Die Liebermann-Villa am Berliner Wannsee wollte in diesem Jahr zwei Jubiläen mit zahlreichen Veranstaltungen feiern – Corona machte vielem einen Strich durch die Rechnung.
Das Herbstlaub liegt auf dem Weg, Efeu an der Villa und einige übrig gebliebene Dahlien im Staudenbeet leuchten in sattem Rot. Doch Besucher können momentan weder durch den Garten schlendern, noch die Räume in der ersten Etage mit der Ausstellung „Wir feiern Liebermann!" besuchen.
Dort wären Leihgaben aus deutschen Sammlungen zu sehen, die das Schaffen des Malers Max Liebermann zeigen. Anlass für die sorgfältig ausgesuchte Liebermann-Retrospektive ist ein doppeltes Jubiläum. Vor hundert Jahren begann Liebermanns Amtszeit als Präsident der Akademie der Künste in Berlin, eine der bedeutendsten Positionen im Kulturleben der Weimarer Republik. Zudem feiert die Max-Liebermann-Gesellschaft ihr 25-jähriges Bestehen. Deren Mitglieder setzen sich unermüdlich für den Erhalt der Villa und des Gartens ein und schufen einen Ausstellungsort, der seitdem die Berliner Kulturlandschaft bereichert.
Aber ausgerechnet im Jubiläumsjahr macht nun das Coronavirus auch der Liebermann-Villa zu schaffen: Vor der Pandemie kamen 80.000 Besucher im Jahr. Schon vor dem zweiten Lockdown waren es weniger als die Hälfte.
Das stattliche Haus am Wannsee wurde von Paul Otto Baumgarten gebaut. Er war ein herausragender Schüler des sehr gefragten Architekten Alfred Messel, der zahlreiche Villen im Süden Berlins entwarf.
Den Garten gestaltete Liebermann im Austausch mit seinem Freund, dem Hamburger Museumsdirektor und Gartenreformer Alfred Lichtwark. Ab 1914 wohnte Max Liebermann mit seiner Familie im Erd- und Obergeschoss der Sommervilla, ansonsten lebte und arbeitete er am Pariser Platz in Berlin-Wilmersdorf. In dem Refugium am See wie im Garten fand Liebermann seine Motive, rund 230 Gemälde sind am Wannsee entstanden.
Die Niederlande und die Alten Meister faszinierten ihn
Am 20. Juli 1847 wird Max Liebermann als Sohn des jüdischen Textilunternehmers Louis Liebermann und seiner Frau Philippine in Berlin geboren. Zwölf Jahre später zieht die Familie Liebermann in ein Stadtpalais am Pariser Platz direkt neben dem Brandenburger Tor. Bei einem Besuch des Ateliers von Antonie Volkmar entdeckt die Malerin Liebermanns Zeichentalent. Er nimmt während seiner Gymnasialzeit Zeichenunterricht und studiert später an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar. Im Sommer 1872 unternimmt er seine erste Studienreise in die Niederlande, die er in den folgenden Jahrzenten immer wieder besucht. Die alten Meister sowie die Naturlandschaft und die einfachen Menschen auf dem Land faszinieren ihn und prägen seine Kunst. Es folgen Stationen in Paris, in der Künstlerkolonie Barbizon und in München.
Liebermann malte in den 1870er-Jahren überwiegend in Holland. „Nicht das sogenannte Malerische, sondern die Natur malerisch aufzufassen ist’s, was ich suche, die Natur in ihrer Einfachheit und Größe ohne Atelier – und Theaterkram und Hadern – das Einfachste und das Schwerste", so Max Liebermann. Sein künstlerisches Bestreben findet Ausdruck in den vielen Bildern einfacher Menschen in karger Landschaft, während ihrer täglichen Arbeit und in den Momenten der Rast. Menschen bei der Kartoffelernte, Arbeiter im Rübenfeld und eine Schusterwerkstatt zählten zu seinen Motiven. Der Pariser Kunstszene blieb seine malerische Stärke nicht verborgen, so konnte Liebermann regelmäßig im Pariser Salon ausstellen. Die Presse, die „Gazette des Beaux Arts", schrieb: „Liebermann ist ein Meister und wird es bleiben". Französische Sammler kauften seine Werke, weitere Ausstellungen in Paris folgten.
Er war Präsident der Berliner Secession
Mit seiner Frau Martha und seiner Tochter Käthe lebte Liebermann ab 1884 wieder in Berlin. Durch den Berliner Salon von Carl und Felice Bernstein wurde er wie zuvor in Paris erneut auf die Bilder der Impressionisten aufmerksam, vor allem beeindruckten ihn das Fragmentarische, Skizzenhafte und Atmosphärische an den Werken von Éduard Manet. Liebermann stellte bei der Weltausstellung in Paris aus und wurde zum Mitglied der Societé Nationale des Beaux Arts berufen, einer Abspaltung des offiziellen Salons mit eigenen Ausstellungsräumen. Liebermann öffnete sich verstärkt dem Einfluss der modernen französischen Kunst. Die Motive entstammten jetzt mehr der Freizeit der Menschen: Biergärten, Reiter am Strand, Tennisspieler. Seine Malweise wurde heller und skizzenhafter.
Nachdem 1894 sein Vater gestorben und er zum Erben eines bedeutenden Vermögens gekommen war, begann er mit dem Aufbau einer eigenen Sammlung.
Längst war Liebermann da auch im Kunstleben Berlins angekommen. Gemeinsam mit dem Direktor der Nationalgalerie, Hugo von Tschudi, besuchte er Galerien in Paris sowie Auguste Rodin und Edgar Degas in ihren Ateliers. Die Vettern Bruno und Paul Cassirer eröffneten 1898 in Berlin ihren Kunstsalon mit einer Ausstellung über Degas, Meunier und Liebermann und erhoben Letzteren damit in den Kreis der europäischen Moderne. Im gleichen Jahr wurde Liebermann Mitglied der Berliner Königlichen Akademie und Künste.
Ein Jahr später ernannte ihn die neu gegründete Künstlergruppe Berliner Secession zum Präsidenten.
Mit der Demokratisierung in Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkrieges veränderten sich auch die Bedingungen innerhalb der Preußischen Akademie der Künste. Es wurden Reformen eingeleitet und Künstler wie Ernst Barlach, Lovis Corinth und Käthe Kollwitz zu Mitgliedern gewählt, denen die Aufnahme vorher verweigert worden war. Liebermann war von 1920 bis 1932 Präsident der Akademie und setzte in dieser Funktion seine Ausstellungsarbeit fort. Ihm ging es immer darum, moderne, qualitätvolle Kunst zu fördern, auch wenn sie nicht immer seinem Kunstverständnis entsprach.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten war Max Liebermann als Jude den zunehmenden Drangsalierungen ausgeliefert. Am Abend des 30. Januar 1933 sah er vom Fenster seines Hauses am Brandenburger Tor den Fackelzug, mit dem die Berliner SA den neu ernannten Reichskanzler Adolf Hitler feierte. Die „Säuberung" der Akademie der Künste begann in der Literaturabteilung, jüdische Schriftsteller wie Jakob Wassermann, Franz Werfel und viele andere waren nicht mehr erwünscht und wurden ausgeschlossen. Spätestens jetzt erkannte Liebermann, dass es auch ihn treffen würde. Er wollte den verachtenden Rauswurf nicht hinnehmen und trat selbst aus der Akademie aus. Einen Teil seiner Kunstsammlung konnte er in der Schweiz unterbringen.
Das Berufsverbot der Nazis traf ihn nicht mehr
Um Martha und Max Liebermann wurde es still in der Reichshauptstadt. Die Mitglieder der Berliner Gesellschaft, die jahrzehntelang um eine Einladung bei Liebermanns gebuhlt hatten, mieden nun das Haus am Pariser Platz. Zudem hatten viele der Freunde und Bekannten Deutschland bereits verlassen und rieten den Liebermanns, zu emigrieren. „Solch alten Baum kann man nicht mehr umpflanzen", lautete Liebermanns Antwort. Das von den Nationalsozialisten verhängte Berufsverbot traf ihn nicht mehr. Er starb am 8. Februar 1935.
Martha Liebermann zog daraufhin in eine Wohnung in Berlin-Tiergarten. Nach dem Pogrom am 9. November 1938 spitzte sich die Lage der in Deutschland verbliebenden Juden weiter zu. Am
27. Februar 1943 begann in Berlin eine mehrtägige Massendeportation, die sogenannte Fabrikaktion. Am Morgen des 5. März 1943 kam ein Kriminalbeamter in ihre Wohnung, um sie zur Deportation abzuholen. Er ließ ihr Zeit, sich anzukleiden und kam zwei Stunden später wieder. In dieser Zeit nahm Martha Liebermann eine Überdosis Schlafmittel ein und entging der Deportation durch Selbstmord.
Die Liebermann-Villa am Wannsee wurde von der NSDAP genutzt, erst als Schulungslager und später als Reservelazarett. Nach dem Krieg zog eine Abteilung des Krankenhauses Wannsee ein, die Wohnräume wurden zu Krankenzimmern, das Atelier zum Operationssaal. Knapp 30 Jahre später pachtete der Deutsche Unterwasser-Club das Gebäude.
Die Villa ging 1951 an Liebermanns in die USA emigrierte Tochter Käthe Riezler zurück. Sieben Jahre später verkaufte seine Enkelin Maria White das Gebäude an das Land Berlin.
Jetzt stand der Realisierung des Museums nichts mehr im Wege. 1995 gründete sich die Max-Liebermann-Gesellschaft, die das Projekt vorantrieb und Träger des Museums ist. Bereits während der vierjährigen Bauzeit kamen 30.000 Besucher, um den Entstehungsprozess zu verfolgen. Vorerst bleibt das Museum wie so viele andere im Lockdown geschlossen. Unterstützen kann man es dennoch mit Spenden.