Die romanische Stephanuskirche steht in Böckweiler und wurde von der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland bei einem bundesweiten Wettbewerb zur „Kirche des Jahres 2020" gewählt.
In Böckweiler, einem Stadtteil von Blieskastel mit etwa 350 Einwohnern, freuten sich die Anwesenden – darunter Pfarrerin Ines Weiland-Weiser – als am 14. Mai die Regionalbeauftragte der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland, Constanze von Leukart, die Urkunde für die „Kirche des Jahres" übergab. Die so im Mittelpunkt stehende Stephanuskirche war zu der Zeit wegen Instandsetzungsarbeiten im Innern bereits seit November 2018 geschlossen. Dennoch konnten während der Renovierung zahlreiche Gäste Einblicke in die Kirche und ihre Geschichte erhalten. Das Interesse an dem romanischen Kleinod ist nach wie vor groß und nach der Auszeichnung sogar stärker angestiegen.
Viele Besucher kommen von weither
Aus allen Teilen Deutschlands fanden in den letzten Monaten viele Besucher den Weg nach Böckweiler zum ältesten romanischen Kirchengebäude des Saarlandes. Insbesondere auch Saarländer fanden sich ein, darunter zahlreiche Exil-Saarländer, die wegen Corona ihren Urlaub in der alten Heimat verbrachten. Die Besucher zeigen sich sehr angetan von der Stephanuskirche, die bekanntlich im 11./12. Jahrhundert ihre besondere markante Form mit den drei Konchen – abgeleitet aus dem Lateinischen concha, die Muschel; halbrunde Nische oder Kuppel – und dem gedrungenen Chorturm erhielt. Damals waren Mönche von Reisen in den Mittelmeerraum zurückgekehrt, auch in das nahe gelegene Kloster Hornbach. Vielleicht brachten sie die besonderen Ideen mit. Bereits 100 Jahre früher, also vor rund 1.000 Jahren, wurde die Vorgängerkirche in ihrer frühromanischen Form mit nur einer halbrunden Apsis im Osten auf dem Platz mitten in ‚Bickwilre‘ erbaut, wie das Dorf am Osthang des Kahlenbergs damals hieß. Schmale Seitenschiffe waren auch hier bereits an den Längsseiten des Kirchenschiffes angebracht, das aus Mönchschor und Laienchor bestand. Doch dies war beileibe nicht der erste Kirchenbau an dieser Stelle: Bereits im 8./9. Jahrhundert stand auf dem Gelände eine großzügige karolingische Basilika mit nach Süden angrenzendem Klostergebäude. Die bei Ausgrabungen gefundenen Fundamente und Mauerreste aus der Karolingerzeit sind heute in ihrem Verlauf durch Steinwege vor und seitlich der Kirche erfahrbar. Aus dieser Epoche ist von der Bauskulptur nur ein Kapitell (oberer Abschluss) eines Wandpfeilers erhalten, das im Museum für Vor- und Frühgeschichte aufbewahrt wird.
Fundamente aus der Karolingerzeit
Gehen wir zeitlich noch weiter zurück, so ist bewiesen, dass etwa im 3. Jahrhundert die Römer in unserer Heimat Fuß gefasst und zahlreiche Siedlungen errichtet hatten: Eine große Villa Rustica – ein Gutshof – entstand im Bereich des späteren Kirchengeländes. Mit Sicherheit waren es die zahlreichen Wasserquellen im Umfeld, die für die Römer wichtig waren, um sich anzusiedeln. Auf der nordwestlichen Seite des Gutes errichteten die Römer einen großzügigen Wirtschaftshof mit Kellerräumen. Daraus barg man bei den Ausgrabungen einen großen steinernen Wirtschaftstisch aus dem 3./4. Jahrhundert, der im Westen vor dem Eingang der Stephanuskirche aufgestellt wurde und bei Hochzeiten heute gern beim Sektempfang genutzt wird. Bereits einige Jahrhunderte zuvor lebten auch Kelten auf dem Böckweiler Bann, alte Hügelgräber zeugen davon und auch – im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken – unser ältestes Böckweiler Fundstück: der keltische Eisenhelm. Die Geschichte des Dorfes Böckweiler in dieser anmutigen, artenreichen Bliesgau-Landschaft lässt sich weit zurückverfolgen. Auch schon damals haben die Menschen ein gewisses Gespür gehabt für besondere Orte. Mit Sicherheit darf man das Gelände, auf dem die Stephanuskirche vor Jahrhunderten erbaut wurde und in ihrer besonderen Form mit den drei Konchen und dem gedrungenen Chorturm, der auch heute noch steht, als besonderen Ort bezeichnen. Über einen Zeitraum von rund 2.000 Jahren errichteten die Menschen dort Gebäude, die für sie eindeutig große Bedeutung hatten.
Unternehmen wir noch eine Zeitreise vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart: Zu der Zeit, als im Übergang vom 11. zum 12. Jahrhundert die Kirche in Böckweiler ihre ungewöhnliche Dreikonchenanlage mit dem Chorturm erhielt, vereinnahmte das Benediktinerkloster im nahe gelegenen Hornbach die Böckweiler Kirche als Priorat. Davon kündet eine noch erhaltene Urkunde vom 30. November 1149, in der die Böckweiler Kirche schriftlich erwähnt wird. Da keine ältere Urkunde mehr vorliegt, zählt dieses Datum quasi kirchengeschichtlich als Geburtstag der Stephanuskirche – auch wenn diese Kirche damals schon längere Zeit bestanden hatte. Mit ihren verbliebenen Seitenschiffen und dem Mönchs- und dem Laienchor war die damalige Kirche doch nach Westen um einiges länger und auch breiter für die Dauer einiger Jahrhunderte. Etwa um 1700 zerfiel infolge von Kriegsschäden zum Teil der Laienchor im Westen. Der überwiegend armen Bevölkerung des kleinen Ortes fehlten die Geldmittel, um die Kirche wieder aufzubauen. Somit wurde beschlossen, unter dem großen Bogen, der die beiden Chorteile trennte, eine neue Wand zu errichten, die die Kirche dann nach Westen abschloss und einen Eingang aufwies.
Eine Kirche mit einer Dreikonchenanlage und einem Chorturm
Diese Kurzform blieb unverändert, bis der Zweite Weltkrieg an der Stephanuskirche, aber auch im Ort Böckweiler, erhebliche Schäden anrichtete. Im Jahr 1949 begann mit vereinten Kräften dann auch die Wiederinstandsetzung der alten Stephanuskirche, wobei die Kirchengemeinde vielerlei Unterstützung erfuhr.
Ein wichtiges Ereignis wurde im Rohbau der Kirche am 4. Dezember 1949 mit einem Gottesdienst und einer kleinen Feierstunde begangen: die 800-Jahrfeier der Gemeinde Böckweiler – in Erinnerung an die älteste vorhandene Urkunde vom 30. November 1149. Bei dieser Feierstunde wurde in der Wand der mittleren Konche eine Dokumentenkapsel eingemauert, die mit Glück voriges Jahr bei den Restaurierungsarbeiten im Kircheninnern entdeckt wurde. Das ganze Dorf war am Inhalt der „Zeitkapsel" interessiert – die Kinder gaben dem Fundstück diesen Namen. Der Inhalt wurde kopiert, die Kapsel wird in Kürze wieder in die Konchenwand eingesetzt. Dazu gesellt sich nun eine weitere Kapsel mit Dokumenten aus der Gegenwart. So schließt sich nach 70 Jahren der Kreis der Nachkriegsepoche.
Weitere Fakten und Zusammenhänge gäbe es noch zu erwähnen, am besten Sie kommen einmal selbst zur Stephanuskirche in Böckweiler – gerne stelle ich Ihnen unser Kleinod vor.
Die Autorin ist Presbyterin der protestantischen Stephanuskirche in Blieskastel-Böckweiler, Fritz-Schunck-Straße 23, 66440 Böckweiler.