Eigenheimbesitzer und Mieter haben im Corona-Jahr lange aufgeschobene Projekte in Angriff genommen. In Baumärkten waren nicht nur Tapeten, Farben und Bodenbeläge, sondern auch Gartenartikel der Renner. Mitunter konnten sich Handwerker im Ausbaugewerbe vor Aufträgen kaum retten.
Das vergangene Jahr dürfte uns wohl in Erinnerung bleiben als eines, in dem wir so viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht haben wie nie. Im Jahr, als sich weltweit das Coronavirus ausbreitete, und im März das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt wurde, richteten viele daheim ihren Arbeitsplatz ein, andere mussten weniger arbeiten, und wiederum viele Eltern betreuten ihre Kinder zu Hause. Natürlich will man sich im Eigenheim oder in der Mietwohnung wohlfühlen, wenn man dort schon mehr Zeit verbringt als sonst. Zugleich haben viele die Zeit des Homeoffices und der Kurzarbeit genutzt, um bereits länger aufgeschobene Projekte und Renovierungen in Angriff zu nehmen.
Im Corona-Jahr hat folglich der seit Jahren anhaltende sogenannte Cocooning- und Homing-Trend nochmals Aufwind erfahren, sagt Hornbach-Pressesprecher Florian Preuß. Denn viele ziehen sich ins Private zurück und neigen dazu, es sich zu Hause schön und angenehm zu machen. Auch der Bund Deutscher Innenarchitekten stellt fest, dass das Bewusstsein für Innenarchitektur wächst. Cocooning als das Bedürfnis nach Schutz sei dabei nur ein Aspekt. Der Berufsverband sieht uns aber auch vor einer anderen Herausforderung, wenn sich alles in Innenräumen abspielt. Wie bekommt man Homeoffice, Homeschooling, Sport und Entspannung hin? Trendige Kissen, Teppiche oder neue Möbel könnten zwar die Stimmung heben. Gute Innenarchitektur zeichne sich aber dadurch aus, dass sie Innenräume schafft, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Während im März deutlich mehr Farben und Tapeten in den Hornbach-Filialen verkauft wurden, gingen einen Monat später vor allem Pflanzen für den Garten, Erde und Dünger über die Kassentheke. „Die Selbstversorger-Gärten spielten auch deshalb eine größere Rolle, weil kurzzeitig über mögliche Engpässe spekuliert worden war", erklärt Florian Preuß.
Ein Bedürfnis nach Schutz und mehr Schönheit
In der darauffolgenden Zeit setzte ein regelrechter Run auf Pools, Grills und Freizeitartikel rund um den Garten ein. So waren im Mai Pools und Spielgeräte wie zum Beispiel Trampoline zeitweise ausverkauft, wie Preuß berichtet. Auch im Sommer blieb die Nachfrage nach solchem Gartenzubehör unverändert hoch. Zuletzt haben viele Kunden die warmen Tage Anfang November genutzt, um draußen beispielsweise Carports, Sichtschutzzäune, Spielgeräte, Holzterrassen anzustreichen und winterfest zu machen. „Auch größere Projekte wurden in den vergangenen Monaten umgesetzt. Zugleich gab es da aber auch Hürden. Beispielsweise mussten wir gerade im März und April Kontakte stark reduzieren und Beratungsmöglichkeiten eingrenzen", erläutert Florian Preuß. Da nun mal eine komplette Badsanierung oder der Kauf einer Küche beratungsintensiv ist, wurden größere Projekte von Kunden verschoben.
Hornbach erwartet für das laufende Geschäftsjahr ein Umsatzplus zwischen 14 und 18 Prozent. Das Geschäft im Pandemie-Jahr verspricht Bauhaus zufolge für die bundesweit 156 Fachzentren „überdurchschnittlich positiv" zu werden. Der Zuspruch der Bauhaus-Kunden bewegt sich zum Teil deutlich über dem Niveau der Vorjahre. Dabei erstreckt sich die erhöhte Nachfrage über das komplette Warensortiment – von Werkstatt über Haus bis hin zum Garten. Nicht nur Artikel für die Gestaltung des heimischen Garten fanden verstärkten Absatz, sondern vor allem erstanden die Bauhaus-Kunden Wandfarben, Tapeten, Bodenbeläge und weitere Produkte für größere Bau- und Sanierungsmaßnahmen.
Vom Renovierungs- und Sanierungsboom haben 2020 logischerweise auch die Handwerksbetriebe hierzulande profitiert. Doch nicht überall im Land. Weil in Haus und Garten viel investiert und dementsprechend weniger Geld für Reisen ausgegeben wurde, hatte das Ausbaugewerbe in Nordrhein-Westfalen im Jahresverlauf eine stabile Auftragslage, erklärt Prof. Dr. Hans-Jörg Hennecke, Hauptgeschäftsführer der Dachorganisation des Handwerks in NRW. Das Ausbaugewerbe ist für alle Arbeiten innerhalb von Gebäuden zuständig, dazu zählen Maler, Lackierer, Fliesenleger, Tischler, Sanitär-Heizung-Klima- und Elektrotechniker. Von der Erneuerung der Heizung über Gartenmarkisen, Dachsanierung bis hin zu Smart-Home-Technik wurde vieles stark nachgefragt. Insbesondere der Rollladenbau erlebte in NRW und Bayern einen unerwarteten Aufschwung.
Das komplette Warensortiment war gefragt
Mancherorts mussten sich potenzielle Kunden erst mal gedulden, denn mitunter sind Handwerker bis Mitte nächsten Jahres mit Aufträgen ausgebucht. Das sei jedoch nicht die Regel und müsse saisonal gesehen werden, sagte Kirstin Schilt, Pressesprecherin des Arbeitgeberverbandes der Bauwirtschaft des Saarlandes, kurz AGV Bau Saar. Vereinzelt gebe es Gewerke, die – auch ohne Corona-Einfluss – im Winter eine niedrigere Auftragslage haben oder Aufträge erst im Frühjahr generieren, wenn Privatkunden ihre Um- und Ausbauprojekte für das Jahr planen. So ergab eine nicht repräsentative Umfrage unter den Mitgliedsbetrieben des Bau- und Ausbaugewerbes an der Saar, dass rund 35 Prozent der Betriebe über einen Auftragsbestand von sechs Wochen, rund 13 Prozent von zwei Monaten, rund 21 Prozent bis drei Monate, jeweils neun Prozent bis vier und fünf Monate und 13 Prozent bis sechs Monate verfügen.
In Bayern waren die Auftragsbücher des Bau- und Ausbauhandwerks bereits vor dem ersten Lockdown gut gefüllt, sagt Jens Christopher Ulrich, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern. Zwar sind dessen Auftragsbestände immer noch deutlich höher als im übrigen Handwerk, allerdings sind sie auch im Bau- und Ausbauhandwerk zurückgegangen. „Bedingt durch die Corona-Krise wurden weniger Aufträge erteilt", erklärt Ulrich. Die Bau- und Ausbaugewerke in Bayern haben derzeit eine Vorlaufzeit von 13 beziehungsweise zehn Wochen. „Viele Menschen haben zudem in den eigenen Garten investiert, also in die Terrassengestaltung oder die Beschattungssysteme", ergänzt der Fachmann.
Das Ausbauhandwerk in Niedersachsen erlebte ähnlich wie andernorts eine starke Nachfrage. Vornehmlich erhielten die Handwerker Aufträge für Modernisierungsarbeiten an privaten Immobilien, weil viele Menschen während des Lockdowns auf Reisen verzichteten. Das Bauhaupt- und Ausbauhandwerk im zweitgrößten Flächenland erzielte trotz des ersten Lockdowns ein starkes Ergebnis, während im Gesamten das Handwerk Umsatzeinbußen hinnehmen musste – das zeigt eine vorläufige Statistik. Das Bauhaupthandwerk vermeldete demnach für das zweite Quartal ein Umsatzplus von 7,7 Prozent, das Ausbauhandwerk einen Zuwachs von vier Prozent. „Dass Bau- und Ausbauhandwerk weiterhin relativ stark nachgefragt werden, ist in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten nicht üblich. Grundsätzlich reagiert die private Nachfrage nach Investitionen besonders sensibel auf Schwankungen beim Bruttoinlandsprodukt", erklärt Marlene Zscherper, Wirtschaftsreferentin der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen. Sobald sich eine wirtschaftliche Rezession andeute, würden private Investitionen nach hinten verschoben, was wiederum zulasten der Handwerksgruppen Bau, Ausbau und für den gewerblichen Bedarf gehe.