Die Corona-Pandemie hat nicht nur „König Fußball" im ausklingenden Jahr schwer zugesetzt. Im Eishockey, Handball und Basketball schienen die Auswirkungen der Krise zwischenzeitlich existenzbedrohend – auch wenn vorerst überall wieder gespielt wird.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie traf den deutschen Profi-Sport im vergangenen Frühjahr wie ein Donnerschlag. Vereine und Verbände besonders in den Hallensportarten benötigten nach dem Shutdown Wochen oder gar Monate zur Befreiung aus der Schockstarre und wussten sich mit nur ganz wenigen Ausnahmen zunächst nicht anders als mit Saisonabbrüchen zu helfen. Oft stellte sich für Clubs und mitunter ganze Ligen deutlich nachdrücklicher als im Fußball sogar die Existenzfrage.
Doch auch die folgenden Planungen für einen Re-Start, also wenigstens zu etwas Normalität, gestalteten sich durch die anhaltende Ungewissheit über die Entwicklung der Virus-Krise kompliziert. Obendrein erschwerten wirtschaftliche Zwänge – die meisten Sparten sind im Gegensatz zum Fußball nicht mit Millionen-Geldern aus TV-Verträgen gesegnet und deshalb umso mehr vorrangig auf Zuschauereinnahmen angewiesen – die Lage zusätzlich. In der Deutschen Eishockey Liga (DEL) etwa konnten nach einer über achtmonatigen Zwangspause erst ab kurz vor Weihnachten wieder die Pucks über das Eis fliegen – nach einer zweimaligen Verschiebung des ursprünglich für Oktober geplanten Saisonstarts.
Profis verzichteten freiwillig auf bis zu 60 Prozent Gehalt
Wie letztlich die Kufenflitzer verhinderten auch die meisten anderen Sportarten durchaus denkbare Absagen ihrer kompletten Saisons. Eine Kombination aus einer rigiden Rotstift-Politik bei den Etatplanungen, mal mehr oder mal weniger freiwilligen Gehaltsverzichten der Profis von bis zu 60 Prozent sowie unterschiedlicher Hilfsleistungen des Staates sorgte für die Abwendung der absolut nicht unrealistischen Schreckensszenarien von Ausfällen ganzer Spielzeiten. Motor der Entwicklung war stets die nackte Angst ums Überleben: Ohne eine Rückkehr in die Arenen und ohne Spiele, so der allgemeine Tenor, hätten zum Teil ganzen Ligen k. o. gehen können.
Erste zarte Hoffnungen auf einen weitgehenden Erhalt des gewohnten Alltags in und trotz der Pandemie hatten im Frühsommer zunächst die vergleichsweise kleine Tischtennis-Bundesliga und vor allem die Basketball-Bundesliga gemacht. Dabei avancierte der 1. FC Saarbrücken-TT mit seinem Star Patrick Franziska nach einer auf Miniformat eingedampften Play-off-Runde ohne Fans symbolträchtig zu Deutschlands erstem „Geistermeister". Lohn für Mühe und besonders Mut waren überraschend gute TV-Quoten für das medial sonst eher unterbelichtete Tischtennis – in Zeiten mit Livesport als Mangelware nutzten Fernsehsender und Fans die Chance auf „frische Bilder" und „echten Sport" statt Archivfilme. „Für uns ist sehr wichtig gewesen, uns wieder zu zeigen", kommentierte Franziska den Stellenwert dieser außergewöhnlichen Meisterschaft nicht nur für den FCS.
Durch die Lockerungen nach dem Shutdown wagten sich die Basketballer sogar an ein für den deutschen Sport einmaliges Experiment. Über drei Wochen setzten zehn von 17 Erstliga-Clubs in einer „Blase" praktisch täglich die unterbrochene Saison fort: nur in München, ohne Zuschauer und hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt – und wiederum mit TV-Zuschauern satt. „Das ist eine Plattform, um den Fortbestand unserer Sportart zu sichern", begründete Bayern Münchens Geschäftsführer Marko Pesic die spektakuläre Initiative. Tatsächlich rettete das Turnier vor dem Hintergrund eines vom Liga-Verband auf 25 Millionen Euro bezifferten Corona-Schadens nur noch, was noch zu retten war. Die insgesamt 36 Begegnungen bis zum Titelgewinn von Alba Berlin bedeuteten vor allem Schadensbegrenzung, denn ohne die „Bubble" mit „Geld, das noch nicht da ist" (Alba-Manager Marco Baldi), hätten den Vereinen hohe Regressforderungen ihrer Sponsoren gedroht – und dadurch einigen Clubs der finanzielle Kollaps. Berlins Coach Aíto García Reneses betonte indes auch das Alleinstellungsmerkmal seines Sports gegenüber den abgebrochenen Meisterschaftsrennen im Handball, Eishockey und Volleyball: „Besser diesen Wettbewerb spielen als gar keinen."
Von den – allen Unkenrufen zum Trotz – weitgehend positiven Erfahrungen mit ihren „Testballons" profitierten beide Sportarten, Tischtennis und Basketball, auch in der zweiten Jahreshälfte bei der Aufsetzung ihrer neuen Spielzeiten. Zuversicht gab dabei neben dem auffällig disziplinierten Management von unvermeidlichen Corona-Infektionen bei den Vereinen zunächst auch, dass die Politik im Spätsommer versuchsweise in der Regel 20 Prozent der Hallenkapazitäten und in Ausnahmefällen auch mehr wieder für Zuschauer freigeben wollte. Doch dann brach „die zweite Welle" der Pandemie auch über Deutschland herein. Das vorrangig sponsorenfinanzierte Tischtennis stellte kurzerhand wieder auf „Geisterspiele" um, doch im Basketball, Handball und besonders im Eishockey schrillten gleich wieder die Alarmglocken. „Das wird ein harter Winter", sagte Basketball-Chef Stefan Holz. Obwohl seine 18 Vereine nur mit insgesamt 100 Millionen Euro statt zuvor 130 Millionen Euro bei 17 Clubs kalkulierten, bezeichnete BBL-Geschäftsführer Holz den neuerlichen Lockdown als „massiven Einschlag. Das ist eine Bundesliga wie vor sechs, sieben oder acht Jahren."
„Das ist eine Bundesliga wie vor acht Jahren"
Weit zurückgeworfen wurde auch die Handball-Bundesliga. Nach Einnahmeausfällen von ebenfalls rund 25 Millionen Euro in der Vorsaison durften Uwe Gensheimer und Co. zu Herbstbeginn zwar rund einen Monat wenigstens vor Minikulissen zaubern – doch dann kam das neuerliche Zuschauerverbot. „Jetzt geht es nur noch ums Überleben", beschrieb Liga-Finanzvorstand Gerd Hofele die zu befürchtenden Konsequenzen. Zusätzlicher Druck entstand durch eine regelrechte Infektionswelle nach fahrlässigen Länderspiel- und Europacup-Reisen mit entsprechenden Spielausfällen, in der Szene entbrannte außerdem ein Streit über die Risiken der für Januar in Ägypten geplanten WM. Den wieder notwendigen „Geisterspielen" stimmten die Vereine zähneknirschend bis Ende 2020 zu. Für das neue Jahr beschlichen Liga-Chef Frank Bohmann für den Fall eines anhaltenden Fan-Ausschlusses dunkle Vorahnungen: „Das ist nur für eine ganz kurze Übergangszeit möglich, danach wird den ersten Clubs die Luft ausgehen und der Fortbestand des Profi-Sports hinter Fußball, so wie man ihn seit Jahrzehnten kannte, nicht mehr möglich sein."
Kaum noch möglich schien lange eine DEL-Saison. Für die Liga war das Eis besonders dünn: Die Clubs, in normalen Zeiten mit einem Zuschauerschnitt von zuletzt über 6.500 Besuchern die zweitpopulärste Publikumssportart im Land, generieren einerseits bis zu 80 Prozent ihrer Einnahmen an Spieltagen und haben andererseits größere Kader und höhere Hallenmieten zu finanzieren. Deshalb rechnete DEL-Boss Gernot Tripcke in einem öffentlichen Hilferuf den Einbruch der Erlöse aller 14 Clubs um die Hälfte auf 60 Millionen Euro hoch: „Wir werden keinen wirtschaftlichen Selbstmord begehen." Hin- und hergerissen zwischen kaufmännischer Vernunft und dem immer weiter steigenden Druck, für Medien und Sponsoren Präsenz zeigen zu müssen, rangen sich die Vereine nach einem Testturnier mit allerdings nur acht Teams Mitte November offenkundig trotz Bauchschmerzen endgültig zum Re-Start mit einem modifizierten, weil kostengünstigeren Spielsystem ab 17. Dezember durch. „Wir müssen", ließ Tripcke den wichtigsten Beweggrund für das am Ende einstimmige Votum aller Clubs erkennen, „die Sportart aufrechterhalten".
Während die Clubs letztlich aufgrund von jeweils bis zu 800.000 Euro aus dem staatlichen Unterstützungspaket „Corona-Hilfe Profi-Sport" grünes Licht gaben, trugen die zwischenzeitlich zur Überbrückung bei unterklassigen Mannschaften aktiven Spieler durch einen Verzicht auf bis zu 60 Prozent ihrer Gehälter mitentscheidend zur Rückkehr aufs Eis bei. „Das ist alternativlos gewesen", sagte Nationalmannschafts-Kapitän Moritz Müller dazu. „Irgendwann müssen wir ja mal wieder Eishockey spielen – es ist unser Beruf."