Neue Pläne für Solaranlagen verärgern die Anlagenbetreiber und drohen deren Ausbau so sehr zu verlangsamen, dass sogar der Kohleausstieg in Gefahr geraten könnte. Denn der klappt nur, wenn die erneuerbaren Energien genügend Ersatz bieten.
Kohleausstieg und Ausbau der erneuerbaren Energien bedingen einander. Wenn in den nächsten Jahren die Atomkraftwerke und später auch die Kohlekraftwerke vom Netz gehen, braucht es Ersatz. Wenn das nicht nur russisches Gas sein soll, was niemand wirklich will, müssen dafür noch viel mehr Sonnen- und Windkraftanlagen da sein als bislang. Darüber herrscht bei Experten Konsens. Doch nun droht die aktuelle Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) die Energiewende auszubremsen. „Wenn der Entwurf aus dem Hause Altmaier so durchkommt, droht der Kohleausstieg in wenigen Jahren infrage zu stehen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Solarwirtschaft (BSW), Carsten Körnig. Schon im Jahr 2023 könnte sich dann zeigen, dass der Ausbau der Solaranlagen zu niedrig ausgefallen ist, und der Plan zur Abschaltung der Kohlekraftwerke dann so nicht mehr zu halten sein könnte. Zudem dürfte nach einer aktuellen Studie der vorliegende Gesetzesentwurf dazu führen, dass fast 500.000 alte Anlagen vorzeitig außer Betrieb gesetzt werden und dann keinen Solarstrom mehr erzeugen können.
Förderung läuft nach 20 Jahren aus
Solaranlagen werden nach dem Fördergesetz EEG 20 Jahre lang gefördert mit einem erhöhten Preis für jede eingespeiste Kilowattstunde Solarstrom. Nach 20 Jahren Betriebsdauer ist aber damit Schluss und das trifft in den kommenden Jahren auf viele Anlagen zu, die Anfang der 2000er-Jahre errichtet worden sind. In Zukunft gibt es nur noch etwa den Marktpreis der Strombörse, also drei bis vier Cent pro kWh. „Dass die Förderung ausläuft, war von Anfang an klar und ist natürlich nicht das Problem", sagt Körnig. „Das Problem ist eine neue Vorschrift: Auch kleine, alte Anlagen dürfen nur noch dann weiterbetrieben werden, wenn ein Smartmeter eingebaut wird. Alle Experten, auch die Netzbetreiber sagen, dass das völlig unnötig ist." Außerdem würden die Eigenverbraucher noch zusätzlich dadurch belastet, dass sie selbst auch die EEG-Umlage bezahlen müssen, auch wenn sie eigenen Solarstrom selbst verbrauchen. „Die Pioniere der ersten Stunde nun noch damit zu belasten, ist absurd."
Viele Betreiber dieser Anlagen hätten zuletzt geplant, ihre Anlage zum Eigenverbrauch weiter zu nutzen: Mit einem Stromspeicher im Keller oder einer Ladestation für das E-Auto. Die zusätzlichen Kosten für die nötige Nachrüstung betragen aber mehrere hundert Euro. Viele dürften sich dann dafür entscheiden, ihre Anlagen doch abzubauen. Insgesamt gibt es derzeit auf deutschen Dächern und Freiflächen rund 1,8 Millionen Solaranlagen. Rund ein Viertel der Anlagen stünde also damit infrage.
Die meisten Experten, Wissenschaftler und Verbände fordern einen jährlichen Zubau von Solaranlagen mit einer Leistung von zehn Gigawatt oder mehr. Schon in den vergangenen Jahren lagen die Zahlen weit darunter: 2019 etwa wurden 3,9 GW installiert. Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme halten langfristig in Deutschland 120 bis 650 GW Nennleistung für Solaranlagen für nötig, statt derzeit rund 50 GW. Das wäre dann zwar weit mehr als derzeit maximal in Deutschland als Stromverbraucher am Netz hängt. Aber in Zukunft soll der Solarstrom (wie der Windstrom auch) zunehmend gespeichert oder in Wasserstoff umgewandelt werden, damit man ihn auch nutzen kann, wenn keine Sonne scheint.
Bereits jetzt kommt in Mittagsstunden an vielen Tagen mehr als die Hälfte allen Stroms aus Solaranlagen. Im Schnitt liegt der Anteil natürlich darunter, aber die Erneuerbaren insgesamt konnten bisher im Jahr 2020 auch bereits 53 Prozent des Strombedarfs decken. Das hat es möglich gemacht, dass Braun- und Steinkohlekraftwerke zurückgefahren werden konnten. Laut der Auswertung der Energiestatistiker der AGEB sank der Anteil der Braunkohleverstromung bis September um beeindruckende 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wozu der geringere Stromverbrauch wegen Corona beigetragen haben mag. Das Ziel der Bundesregierung ist, dass bis zum Jahr 2030 65 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen soll. Wenig später sollen dann die letzten Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Das scheint realistisch, wenn man sich die Entwicklung der vergangenen Jahre anschaut. Allerdings ist klar, dass dafür sowohl Solar- als auch Windkraft weiter ausgebaut werden müssen.
Smartmeter messen Stromverbrauch
Kritik am aktuellen EEG-Entwurf aus dem Hause Altmaier kommt auch aus unerwarteter Ecke. Der Immobilienverband GdW kritisiert eine „Blockadehaltung" beim Thema Mieterstrom. Das sei „zutiefst verstörend für alle, die eine wirklich klimaschonende Energieversorgung wollen", sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. Die Wohnungsunternehmen sollten Mieterstrom erzeugen und ihren Mietern anbieten können, ohne dass sie damit die Gewerbesteuerfreiheit verlieren.
Solang das aber der Fall ist, werden sie kaum Interesse an Mieterstromprojekten haben, bei denen etwa Solaranlagen auf dem Dach von Mietshäusern den Strom erzeugen, der dann günstig an die Mieter des Hauses geliefert wird.
Warum das Wirtschaftsministerium diese „solare Vollbremsung", so Körnig, vorhat, erschließt sich kaum. Minister Altmaier lässt kaum eine Talkshow aus, um zu betonen, wie wichtig die Dekarbonisierung der Regierung ist – und „ja, es wurden auch Fehler gemacht", so Altmaier kürzlich bei Sandra Maischberger, im After-Show-Talk zum Film „Ökozid", bei dem Deutschland im Jahre 2034 vor Gericht steht wegen unterlassener Klimaschutzleistungen.
Warum also die kaum nachvollziehbare Pflicht zum Smartmeter-Einbau auch bei Kleinstsolaranlagen? Ein Grund dafür könnte sein, dass der „Roll-out" dieser Geräte nun mit aller Macht forciert werden soll und dafür jede Gelegenheit genutzt wird. Smartmeter sollen bei der Energiewende in den Haushalten helfen. Bei den Kleinverbrauchern, also beim größten Teil der Privathaushalte sind sie aber nach allgemeiner Einschätzung ziemlich sinnlos. Da will man möglicherweise etwas nachhelfen.