Zwei Milliarden investiert ein chinesisches Unternehmen in eine neue Batteriefabrik. Diese soll in zwei Jahren in Deutschland entstehen – ein Lichtblick für das Saarland, das akut unter dem Strukturwandel der Automobilindustrie und den Export-Folgen der Pandemie leidet.
Die Landesregierung ist begeistert: Inmitten einer wirtschaftlichen Talfahrt durch die Pandemie kann das Saarland einen beachtlichen Erfolg für seine bedeutende, aber gebeutelte Autozuliefer-Industrie verbuchen. Svolt, ein chinesischer Batteriehersteller, hat sich für das Bundesland inmitten europäischer Grenzen entschieden.
Rund zwei Milliarden Euro sollen an zwei Standorten, Überherrn und Heusweiler, in eine Produktionslinie sowie einen Modul- und Batteriepackstandort investiert werden – die größte Ansiedlung im Bundesland, seit der Autohersteller Ford eines seiner beiden Deutschlandwerke in den 60er-Jahren im Saarland baute. Perspektivisch sollen damit bis zu 2.000 Arbeitsplätze entstehen. Bei der Standortwahl hätten qualifizierte Arbeitnehmerschaft, zentrale Lage in Europa und gute Infrastruktur, das internationale Umfeld und die gute Zusammenarbeit mit der Landesregierung den Ausschlag für das Saarland gegeben, hieß es auf der Pressekonferenz der Staatskanzlei, in der Svolt und die landeseigene Strukturholding Saar das Vorhaben vorstellten. Europaweit seien 30 mögliche Standorte geprüft worden. „Als moderner Industrie-, Logistik- und Innovationsstandort bietet das Saarland Svolt die Möglichkeit, hochqualifizierte Mitarbeiter zu akquirieren", begründet Kai-Uwe Wollenhaupt, Präsident von SVolt Europe, die Entscheidung. „Es zeichnet sich darüber hinaus durch eine zentrale Lage im Zentrum des europäischen Wirtschaftsraums, eine hervorragende Infrastruktur sowie ein florierendes Umfeld mit international erfolgreichen Unternehmen aus."
Nicht nur für das Unternehmen, sondern insbesondere auch für Land und Bund ist dieser Schritt von immenser Bedeutung. Kaum verwunderlich also, dass nicht nur „strategische Investoren", so Wollenhaupt, sondern auch die Bundes- und Landesregierung das Projekt mit Mitteln für strukturschwache Regionen fördern werden. Die Investition sei ein wichtiger Schritt, damit auch „das Auto von morgen im Saarland gebaut wird", sagt die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger. Die geplante Produktion hat eine Kapazität von 24 Gigawattstunden für 300.000 bis 500.000 Autos.
Batterien für 500.000 Autos
Eine Ausweitung in den europäischen Raum kündigte SVolt bereits 2019 bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main an. Vor der Konkurrenz auf dem neuen Terrain fürchte man sich aber nicht: „Wir sehen einige sehr innovative Unternehmen in Europa, die wir allerdings nicht als Konkurrenten, sondern als Marktbegleiter verstehen", sagt Maxim Hantsch-Kramskoj, SVolt-Europe-Vizepräsident. Der Bedarf der Automobilindustrie werde in den kommenden Jahren so hoch sein, dass SVolt alleine diesen gar nicht decken könne. „Ein gesunder Wettbewerb in Europa ist wichtig, um Innovationen in den Bereichen Reichweite, Schnellladefähigkeit, Nachhaltigkeit und Sicherheit voranzutreiben", so Hantsch-Kramskoj weiter, der selbst einige Zeit beruflich im Saarland tätig war. Zudem hätte das Unternehmen einen ganz entscheidenden Vorteil gegenüber den Mitbewerbern: „SVolt hat dabei mit einer einzigartigen kobaltfreien Hochenergie-Batterie eine starke Position eingenommen. Sie ist ohne Kobalt deutlich nachhaltiger als vergleichbare Produkte der Marktbegleiter und langlebiger, sicherer und günstiger als bislang bekannte Hochnickel-Lösungen", erklärt der Unternehmens-Vize. Diese sogenannten NMx-Batterien sollen nun auch im Saarland gefertigt werden.
Den Auftrag zum Bau des Werkes in Überherrn sowie des Umbaus der bestehenden Industrieanlagen in Heusweiler – dem ehemaligen Laminatepark – erhält die landeseigene Strukturholding Saar (SHS). Wie viel die Baumaßnahmen kosten, ist noch unklar. SVolt und die SHS befinden sich erst in der Vorplanungsphase, erklärt SHS-Pressesprecher Ludwin Vogel. „Alle notwendigen Maßnahmen für den Erwerb und die notwendigen Planungs- und Baumaßnahmen laufen jetzt erst an. Die SHS wird nach Abschluss der Planungsphase von SVolt mit der Baumaßnahme für die beiden Fabrikstandorte Überherrn und Heusweiler einen Auftrag erhalten. Die SHS ist also Bauherr und wird die Anlage nach Fertigstellung an SVolt Energy verkaufen oder vermieten."
Derzeit befände sich das Unternehmen nach eigenen Angaben im Austausch mit allen europäischen Erstausrüstern (OEM). „Erste Kundenprojekte sind bereits mit europäischen Kunden vereinbart und befinden sich gegenwärtig in der Umsetzungsphase", so Hantsch-Kramskoj.
Svolt war zunächst nur eine Konzerndivision eines der größten chinesischen Autohersteller, Great Wall Motors (GWM). 2018 erfolgte die Ausgliederung als eigenständiges Unternehmen, die erste Zellfabrik entstand Ende 2019 im chinesischen Changzhou. Derzeit beschäftigt Svolt nach eigenen Angaben weltweit 3.000 Mitarbeiter, darunter rund 1.500 allein im Bereich Forschung und Entwicklung. Der Umsatz betrug 2020 200 Millionen Euro. Insgesamt will der Hersteller sechs Produktionsstätten mit einer Kapazität von 100 Gigawattstunden weltweit aufbauen, darunter auch in den USA und Japan.
Noch immer sind die einstige Muttergesellschaft und die Batterie-Tochter eng miteinander verbunden. „Wir arbeiten sehr eng mit Great Wall zusammen und unterstützen alle Aktivitäten von Great Wall im Bereich der Elektromobilität", so Kai-Uwe Wollenhaupt. Great Wall hat bislang als einziges chinesisches Automobilunternehmen Erfahrungen mit Industriewerken in Europa: Seit 2012 betreibt GWM ein Europawerk im bulgarischen Lowetsch, seit 2016 im hessischen Dietzenbach ein Entwicklungszentrum. Dort befindet sich nun auch die Europazentrale von Svolt. Zudem baut Great Wall in Russland derzeit bis zu 150.000 Autos pro Jahr.
Die landeseigene Standortagentur Saaris ist sicher, dass die Entscheidung des Batterieherstellers auch Synergien für die saarländische Forschung und Wirtschaft bereithält, denn im Land könnte auch an Batterietechnologie geforscht werden. Pascal Strobel, der sich in der Standortagentur für den Automotive-Bereich engagiert, stellt nicht nur die Expertise der saarländischen Arbeitnehmer im Automobilzulieferer-Sektor in den Vordergrund. Auch zahlreiche im Bundesland ansässige Unternehmen – zum Beispiel CTC Advanced, die unter anderem Batterien testen – könnten von der Ansiedlung profitieren.
Schub für Zulieferer-Land
Denn die Aussichten waren zuletzt düster: Stellenabbau bei großen Zulieferern wie ZF und die Schließung traditionsreicher Zulieferbetriebe wie Halberg Guss im Zuge des technologischen Wandels im Automobilbau hinterließen nicht nur in der Wirtschaft des Saarlandes, sondern auch in der Bevölkerung tiefe Sorgenfalten, dies zeigen Umfragen. Die Zukunft für die knapp 7.000 Beschäftigten im und rund um das Ford-Werk Saarlouis ist unklar. Das im Land gefertigte Modell Focus soll 2024 auslaufen. Und dann die Pandemie: Laut Arbeitskammer des Saarlandes ging das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im ersten Halbjahr um 6,6 Prozent deutschlandweit zurück, im Saarland jedoch um 9,5 Prozent. Da kam das politisch hochrangige Engagement seitens der Staatskanzlei des Saarlandes gerade recht. Ein Wermutstropfen: Auch damit bleibt das Bundesland wie so oft nur „verlängerte Werkbank" eines Unternehmens ohne Zentrale im eigenen Land, wenngleich es sich auch bei einer Batterie um das zentrale Produkt in der Wertschöpfungskette eines Elektrofahrzeuges handelt. Erfahrungen mit chinesischen Investoren hat das Land jedenfalls: Der Autozulieferer Saargummi wurde 2011 von einem chinesischen Staatskonzern gerettet, der Zulieferer Motus von einer Great-Wall-Tochter gekauft. Die Svolt-Batterie könnte bald Fahrzeuge deutscher Unternehmen antreiben: Laut dem britischen Online-Magazin „Autocar" planen BMW und GWM ein eigenes Elektromodell auf Basis des Mini. Das Unternehmen selbst will sich zu Kundenprojekten aber nicht äußern, man halte sich an Geheimhaltungsvereinbarungen.
Mit dem saarländischen Standort von Svolt verfügt Deutschland derzeit über sechs meist in Planung und Bau befindliche Giga-Fabriken, darunter das Tesla-Werk in Berlin, das Batteriewerk des chinesischen Anbieters CATL bei Erfurt und die Volkswagen-eigene Fabrik in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Hersteller Northvolt bei Salzgitter. Und das Saarland über eine erste längerfristige Zukunftsperspektive im Elektro-Automobilbau.