur noch Klientelparteien haben, die einzelne Gruppen oder Interessen vertreten, sondern dass wir es schaffen, auch innerhalb der Parteien die Vielfalt unseres Landes abzubilden – und da ist die CDU wie auch die CSU die einzige politische Kraft, die das im Moment schafft. Wir haben den Anspruch, Volkspartei zu sein, und uns geht es darum, in der Breite wählbar zu sein. Wir machen Politik, die für alle anschlussfähig ist und zugleich auch Prinzipien folgt und nicht beliebig wird.
Welche Prinzipien wären das konkret?
Für uns sind die zentralen Überzeugungen zum einen das Bekenntnis zu einem starken und funktionierenden Staat, der den Menschen Sicherheit gibt und auf den sie stolz sein können. Zum anderen aber auch ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, in der klar ist, dass jeder Euro, der ausgegeben wird, zuerst einmal erarbeitet werden muss. Und schließlich das klare Bekenntnis zu einem werteorientierten Europa, das zeigt, dass wir in der Welt nur dann erfolgreich sein können, wenn wir gemeinsam auftreten.
Tritt Europa denn noch zusammen auf, sprich: Gibt es den europäischen Zusammenhalt noch?
Ja. Auch wenn Europa im Moment durch viele Diskussionen unter Druck geraten ist. Gerade während der Corona-Pandemie haben wir aber vielerorts eine besondere Solidarität unter den Mitgliedstaaten erlebt. Besondere Zeiten erfordern immer auch intensive Diskussionen. Das erleben wir gerade in der Europäischen Union angesichts aktueller Herausforderungen. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU ein einzigartiges Friedens- und Werteprojekt ist, das mit Sicherheit auch eine gute Zukunft hat. Deutschland wird sich auch weiter dafür einsetzen, dass wir weiterhin als Europäer stark und wahrnehmbar sind. Denn nur dann können wir auch in unser sich immer stärker ändernden Welt bestehen.
Wie wichtig ist eine starke EU für Deutschland?
Für uns ist klar, dass wir als Deutsche nur dann im Konzert der Welt erfolgreich sein können, wenn wir unsere Interessen bündeln und gemeinsam wahrnehmen. Wir erleben in vielen Bereichen immer mehr nationale Egoismen. Unsere Zukunft und die Zukunft der westlichen Demokratien und Werte basiert aber auf Multilateralismus, also auf Zusammenarbeit. Unter den sich verändernden Bedingungen – ob China auf der einen Seite oder wie zuletzt die USA auf der anderen – können wir nur erfolgreich sein, wenn wir für unsere Prinzipien unmissverständlich einstehen. Und das geht europäisch sicherlich besser als national.
Umgekehrt gefragt: Welche Rolle spielt Deutschland für die EU?
Wir sind Gründungsmitglied und der bevölkerungsreichste Mitgliedstaat mit der größten Volkswirtschaft. In absoluten Zahlen ist Deutschland der größte Nettozahler in der Europäischen Union – auch beim jüngst diskutierten EU-Wiederaufbaufonds. Gleichzeitig nehmen wir unsere Verantwortung für den Zusammenhalt in der EU ernst. Das bedeutet weder, dass wir Zahlmeister in Europa sein müssen, noch dass sich alle Mitgliedstaaten nur nach uns richten müssen. Unsere Verantwortung bedeutet in erster Linie, zusammenzuarbeiten und zu vermitteln. Dieser Rolle kommen wir besonders seit dem 1. Juli 2020 nach, seit wir den Vorsitz im Rat der Europäischen Union haben. Es liegen gigantische Herausforderungen vor uns. Da ist es auch an uns, voranzugehen und Vorbild zu sein.
Eine dieser Herausforderungen wird sicherlich auch die Migrationspolitik werden. Eine gemeinsame Linie scheint in weiter Ferne zu liegen. Kann das als Sinnbild für die Trümmer der EU verstanden werden?
Von einem Bild der Trümmer der EU kann nicht die Rede sein. Die Trümmer Europas wurden damit überwunden, dass wir in der Europäischen Union gemeinsam an einem Strang gezogen haben und erfolgreich waren. Natürlich haben uns die EU-Schuldenkrise, die Bankenkrise, die Migrationskrise und natürlich auch Corona vor riesige Herausforderungen gestellt. Aber ich glaube, je größer die Herausforderungen sind, desto besser sehen wir auch, dass wir sie nur gemeinsam bewältigen können. Und ja, insbesondere in der Migrationspolitik sehen wir auch deutlich, dass wir noch nicht am Ziel sind mit dem, was wir uns unter einer europäischer Solidarität und einer gemeinsamen europäischen Lösung vorstellen. Aber gerade deshalb nehmen wir die aktuellen Vorstöße der Kommission als ersten Anstoß auch ernst, damit wir ein gemeinsames europäisches Asylsystem jetzt auch gemeinsam auf die Beine stellen und umsetzen.
Nationale Egoismen und Alleingänge sind ein gutes Stichwort. Immer öfter hört man – auch außerhalb Deutschlands – von einer gesellschaftlichen Polarisierung und damit einhergehend auch von einer gesellschaftlichen Spaltung …
Das ist etwas, was uns natürlich Sorge macht. Ich habe den Eindruck, in immer mehr Debatten steht das Trennende mehr im Vordergrund als das Gemeinsame. Wir müssen aber dafür sorgen – und das ist die Grundvoraussetzung für Staatlichkeit – dass wir Zusammenhalt haben. Deshalb ist es notwendig, dass wir es schaffen, nicht in Filterblasen abzugleiten, sondern gemeinsame Diskursräume offenzuhalten.
Das verläuft ja quer durch unser Land: Es gibt die Gewinner der Globalisierung und der Digitalisierung und die, die diese Entwicklung mit Sorge sehen; es gibt die urbanen Räume, und es gibt den ländlichen Raum. Und es ist unsere Verantwortung, gerade in der politischen und medialen Diskussion nicht Einfalt zu schaffen, sondern Vielfalt als unsere Stärke zu sehen. Das liegt mir sehr am Herzen, gerade als jemand, der einen ländlichen Wahlkreis vertritt.
Gerade der AfD wird nachgesagt, diese Diskurse gezielt für ihre Politik zu nutzen …
Die AfD hat sicherlich nicht zur Versachlichung und zu einer guten Tonlage in der parlamentarischen Demokratie beigetragen. Wir erleben – und das seitdem die AfD im Deutschen Bundestag ist –, welche Tonlage dort gewählt und wie verächtlich dort teilweise gesprochen wird. Ich bin in großer Sorge, dass wir in Zeiten zunehmender Polarisierung den Vereinfachern das Feld überlassen. Genau das dürfen wir nicht! Wir müssen gerade denjenigen, die auf komplizierteste Probleme die einfachsten Antworten haben, immer eine gewisse Skepsis entgegenbringen und Parteien wie die AfD sachlich entzaubern.
Wird rechts wieder salonfähig?
Ich weiß nicht, inwieweit die begrifflichen Kategorien von „rechts" und „links" in diesem Zusammenhang tragfähig sind. Fakt ist aber eins: Die für mich Grenzen setzende Kategorie ist der Extremismus. Und der Rechtsextremismus ist für unseren Staat im Moment die größte Herausforderung. Das macht Linksextremismus und religiösen Extremismus keinen Funken besser, aber ich sehe mit großer Sorge, wie verharmlosend teilweise gegenüber dem Rechtsextremismus agiert wird. Insbesondere die AfD vermag es nicht, sich dort abzugrenzen. Und ich sage dazu deutlich: Diejenigen, die Feinde der Demokratie in den eigenen Reihen tolerieren, sind nicht besser als die Feinde der Demokratie selbst. •