Nicht nur wegen der niedrigen Temperaturen darf es in diesem Winter gern extra kuschelig und eine Stofflage mehr sein. Die Kleidung als Kokon – nur ein Trend, den Corona in diesem Jahr hervorgebracht hat.
Daunenjacken oder weit geschnittene Wollmäntel über Marlene-Hosen, High-Rise-Jeans mit weitem Bein oder Culottes, dazu wettertaugliche Sneakers oder Chunky Boots. Fast scheint es, als hätten Designer letztes Jahr, als sie die Kollektionen für den diesjährigen Winter entwarfen, dieses Bedürfnis nach komfortabler Lässigkeit, nach ein klein wenig Unkompliziertheit vorausgeahnt. Denn in diesem Corona-Winter, in dem sich das Leben zwischen Homeoffice, wenigen Präsenzterminen und einer recht übersichtlichen Zahl von privaten Treffen abspielt, steht die Praxistauglichkeit eines jeden Stylings im Vordergrund. Wer will schon in den schicken Acht-Zentimeter-Booties eine halbe Stunde frierend in der Schlange vor dem Postamt stehen? Oder viel Zeit in ein aufwendiges Make-up investieren, von dem die Hälfte die meiste Zeit des Tages sowieso vom Mund-Nasen-Schutz bedeckt wird? Und da „Events" momentan hauptsächlich aus Spaziergängen mit Stopp vor einem Glühweinausschank bestehen, kann man das Kleid eigentlich daheim im Schrank lassen, es sei denn, es wird mit dicksten Strumpfhosen, derben Stiefeln und einer warmen Jacke kombiniert.
Der Layered Look, auch gern mal Zwiebel-Look genannt, erlebt sein zigstes Revival – bereits im Sommer und jetzt mit rustikalen Pullovern über cleanen Shirts, mit Blazern unter Mänteln und vor allem mit kuscheligen Cardigans. Die extra Portion Wärme können wir angesichts der widrigen Umstände gut vertragen, und der Look passt sich mit ein oder zwei Extraschichten bestens den jeweiligen Erfordernissen und Temperaturen an. Beliebte Accessoires: breite Schals oder besser noch Plaids im Karo-Design, die man sich schnell um die Schultern werfen kann, die warm halten und wie eine Art Schutzkokon wirken.
Kleidung, die Schutz vor äußeren Einwirkungen bietet – und damit ist nicht nur das Wetter gemeint – wird auch im nächsten Jahr weiterhin hoch im Kurs stehen. Da sind sich Modeexperten und Trendforscher schon jetzt einig. Denn gerade in Krisenzeiten seien Materialien gefragt, die Geborgenheit vermittelten, warme Farbtöne, die eher beruhigen als zusätzlichen Stress auszulösen. Wie formuliert es die Trendforscherin Li Edelkoort? Noch Ende 2021 werde der Haupttrend „Stillness" sein, also Stille. Die Menschen bräuchten eine Pause, um wieder Atem schöpfen zu können, um sich rückzubesinnen, so die Niederländerin. Natürlich gibt es auch diejenigen, die als derzeitigen Trend, der sich auch 2021 fortsetzen wird, genau das Gegenteil sehen. Also die Lust am Extravaganten, an auffälligen Schnitten und geradezu schmerzhaft leuchtenden Farben. Als Strähnen in den Haaren oder gleich bei der kompletten Frisur, bei der metallisch schimmernden Daunenjacke oder den besonders klobig daherkommenden Boots.
Doch in erster Linie gilt tatsächlich das „Weniger-ist-mehr". Weniger Konsum, weniger „Fast Fashion" – stattdessen die Anschaffung einiger wertiger Kleidungsstücke aus Materialien, die nicht nur ethischen Kriterien, sondern auch einer längeren Benutzung standhalten. Kleine, regionale Labels und Manufakturen sind stärker denn je angesagt, immer mehr Kunden wollen wissen, wie genau ihre Kleidung hergestellt wird, welche besondere Geschichte vielleicht damit verbunden ist. Ein Trend, der das Ende der Pandemie überdauern wird, da sind sich Mode- und Textilexperten längst einig.
Übrig gebliebene Stoffe genutzt
Ein weiterer Trend, den das Corona-Jahr geschaffen hat und der uns sicher bis Mitte nächsten Jahres begleiten wird: der mittlerweile an vielen Orten und in vielen Situationen obligatorische Mund-Nasen-Schutz.
Noch Anfang 2020, als die Fashion Week in Berlin tatsächlich in vollen Hallen als analoges Ereignis stattfand, sorgte das Label #Damur für einen kurzen Schockmoment. Als es nämlich seine Models mit Schutzmasken über den Laufsteg schickte. Zu einem Zeitpunkt, als Corona sehr weit weg von Europa zu sein schien, man sich nicht ausmalen konnte, mit welcher Wucht die Pandemie auch hierzulande zuschlagen würde. Es dauerte allerdings nicht lange, da waren zunächst Einzelne mit zu Mund-Nasen-Masken umgestalteten Bandanas und Schals auf den Straßen zu sehen. Und als die Schutzmaske Pflicht unter anderem in Geschäften und im ÖPNV wurde, begann in vielen Werkstätten und Ateliers eine rege Produktionstätigkeit.
Ganz klar, dass die Großen der Branche schnell auf das neue Geschäftsfeld setzten – wenn schon wegen der stark angestiegenen Arbeit im Homeoffice die Nachfrage nach Businesshemden und -blusen zurückging, dann einfach die Kapazitäten und das Material für die jetzt benötigten Masken nutzen. Auch kleinere Label und selbstständige Modedesigner sahen die Möglichkeit, finanzielle Verluste durch den ersten Lockdown durch den Verkauf kreativ gestalteter Masken wenigstens ein bisschen auszugleichen. Und so ist das Angebot inzwischen überwältigend. Von der einfachen Maske aus bunten Baumwollstoffen bis hin zum Edelteil aus feinster Wolle, Brokat oder mit Spitze verziert. Mancher versucht auch hier den Nachhaltigkeitsgedanken umzusetzen – so stellte der Berliner Designer Andrea Bonfini beispielsweise Patchwork-Masken aus upgecyceltem Denim her, das Luxuslabel von Isabel Vollrath hingegen setzte auch auf Materialien, die beispielsweise wie schimmerndes Leder daherkommen. Längst hat sich die Maske zum Statement entwickelt, nicht nur politisch, sondern auch modisch. Und egal, ob die einstige Kuscheldecke mit der Bärenschnauze jetzt vor Viren schützen soll, man Haifischzähne blecken lässt oder die Maske farblich auf den Rest der Kleidung abstimmt – der Kreativität sind bei diesem Trend keine Grenzen gesetzt.