Wie so vieles konnte auch die Fußball-EM 2020 nicht stattfinden. Sie soll 2021 nachgeholt werden. Und Stand heute sogar im selben ungewöhnlichen Format.
Es wird wohl keinen Fußball-Europameister geben, der durch einen Titel so lange amtierte wie Portugal. Fünf Jahre – mindestens, muss man dazu wohl leider sagen – werden die Portugiesen sich am Ende Europameister genannt haben dürfen. Vom EM-Triumph 2016 in Frankreich durch einen Finalsieg gegen die Gastgeber bis zum Sommer 2021 darf sich das Team um Stürmerstar Cristiano Ronaldo mit diesem einen Titel schmücken. Sonst werden Europameisterschaften ja alle vier Jahre ausgetragen. Ausgerechnet die Pan-Europameisterschaft, die in zwölf Ländern stattfinden soll, musste wegen der Corona-Pandemie verschoben werden und soll nun im kommenden Sommer ausgetragen werden. FORUM beantwortet die wichtigsten Fragen rund um dieses Thema.
Wieso wird die EM in zwölf Ländern ausgetragen?
Diese Idee, die der bei vielen schon in Vergessenheit geratene Ex-Uefa-Präsident Michel Platini durchgesetzt hat, hatten viele schon immer als Schnapsidee empfunden. Das Ganze wirkt im Nachhinein nun noch kurioser, weil es dieses Format einmalig zum 60. Geburtstag der EM geben sollte – im Jahr 2020. Platini hatte zunächst die Idee, das Turnier in zwei Ländern statt in einem auszutragen. Am Ende waren es zunächst 13 Spielorte, Brüssel wurde nachträglich aber wieder gestrichen.
Welche Spielorte werden es sein?
München, Rom, Amsterdam, Kopenhagen, Bilbao, St. Petersburg, Bukarest, Budapest, Baku, Glasgow, Dublin und als Spielort der Halbfinals und des Endspiels London sollen die Standorte sein. Einziger Mitbewerber Londons um die Finalrunde war München, aber man verständigte sich intern, dass Deutschland die Euro 2024 bekommen soll. Letztlich bekundeten 32 Städte Interesse. 13 von ihnen, darunter Basel, Istanbul, Helsinki, Athen oder Lissabon, zogen zwischenzeitlich zurück. 19 gingen ins Rennen, zwölf wurden ausgewählt. Die sechs Unterlegenen (Brüssel nicht mitgerechnet) hießen Cardiff, Jerusalem, Minsk, Skopje, Sofia und Stockholm.
Warum ist die EM ausgefallen?
Natürlich zunächst einmal die kurze und knappe Antwort: wegen Corona. Ob die EM, zumindest ohne Zuschauer, bei einer Austragung in einem einzigen Land ausgetragen worden wäre, ist auch mehr als fraglich. Eine Austragung in zwölf verschiedenen Ländern und mit einem Spielplan, der Teams, Sponsoren und Zuschauern durch mehrere Länder führt, war in diesen Zeiten aber komplett utopisch.
Wird die EM 2021 tatsächlich ausgetragen?
Man muss sagen, wahrscheinlich. Die Europacups werden ausgespielt und trotz einiger Kritik daran gab es bis dato zumindest keine solchen Probleme, dass ein Abbruch nötig wäre. Im Endeffekt stehen offenbar eher zwei andere Fragen im Blickpunkt. Wird die EM ohne Zuschauer ausgespielt werden müssen? Dies scheint durchaus realistisch, zumal derzeit fast alle Spiele europaweit Geisterspiele sind. Und werden die Spiele am Ende auch tatsächlich in zwölf Ländern ausgetragen? Auch das scheint wahrscheinlich.
„Der Plan ist, die gleichen Veranstaltungsorte, die gleichen Städte, die gleichen Stadien zu haben", hatte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin schon vor Monaten gesagt und angefügt: „Wenn etwas kompliziert wird, dann können wir es auch mit elf, neun oder weniger Stadien machen. Aber der Plan ist, dass alles gleich bleibt." Bisher ist aber kein entsprechendes Denken bekannt und auch kein Aussteiger.
Wie viel hat die Verschiebung die UEFA gekostet?
Ceferin bezifferte die Kosten vor einiger Zeit auf „Hunderte Millionen Euro". Konkreter wurde es bisher nicht. Im Fall der Olympia-Verschiebung auf 2021 bezifferten japanische Medien die Kosten zuletzt auf 1,61 Milliarden Euro.
Behalten die Tickets Gültigkeit?
Vorausgesetzt, dass Zuschauer dabei sein dürfen, grundsätzlich ja. Die Uefa stellte aber auch klar, dass jeder, der 2021 nicht wie geplant zur EM reisen kann, seine Tickets rückerstattet bekommt. Damit kämen dann sogar vielleicht wieder neue Karten in den Verkauf.
Wie hoch war die Ticket-Anfrage?
Beim Verkauf zunächst für 2020 riesig. Geplant waren damals drei Millionen Tickets, von denen nach Abzug von Sponsoren 2,5 Millionen in den Verkauf gingen. Die Preise lagen zwischen 50 und 185 Euro in München, das teuerste Finalticket kostete 945 Euro. Insgesamt erreichten die Uefa 19,3 Millionen Ticket-Anfragen, also fast achtmal so viele, wie in den Verkauf gingen. Für das Endspiel lagen sogar 1,9 Millionen Anfragen vor, was eine 22-fache Überbuchung bedeutete. Und offenbar interessiert die EM nicht nur in Europa, denn die Uefa registrierte Anfragen aus 213 Ländern weltweit. Doch wie gesagt, das alles steht aktuell unter Vorbehalt: Ein ausverkauftes Fußball-Stadion im Juni erscheint aus heutiger Sicht unvorstellbar.
Welche Teams werden fehlen?
Bei einem Starterfeld mit 24 Teilnehmern unter 55 Qualifikations-Teilnehmern blieben die ganz großen Überraschungen aus. Prominente Scheiterer wie in der jüngeren Vergangenheit England, Holland oder bei der WM 2018 Italien blieben diesmal aus. Die Außenseiter Nordirland und Island, die 2016 viele begeisterten, schafften es nicht. Ansonsten heißen die prominentesten Zuschauer Norwegen, Irland und Serbien. Irland ist neben Rumänien und Aserbaidschan auch einer der drei Ausrichter, dessen Team nicht dabei sein wird.
Wer ist dabei?
Es gibt in der Tat die ein oder andere Besonderheit. So qualifizierten sich mit England, Schottland und Wales zum ersten Mal alle drei Nationalmannschaften Großbritanniens für die Endrunde. Neulinge gibt es diesmal nur zwei: Finnland um den Leverkusener Torhüter Lukas Hradecky. Und Nordmazedonien, das sich durch ein 1:0 in den Play-offs gegen Georgien das Ticket sicherte. Umjubelter Torschütze war standesgemäß Goran Pandev, stolze 37 Jahre alt und in Personalunion Kapitän, Torjäger, Rekordspieler und Rekordtorschütze seines Landes. Pandev spielte in seiner Karriere unter anderem zweimal für Inter Mailand, für Lazio Rom, für den SSC Neapel, Galatasaray Istanbul und seit 2015 für Genua.
Welches sind die brisantesten Gruppen-Spiele?
Politisch brisante Duelle hat die Uefa wie schon bei der Quali zumindest für die Vorrunde schon bei der Auslosung ausgeschlossen. Die einzigen beiden tatsächlichen Teilnehmer, die nicht aufeinandertreffen durften, waren letztlich Russland und die Ukraine. Das von der Paarung her brisanteste Spiel wird letztlich das zwischen England und Schottland sein. Die Gruppe hat kurioserweise die beiden Städte London und Glasgow als Spielorte, die Partie wird aber in London stattfinden, da die Engländer als Gruppenkopf die drei Vorrunden-Partien zu Hause austragen dürfen. Gleiches gilt auch für Deutschland: In der Gruppe F sind München und Budapest die Spielorte, das DFB-Team darf alle drei Spiele in der Allianz-Arena austragen.
Welche ist die stärkste Gruppe?
Da ist ganz eindeutig die Gruppe F zu nennen – die der deutschen Mannschaft. Denn sie trifft außer auf Ungarn auf den amtierenden Europameister Portugal und den amtierenden Weltmeister Frankreich. Stärker geht es auf dem Papier kaum. Dies bedeutet aber letztlich nicht, dass eines der drei großen Teams sicher ausscheiden wird. Denn die Uefa lässt auch vier der sechs Gruppendritten ins Achtelfinale einziehen.
Wer sind die Turnierfavoriten?
Geht man nach der – zugegebenermaßen nicht immer nachvollziehbaren – Fifa-Weltrangliste, heißt der Top-Favorit Belgien. Die Roten Teufel, die in der Gruppenphase auf Dänemark, Finnland und Russland treffen, führen das Klassement nämlich an. Vor Weltmeister Frankreich, der die Belgier im WM-Halbfinale 2018 schlug. Laut Weltrangliste folgen danach England, Portugal und Spanien. Deutschland ist nach dem Vorrunden-Aus bei der WM und dem letzten Platz bei der ersten Austragung der Nations League als 13. nur noch neuntbester Europäer. Davor liegen noch Italien, Kroatien und Dänemark. Bei Buchmacher bwin ist England mit einer Quote von 6:1 der Favorit vor Frankreich und Belgien (je 6,5), Spanien und den Niederlanden (je 8) und auf Platz sechs Deutschland (9). Größte Außenseiter sind demnach Ungarn, die Slowakei und die beiden Neulinge Finnland und Nordmazedonien. Wer 100 Euro auf eines dieser Teams setzt und am Ende gewinnt, streicht stolze 20.100 Euro ein. Einmal in der EM-Geschichte hat es das sogar schon gegeben, dass der laut Quote größte Außenseiter am Ende den Titel holte: Griechenland 2004 mit Trainer Otto Rehhagel.