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WAS MACHT EIGENTLICH...

Der erste deutsche Corona-Patient war ein 33-jähriger Mitarbeiter des Automobilzulieferers Webasto
Foto: Getty Images / iStockphoto / xrrr

… Corona-Patient Nr. 1?

Ende Januar brachte eine Geschäftsreisende aus China das Coronavirus erstmals nach Deutschland. Der erste deutsche Corona-Patient war ein 33-jähriger Mitarbeiter des Automobilzulieferers Webasto. Heute arbeitet er ohne gesundheitliche Spätfolgen wieder.

Als ein Mitarbeiter des Stockdorfer Automobilzulieferers Webasto am 20. Januar bei einer dienstlichen Besprechung in einem engen Büro mit einer chinesischen Geschäftsreisenden in Kontakt kam, konnte er nicht ahnen, welche Folgen diese Begegnung für ihn und seinen Arbeitgeber haben würde. „Wir haben uns alle die Hand gegeben. Ich saß dann auch direkt neben ihr und habe nebenbei Kaffee getrunken", erinnert sich der 33-Jährige. Fünf Tage später bekam er Schüttelfrost und Fieber. Von einem Vorgesetzten erfuhr er eine Woche später, dass die chinesische Kollegin nach der Rückkehr in ihre Heimat positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Sein Hausarzt schickte ihn sofort zum Test ins Münchner Tropeninstitut: „Das positive Testergebnis war natürlich erstmal ein Schock, weil ich gar nicht damit gerechnet habe. Da ich zwar Fieber hatte, aber meine Symptome mir nicht besonders schlimm erschienen, hatte ich nicht viel Angst um mich", betonte der junge Mann in einem Interview auf der Webasto-Website. Vielmehr habe er sich um seine Kontaktpersonen im Familien- und Freundeskreis gesorgt, vor allem um seine schwangere Frau und seine Tochter. Erleichtert war „Patient 1", dass er am Arbeitsplatz nur einen einzigen Kollegen angesteckt hat, obwohl es unternehmensintern noch zu weiteren Infektionen gekommen ist, von denen nur drei auf einen direkten Kontakt mit der chinesischen Kollegin zurückzuführen waren. Inzwischen sind alle damals infizierten Belegschaftsmitglieder, die ein Durchschnittsalter von 35 Jahren hatten, wieder vollständig gesund.

Große Anteilnahme

Bei einer Besprechung in einem engen Büroraum in seiner Firma steckte sich Patient Nr. 1 an
Bei einer Besprechung in einem engen Büroraum in seiner Firma steckte sich Patient Nr. 1 an - Foto: picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Im privaten Umfeld von Patient 1 wurden damals alle Kontaktpersonen zweimal negativ getestet. „Das ist für mich bis heute nicht nachvollziehbar, da ich eine volle Woche unbewusst dieses Virus in mir hatte und ich normal mit meiner Familie und Freunden zusammen war", sagte er in dem Webasto-Interview. Nach seinem positiven Befund am 27. Januar musste er sich direkt ins Schwabinger Krankenhaus begeben und wurde anschließend dort 19 Tage stationär behandelt, obwohl er während dieser Zeit fast keine Beschwerden mehr hatte. Gegen Ende seines Aufenthalts erlitt er jedoch eine kurze Panikattacke wegen der Unklarheit über die Dauer seiner Isolation. Den Klinikaufenthalt beschreibt Patient 1 als langweilig, er habe sich immer gut betreut gefühlt, allerdings den Kontakt zur Familie sehr stark vermisst. Als erster deutscher Corona-Patient hat er von vielen Seiten große Anteilnahme erfahren und sogar kleine Geschenke bekommen. Es sei ihm eine große Hilfe gewesen, dass er während des Klinikaufenthaltes im Bett an seinem Laptop arbeiten konnte. Enttäuscht ist er rückblickend vom Verhalten mancher Medien, die mit frei erfundenen Informationen aus dem familiären Umfeld ihr Geschäft machen wollten.

Webasto musste als erstes deutsches Unternehmen Erfahrungen im Umgang mit einer Corona-Infektion machen und konnte durch konsequentes Handeln, bis hin zu einer 14-tägigen Betriebsschließung, die internen Infektionsketten unterbrechen und alle Kontakte nachverfolgen. Firmenintern ist damals ein bis heute noch aktiver geschäftsübergreifender Stab etabliert worden, der mit kurzen Entscheidungswegen und einem umfassenden Maßnahmenkatalog gegen eine Weiterverbreitung des Coronavirus tätig ist. „Gerade mit Blick auf die außergewöhnliche Situation zu Beginn des Jahres habe ich bei Webasto einen großartigen Zusammenhalt erlebt. Wir haben schnell und transparent reagiert, haben sofort begonnen zu testen und Hygienemaßnahmen einzuführen: Diese Erfahrung hilft uns jetzt in der zweiten Welle und mit Blick auf die nächsten Monate", zieht Webasto-Vorstandsvorsitzender Holger Engelmann sein bisheriges Corona-Fazit. Mit einem strengen Hygienekonzept, durchgängiger Maskenpflicht, aktivem Fallmanagement, engem Austausch mit den Gesundheitsämtern, Dienstreisenbeschränkungen und mobiler Arbeit hat das Unternehmen umfassende Maßnahmen ergriffen, um die andauernde Krise gesundheitlich und wirtschaftlich zu meistern. Bewährt habe sich auch die offene Kommunikation über die Infektionslage mit den Behörden, den Mitarbeitern und den Medien. Dafür wurde Webasto kürzlich mit dem PR-Report-Preis ausgezeichnet. „Wir sind stolz, dass unser Engagement sich auszahlt!", twitterte das Unternehmen Mitte Oktober.

„Ich hatte Riesenglück"

Heute geht es Patient Nr. 1 wieder sehr gut, Spätfolgen seien bisher von seinen Ärzten nicht entdeckt worden. „Im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich ein Riesenglück hatte, dass das Virus meinen Körper nicht so stark angegriffen hat und ich das Ganze glimpflich überstanden habe." Ihm sei durch die Infektion bewusst geworden, dass einem unverhofft auch Unvorstellbares widerfahren kann und man im Leben nichts als selbstverständlich nehmen kann. Für den Corona-Patienten Nr. 1 ist die Infektionsgefahr in der zweiten Welle aber trotzdem nicht gebannt: „Seit April habe ich keine neutralisierenden Antikörper mehr", bedauert er, weil er schlimmstenfalls erneut von dem Virus befallen werden kann.

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