David Alaba hat bei den Vertragsverhandlungen mit dem FC Bayern hoch gepokert. Er scheiterte mit seinen Forderungen und gilt nun als Raffzahn. Der FC Bayern hat ein gutes Zeichen gesetzt, aber auf zumindest unglücklichen Wegen kommuniziert.
Kritiker werfen dem FC Bayern München immer wieder vor, den Rest der Liga leer und die Liga damit schwach zu kaufen. Darüber, ob diese Kritik nun polemisch oder berechtigt ist, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Doch ein Verein, der –
egal, ob aus vorrangigem Eigennutz oder nicht – achtmal in Folge Deutscher Meister wird, hat zumindest auch eine große Verantwortung. Zum einen darin, die Bundesliga international gut zu vertreten, was der FC Bayern seit Jahren tut und in diesem Jahr mit dem Gewinn der Champions League besonders. Und zum anderen: Zeichen zu setzen für die Szene.
Entwicklungen entgegenzukämpfen in Fällen, in denen allein der FC Bayern die Macht dazu hat. Und auch dies haben die Münchner nun getan, im Fall von David Alaba. Wie hoch die Gehaltsforderungen des Österreichers – und vor allem seiner Berater – wirklich waren, ist nicht bekannt. Es soll sich nach Medienberichten um etwa 20 Millionen Euro pro Jahr gehandelt haben. Der FC Bayern hätte das Geld wahrscheinlich gehabt, und Alaba ist für den Verein ein besonderer Spieler. Ein Eigengewächs, das seit Jahren gute bis herausragende Leistungen abliefert und zudem ein Sympathieträger ist, intern wie extern. Dies alles führte offenbar dazu, dass die Alaba-Seite bei den Verhandlungen um einen neuen Vertrag alle Trümpfe auf ihrer Seite wähnte und ganz hoch pokerte. Doch der FC Bayern setzte ein klares Zeichen: So nicht, nicht mit uns. Und setzte damit für die gesamte Szene ein Zeichen. Alles hat seine Grenzen, besonders in diesen schweren Zeiten.
Natürlich gibt es auch in dieser Geschichte, wie in fast allen, nicht nur Gut und Böse. Natürlich hat der FC Bayern einige Dinge unglücklich oder nicht gut gehandelt. Sei es beim TV-Auftritt von Uli Hoeneß oder bei der Abservierung durch seinen Präsidenten-Nachfolger Herbert Hainer. Dennoch ist die Kernaussage, die Preisspirale nicht um jeden Preis weiterdrehen zu wollen, zu begrüßen. Dass die Münchner dafür in Kauf nehmen, einen höchst verdienten Spieler mit einem Marktwert von 65 Millionen Euro ohne Transfer-Entschädigung zu verlieren, macht das Ansinnen noch wertvoller. Dass mit Alaba nun ein als toller Sportsmann und unkomplizierter Charakter bekannter Spieler öffentlich gebrandmarkt ist, ist zu bedauern und ein Stück weit sicher unfair. Sollte dieser nur ferngesteuert sein, wäre er aber auch selbst verantwortlich.
„Enttäuscht und verletzt"
Aber nun mal ganz der Reihe nach. Wie kam es überhaupt zu diesen verhärteten Fronten? Alaba, in Wien geborener Sohn einer Philippinerin und eines Nigerianers, wechselte 2008 bereits mit 16 in die Nachwuchsabteilung des FC Bayern. Anderthalb Jahre später kam er als bis dato jüngster Bayern-Spieler in einem Profi-Pflichtspiel zum Einsatz. Seitdem gehört er quasi zum Inventar des Vereins. Egal, unter welchem Trainer, egal, auf welcher Position, egal, in welchen System. Alaba spielte – bis auf eine halbjährige Leihe nach Hoffenheim – immer. Rund 400 Pflichtspiele hat er inzwischen für die Bayern-Profis absolviert, inklusive Supercup gewann er 25 Titel. Jahrelang machte es ihn so wertvoll, dass er Linksverteidiger ist. Und auf dieser Position, auf der es weltweit kaum Spitzenspieler gibt, sind Leistungen auch immer ein bisschen relativ. Doch Alaba konnte auch im zentralen Mittelfeld spielen. Und als er im vergangenen Jahr notgedrungen zum Innenverteidiger umfunktioniert wurde, spielte er sich dort dermaßen fest, dass Bayern-Coach Hansi Flick schwärmte: „Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns. Das Herzstück." Und deshalb werde er, so Flick, „mit allem, was ich habe" für den Verbleib Alabas kämpfen.
Doch das könnte unter Umständen nicht genug sein. Dem Vernehmen nach soll Alabas Berater Pini Zahavi, mit dem sich die Münchner schon bei einigen Verhandlungen um Robert Lewandowski fetzten, das Ziel haben, Alaba in die Gehaltsklasse von eben diesem Lewandowski und Manuel Neuer zu heben. Der Torjäger und der Kapitän und Torhüter gelten mit rund 20 Millionen Euro pro Jahr als Topverdiener. Es sei eine Frage des Respekts, soll Alabas Seite argumentiert haben, außerdem hätten die Münchner ja nie Ablösesumme für ihren Klienten zahlen müssen. Ehrenpräsident Uli Hoeneß versicherte im „Doppelpass" aber, dass es der Gegenseite „wirklich nur ums Geld gehe und sonst gar nichts". Seine Tirade gipfelte in der Aussage, Alaba habe „einen geldgierigen Piranha als Berater".
Das fand dem Vernehmen nach selbst die aktuelle Münchner Vereinsspitze überzogen, dennoch hoffte sie auf einen Effekt der Einsicht. Sie verbesserte laut Medienberichten ihr Angebot auf rund elf Millionen pro Jahr plus großzügiger Zuschläge. Doch als dieses von der Alaba-Seite abgelehnt wurde, preschte Präsident Hainer vor. Man habe sich „entschieden, das Angebot komplett vom Tisch zu nehmen. Das heißt, es gibt kein Angebot mehr", sagte Hainer im Bayerischen Fernsehen. Alaba erklärte anderthalb Tage später, er habe davon „aus den Nachrichten erfahren" und versicherte in Bezug auf die kolportierte 20-Millionen-Forderung: „Ich kann jedem einzelnen Fan versichern, dass die Summen, die in den Raum gestellt wurden, nicht der Wahrheit entsprechen." Über die Darstellung seiner Person in der Öffentlichkeit sei er „enttäuscht und verletzt." Flick erklärte, er sei „alles andere als glücklich" darüber, dass das Thema in eng getakteten englischen Wochen so in die Öffentlichkeit getragen wurde und kritisierte damit durchaus seine Bosse.
Die Fronten sind also verhärtet. Bleibt die Frage, ob ein Verbleib Alabas überhaupt noch vorstellbar ist. Klar scheint: Die Bayern-Bosse werden nicht nachgeben, dazu war die Ansage zu eindeutig, ein Gesichtsverlust wäre die Folge. Auch Alabas Management wird normalerweise nicht von seiner Forderung abrücken. Es sei denn, es findet sich kein anderer Verein mit sportlichen Ambitionen, der sie ansatzweise erfüllt. Grundsätzlich interessiert sollen unter anderem Real Madrid oder Manchester City sein. Die Frage ist, was Alaba selbst macht: War er wirklich ferngesteuert und lenkt nun ein, weil er beim FC Bayern bleiben will? Aber will er das überhaupt, nach diesen ereignisreichen letzten Wochen? Für Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ist die Tür „noch einen Spalt auf", man müsse aber einen „irgendwie einen gesichtsschonenden Weg für beide Seiten" finden. Sportvorstand Hasan Salihamidzic erklärte aber: „Ich weiß jetzt nicht mehr, wie wir zusammenfinden sollen."