Die Musik dieses Jahrgangs war notwendigerweise mehr noch als sonst Lebenselixier, Anker, Seelenbalsam. Hier folgt nun eine gänzlich subjektive Auswahl der besten Alben des Jahres. Die Signale der Altvorderen (Dylan, Springsteen, Costello, Tweedy) waren zwar hochwillkommen, doch ließ anderes das Rezensenten-Herz noch deutlich höher schlagen.
Vieles davon war erwartungsgemäß im Country-/Folk-Bereich angesiedelt. Beispielsweise das betörend altersweise „Heart’s Ease" von Shirley Collins, der Grande Dame des Brit Folk. Zugleich zog gerade auch die jüngere Generation in den Bann: Cinder Well („No Summer"), Sally Anne Morgan („Thread") und Emily Barker („A Dark Murmuration Of Words") haben trotz spürbarer Ehrfurcht vor der Tradition einen ganz eigenen (melancholischen) Ton gefunden – wunderbar schlicht und doch unglaublich intensiv. Ihr allergrößtes Pfund bleiben freilich magische Stimmbänder.
Mit solchen sind fraglos auch Margo Price („That’s How Rumors Get Started") und S.G. Goodman („Old Time Feeling") ausgestattet. Price hat ihre Country-Pop-Nische verlassen und addiert nun souverän Soul und Rock. Goodman wiederum bastelte aus Country und Sehnsucht meine absolute Lieblingsplatte 2020.
Traumwandlerisch zwischen Tradition und Moderne bewegten sich Stick In The Wheel („Hold Fast"). Drei schottische Folk-Ikonen alias Three Queens In Mourning ließen im Verbund mit Bonnie Prince Billy („Hello Sorrow, Hello Joy") keine Wünsche offen. Im Americana-Genre fanden The Jayhawks („Xoxo") zu alter (Melodien-)Pracht und Chuck Prophet („The Land That Time Forgot") ließ seine Saiten wie zu Glanzzeiten züngeln, flirren, perlen. Charismatische Stimmen waren auch hier weit mehr als ein i-Tüpfelchen.
Owen Pallett („Island"), Matt Berninger („Serpentine Prison") und Sophia („Holding On/Letting Go") boten ganz großes Pop-Kino (der Gefühle), den feinsten Afro-Blues zelebrierten Tamikrest („Tamotait") und The Hanging Stars („A New Kind Of Sky") huldigten den Byrds erneut am überzeugendsten.