Am Sonntag trifft der 1. FC Saarbrücken auf den 1. FC Kaiserslautern. Ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Blickpunkt steht FCS-Torjäger Sebastian Jacob.
Als Juri Sawitschew am 27. März 1993 das 1:0 für den 1. FC Saarbrücken auf dem Betzenberg erzielte, war Sebastian Jacob noch nicht geboren. Das Spiel endete 1:1, der FCS war in der Rückrunde der Bundesliga ungeschlagen und rief neue Ziele aus. Der Klassenerhalt schien bei noch elf ausstehenden Spielen reine Formsache. Doch zwei Unentschieden und neun Niederlagen später stand der Abstieg fest. Die Wege des 1. FCS und des 1. FC Kaiserslautern sollten sich trennen. Einmal noch, im September 1997, trafen beide Teams im DFB-Pokal aufeinander. Der FCK gewann 4:0 gegen den damals in die Regionalliga abgestürzten FCS.
Sebastian Jacob, geboren am 26. Juni 1993, kennt diese Geschichten nur vom Hörensagen. Gesehen hat er einen Bericht über den US-Boy Eric Wynalda. Der löste im Herbst 1992 eine riesige Euphorie aus, traf beim 2:0-Hinspielsieg über den FCK doppelt. „Danach sind wir mit dem Auto in die Stadt. Weil kein Parkplatz frei war, hat ein Polizist gesagt, ich solle auf der Straße parken. Nachts, als wir zurückkamen, war er immer noch da. Die ganze Stadt war auf den Beinen", erinnerte sich der US-Boy Jahre später. Egal, wie das Drittliga-Duell zwischen den beiden Traditionsvereinen am Sonntag ausgehen wird, es wird weder Jubelstürme im Stadion noch Menschenmassen in der Stadt geben. „Für unsere Fans ist das jammerschade. Sie haben so viele Jahre auf dieses Spiel gewartet. Als Profi muss man sich mit der Situation arrangieren", sagt Sebastian Jacob.
Das Aufeinandertreffen im Ludwigspark ist auch ein Teil der Geschichte des Saarlouisers. Als A-Jugendspieler traf er in einem Bundesligaspiel gegen den FCK aus 50 Metern. Der verpflichtete ihn anschließend, zunächst für die U23, dann für die Profimannschaft. In der Saison 2014/2015 schafft er den Durchbruch. 21 Spiele, zwei Treffer – eine ordentliche Bilanz für den Angreifer. Zumal der FCK damals noch in der Spitzengruppe der Zweiten Liga mitmischte. In der Vorbereitung zur anschließenden Saison riss er sich das Kreuzband, der Beginn einer schier unendlichen Leidensgeschichte. Jacob kommt noch auf 20 Pflichtspieleinsätze, hauptsächlich in der Zweiten Mannschaft der Pfälzer. Im Sommer 2017 ist er vertragslos, nachdem Wochen zuvor ein Knorpelschaden vierten Grades diagnostiziert wurde. Nach mehr als einem halben Jahr Schufterei am Saarbrücker Olympiastützpunkt ist er halbwegs wieder fit. Der damalige FCS-Sportdirektor Marcus Mann erinnert sich an den Angreifer, lädt ihn ins Trainingslager ein. Gegen den Willen von Trainer Dirk Lottner übrigens. Der traut Jacob keine hohe Trefferquote zu. Es ist eine der vielen richtigen Entscheidungen, die Mann während seiner Zeit beim FCS getroffen hat: „Das Potenzial von Sebi ist enorm. Man darf sich auch nichts vormachen. Hätte er die schweren Verletzungen nicht gehabt, wäre er nicht hier", sagte der heutige Hoffenheimer Nachwuchschef.
„Der beste Neuner der Liga"
Dabei hat Jacob das Attribut „verletzungsanfällig" längst abgelegt. Im vergangenen Winter musste er noch einmal am Knie operiert werden. Seitdem ist er fit. „Ich habe gelernt, mit meinem Körper umzugehen. Ich weiß, wie ich das Training dosieren muss. Das Knie wird nie mehr richtig gut. Aber 90 bis 95 Prozent meines Leistungsvermögens kann ich abrufen", sagt der 27-Jährige. Im Team von Trainer Lukas Kwasniok ist Jacob einer von ganz wenigen „Unverzichtbaren". Sagte Ex-Coach Lottner noch vor einem Jahr, Jacob könne niemals drei Spiele in einer Woche absolvieren, so hat Jacob ihn auch hier widerlegt. „Er ist ein absoluter Musterprofi, er weiß, was er mit seinem Körper tut", sagt Kwasniok und adelt den Angreifer. „Für mich ist er der beste Neuner der 3. Liga."
Doch Jacob ist mittlerweile mehr als ein Leistungsträger beim FCS. Der frühere Jugendspieler ist zum Vizekapitän aufgestiegen und hat im Sommer seinen Vertrag um drei Jahre verlängert. „Es hat auch ein Stück mit Dankbarkeit und Wertschätzung zu tun. Der FCS hat mir die Chance gegeben, als meine Laufbahn kurz vor dem Aus war. Und ich bin davon überzeugt, dass der Verein mittelfristig auch die Perspektive hat, in die Zweite Liga aufzusteigen", sagt Jacob. Das Aufeinandertreffen mit seinem früheren Club sieht er recht entspannt. „Im Fußball trennen sich die Wege irgendwann. Ich bin niemandem böse. Beim FCK habe ich den Sprung in den Profifußball geschafft, dafür bin ich dankbar. Aber ich bin natürlich Saarbrücker durch und durch." Im schnelllebigen Geschäft verlaufen sich die Kontakte in aller Regel schnell. Mit FCK-Physiotherapeut Frank Sänger telefoniert Jacob noch regelmäßig, mit dem aktuellen Kapitän Carlo Sickinger hat er sporadisch Kontakt. „Von meinen damaligen Mitspielern ist niemand mehr da", sagt Jacob, der den Werdegang seines früheren Arbeitgebers dennoch aufmerksam verfolgt. „Es ging ja schon in der Zeit, in der ich da war, Stück für Stück nach unten. Es war absehbar, dass der Abstieg irgendwann kommen würde. Zu viele Trainerwechsel, zu viel Unruhe, das ist für keinen Verein dauerhaft gut."
Vor der Saison galt der FCK als Aufstiegskandidat Nummer eins. Der FCS hingegen hatte den Klassenverbleib als Ziel formuliert. Nun sind die Vorzeichen andere. Doch Jacob bleibt Realist. „Der FCK hat eine gute Mannschaft. Aber es fehlt wohl vor allem Selbstvertrauen. Das holt man sich über Siege. Wenn sie in einen Lauf kommen, muss man mit ihnen rechnen", sagt er. Mehr als 28 Jahre nach dem 2:0-Erfolg im Ludwigspark sind neue Helden gesucht. Sebastian Jacob erzielte schon den ersten Treffer im neuen Stadion. „Darüber, ob ich gegen den FCK treffe, habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wichtiger ist, dass wir das Spiel gewinnen", sagt „Sebi". Ob er im Falle eines Tores jubeln wird? „Keine Ahnung", sagt Jacob, „ich bin ja schon drei Jahre dort weg. Die ganz große Emotion ist nicht mehr da. Für die Fans ist dieses Spiel natürlich etwas ganz Besonderes. Das bekommen wir schon mit. Aber letztlich geht es auch am Sonntag wie in den anderen 37 Spielen nur um drei Punkte." •