Chris Fankhauser und Matthias Kaiser sind Genussbotschafter. Ihr Ladenlokal in der Holsteinischen Straße 19 in Wilmersdorf ist ein Spezialitätengeschäft für Schweizer Produkte – und nicht nur in der Vorweihnachtszeit beliebter Anlaufpunkt.
Grau, grau, grau ist der Berliner Winter mancherorts. Um die Weihnachtszeit, da glitzert die Stadt – in der Holsteinischen Straße etwa dominiert das Rot. Hier stehen die Schokoladenweihnachtsmänner aus weißer und dunkler „Schwizer Schoki" Spalier. Mit transparentem Knisterpapier stehen sie im begehbaren Schweizer Küchenschrank – bereit, in gute Stuben zu verreisen. Sie sitzen überall verstreut zwischen dem bunten und rot-weißen Waren-Potpourri im „Chuchichäschtli" – einem Spezialitätenladen für Schweizerische Produkte und Lebensmittel mitten in Berlin Wilmersdorf. Genauer gesagt im Güntzel-Kiez in der Holsteinischen Straße 19.
„Diese handgefertigten Wintermänner aus bester Schokolade haben durch die gute Almmilch und den höheren Fettgehalt einen besonderen Schmelz", erläutert der Schweizer Wahlberliner aus dem Solothurnischen Chris Fankhauser. Zusammen mit seinem Lebenspartner Matthias Kaiser, einem gebürtigen Schwarzwälder aus Waldshut im Dreiländereck, hat er vor über sieben Jahren den „kleinen Küchenschrank", was „Chuchichäschtli" übersetzt bedeutet, eröffnet. Es ist eine mit Liebe geführte kulinarische „CH-Insel". Beide haben lange Jahre in Zürich gelebt und gehören zu der 20.000 Menschen großen Berlin-Schweizer-Community. „Unser Laden ist nicht nur ein kleines Stück Schweiz in Berlin, sondern auch so etwas wie eine kleine Schweizer Botschaft, wo man sich über das Alpenland austauschen und Gleichgesinnte treffen kann, wo Heimweh-Schweizer auch in Berlin mal Schwyzerdütsch reden können", grinst Chris und fügt an, dass für viele der kleine Kiezladen immer eine Anlaufstelle für Zwischenmenschliches gewesen sei.
Aura der Entschleunigung in der Enklave
„Den Onlineshop, in dem wir als Nischenladen deutschlandweit unsere Produkte verkaufen, gibt’s schon lange. In unserer Schweizer Enklave spürte man schon immer eine Aura der Entschleunigung – eine typisch schweizerische Eigenschaft. Es ist gut, im Jetzt zu bleiben", sinniert Chris Fankhauser, der eigentlich immer die Ruhe weghat. In diesem von Corona bestimmten „Jetzt" muss man schon ein großer Meister der unerschütterlichen Gelassenheit sein. Es gilt nach vorne zu schauen, und genau jetzt stehe nun mal Weihnachten vor der Tür, und man sorge wie hier so üblich mit guter Schokolade und anderen süßen Sünden für Endorphine.
Für ihr Schoki- und Gebäck-Spektrum ist die Schweiz nun mal weltbekannt. Wie man eine Schweizer Praline von einer aus dem großen Kanton (Schweizer Ausdruck für Deutschland) unterscheidet, verrät Matthias: Die CH-Schoki sei immer gefüllt, die deutsche sei hohl. Schweizer mögen ja manchmal ein verschrobenes Völkchen sein, aber mit Schokofülle geizen sie scheinbar nicht. Ein Beispiel dafür sind die Pralinen von Chocolats Favarger in Genf aus Zartbitterschokolade, Mandeln und konfierten Orangen. Zum Schenken bereits in goldenem Knisterpapier verpackt, warten die letzten handgefertigten Schokoküsse der Schweiz von Dubler oder die Minis von Villars am Tresen auf ihre Liebhaber.
„In Zeiten wie diesen hilft es schon, sich mal kurz in die Sonne zu setzen und was klitzekleines Süßes zu schlotzen", ergänzt Matthias Kaiser schon fast mit philosophischem Unterton und zeigt auf weitere Minipraliné-Formate wie die Konfekt-Bonbons von Bündner Röteli, und nicht zu vergessen sind die Basler Läckerli vom traditionellen „Läckerli Huus" mit einer 100-jährigen süßen Erfolgsgeschichte. In der Schweiz ganzjährig, woanders nur zu Weihnachten, kennt man das Lebkuchen-Gebäck, das bereits im Mittelalter gebacken wurde. Heute werden die Lebkuchen nach streng geheimem Rezept mit Zutaten und Aromen wie Orangeat und Zitronat, Bienenhonig, Mandeln, Haselnüssen und Baselbieter Kirsch hergestellt, die ganzjährig einen emotional dimensionierten Festtagsgeschmack verbreiten. Chris Fankhauser empfiehlt, dass man sie am besten im Mund leicht anschmelzen lässt, damit sich Honig und Gewürze voll entfalten.
Das wohl beliebteste Schweizer Weihnachtsgebäck ist für Kenner aber auch Basler Brunsli, was ohne Mehl mit Haselnüssen, Schokolade, Eier und Zucker gebacken wird, sowie auch die Bündner Nusstorte – ein intensives Honig-Walnuss-Genusserlebnis. Schön rot-weiß und dekorativ kommt ein echter Kult-Keks-Klassiker aus den 60er-Jahren daher: die Kägi-fret-Schokoladewaffel kennt jedes Schweizer Kind.
Fertiges Fondue in vielfältigen Varianten
Wer lieber ein herzhaftes Leckerli kosten möchte, sollte sich eine sogenannte Belper Knolle bestellen. Die als „Schweizer Trüffel" bekannte harte Frischkäse-Kugel mit Knoblauch, Himalaya-Salz und Pfefferhülle ist eine auch bei Gourmetköchen beliebte Rarität. Über Nudeln, Grillgemüse, Kurzgebratenem oder Spargel gerieben schmecke sie am besten und halte sich gut gekühlt weit über ein halbes Jahr. In ein Tuchsäckchen gepackt, liegt sie wie eine herzhafte Edel-Praline im „Kaaschäschtli"-Safe – einem prall gefüllten Bergkäse-Kühlschrank.
Hier lagern auch 15 Sorten Fonduemischungen und Raclettekäse-Sorten. Alles „Kaasige" stamme ausnahmslos von Käsereien aus Familienbetrieben und sei, weil immer sechs bis 18 Monate gereift laktosefrei. Dazu liefert der Schwarzwälder gleich die einfache Rezeptur mit. In der Fertigfondue-Mischung, die es in vielen Varianten wie Safran, Prosecco oder Trüffel gebe, sei alles schon drin – auch der Wein und Schnaps. Man müsse einfach nur den Fonduetopf mit einer Knoblauchzehe ausreiben, den Beutel aufschneiden, die Masse in den Topf geben und bei mittlerer Hitze unter ständigem Rühren einer Acht erwärmen. „Ein Träumchen" sei es dann noch, den guten Valle-Maggia-Pfeffer vom Lago Maggiore darüber zu streuen. Wer mehr Schnaps brauche, der tunke einfach sein Brot in ein extra Tröpfchen. Ein echter Auf- und Herzenswärmer mit familiärer Sozialkomponente.
Immer mal was anderes ausprobieren ist auch bei den Schweizer Aperitivos, Bränden und Likörchen die Devise. In der Schweiz möge ja auch nicht jeder die gleiche Heidi, scherzt Matthias Kaiser. Der grüne Mount Rigi sei aufgegossen mit einem Prosecco wie ein Aperol Spritz zu genießen, nur eben herb grün und mit Schweizer Alpenaromen. Kaisers absoluter Favorit ist der „Röteli" der Destillerie Kindschi (seit 1860) aus sonnengetrockneten Kirschen, Bergquellwasser, Kräutern und Gewürzen aus den Bündner Alpen. Gekühlt als Shot, auf Vanilleeis, Süßmost-Creme, zum Apfeldessert oder mit einem Stück Schoki in die Bratensauce gerührt, ist er ein echter Geheimtipp.
Appenzeller Glühmost als Glühwein-Ersatz
Als Glühwein-Ersatz empfiehlt der Mann mit dem roten Schweiz-Shirt einen Appenzeller Glühmost – nicht zu verwechseln mit dem Käse! Das ist feinster Apfelsaft der Mosterei Möhl, die zwei Drittel ihres Mostobstes direkt von Landwirten aus der näheren Umgebung beziehe. Ein Drittel wird von Obsthändlern im Umkreis von 40 Kilometern mit Lastwagen herbeigekarrt. Die berühmte Kräutermischung aus Appenzell mit 42 Kräutern verleihe diesem fruchtigen Wintergetränk seinen unverwechselbaren Charakter. Süße Zimt- und Zitrusnoten passen bestens zum Weihnachtsgebäck oder als „Gallenspülung" für danach. Ebenso wie ein „Kindschi Enzian", die deutlich bitter-herbere Schweizer Feinbrand-Version. Für die weinselige Begleitung zeigt Chris Fankhauser auf ein Regal mit an die 50 edlen Tropfen. Die kommen vorwiegend aus der Französischen Schweiz: Ein feiner Gamay, ein Dôle oder Fendant von den höchsten Rebbergen Europas oder ein schöner Compleo Cuvée Noire 2011 aus der Staatskellerei Zürich sind da schon eine passende liquide Festtagsbegleitung.
Dass die beiden Betreiber eigentlich aus dem Film- und Musikgeschäft kommen, ist in ihrer Schweizer Herzblut-Enklave deutlich zu spüren. Man fühlt sich hier wie der Besucher einer rot-weißen prall gefüllten Musicalbühne. Nebst Feinkost findet man auch die berühmten Schweizer Messer, andere Küchenhelfer sowie Berghüttenzauber verströmende Geschenk- und Deko-Ideen. Manchmal gibt es auch spezielle Verkostungen oder „Schrägitäten" wie Alphorn-Kurse.
„Uf wiederluege" sagt man in der Schweiz, und bis man wieder ins alpine Land reisen darf, kann man sich auf Kurzreise ins „Chuchichäschtli" begeben. Ein Rat, der im Jetzt hilft, sich auf den Schmelz einer mit Endorphinen angereicherten Schoki zu konzentrieren, mit Kräutern der Almhöhen zu „gurgeln" –
schweizerisch, geduldig, zuversichtlich.
Übrigens: Ein hübscher Deko-Tipp für den Weihnachtsbaum sind die originellen Weihnachtskugeln in Form einer Schweizer Fahne, eines Fonduetopfs oder Sennenhunds.