Campino ist leidenschaftlicher Fan des FC Liverpool. Aber auch von Fortuna Düsseldorf. Wie das geht, erklärt er in seinem biografischen Buch.
Seinen Verein kann man sich nicht aussuchen. Der Verein sucht dich aus." Das ist einer der berühmtesten Sätze von Nick Hornby aus dem berühmtesten Fußball-Roman „Fever Pitch". Doch im Sport und im Fußball sind manche Dinge erlaubt, die im Leben und der Liebe nicht erlaubt wären. Zum Beispiel zwei Lieben zu haben. Zwei gleich große, eigenständige Lieben. Grundsätzlich ist das bei den meisten Fußball-Fans so, doch sind die beiden Lieben dann meist der kleine Heimatverein auf der einen und ein großer Proficlub auf der anderen Seite. Sind es zwei Proficlubs, ist man meist von einem Fan und hat einen Zweitclub, den man ganz sympathisch findet. Den SC Freiburg zum Beispiel. Oder St. Pauli. Zwei Profivereine nahezu ebenbürtig zu lieben, von beiden echter Fan zu sein, das gibt es selten. Aber es ist möglich. Unter einer Bedingung: Die beiden Vereine müssen aus Parallel-Welten stammen und dürfen sich idealerweise nicht begegnen. Du kannst nicht Bayern- und gleichzeitig Frankfurt-Fan sein. Nicht Köln und Dortmund gleichermaßen lieben. Aber Du kannst zum Beispiel den FC Liverpool und Fortuna Düsseldorf in dir tragen.
Frag nach bei Campino. Der Sänger der Punk-Band Die Toten Hosen liebt diese beiden Vereine seit Jahren heiß und innig. Und so manch einer fragt sich, wie das geht. Eine ziemlich gute Erklärung dafür findet sich in vielen Zeilen von Campinos zurecht sehr erfolgreichem Buch „Hope Street: Wie ich einmal englischer Meister wurde". Das mit den Parallel-Welten stimmt natürlich, denn Düsseldorf und Liverpool haben sich bis heute nie in einem Pflichtspiel gegenübergestanden. Aber bei Campino kommt noch hinzu, dass in seinen Adern zweierlei Blut fließt. Sein Vater ist Deutscher, seine Mutter ist Engländerin. Und als er im Buch über seine Liebe zum FC Liverpool nachdenkt, schreibt Campino: „Erst spät habe ich begriffen, dass ich da nicht nur zu Fußballspielen fahre. Unterbewusst habe ich auf diesen Reisen mein Englischsein ausgelebt, mein Bedürfnis, dazuzugehören und es fühlen zu können."
Dem LFC reist er häufig hinterher
Dass es gerade der FC Liverpool wird, liegt wohl an der später auch in Hamburg spielenden „Zaubermaus" Kevin Keegan. Jedenfalls verliebt sich Campino schon als Kind unsterblich in die „Reds". In seine 47. Saison als Fan gehe er nun, schreibt er im Buch. Und er ist wirklich fanatisch. Er hat eine Dauerkarte, reist so oft wie möglich zu Heimspielen und auch zu Auswärtsspielen, in der Liga und im Europacup. Sogar zur Club-WM nach Katar. Als Kind nimmt er im Radio Fangesänge der Liverpool-Fans auf, und noch heute trägt seine Liebe zum LFC auf herrliche Art und Weise kindische Züge. Nach dem coronabedingten Saison-Abbruch im März kompensiert Campino den Entzug von seiner Liebe, indem er stundenlang Videoclips alter Spiele und sogar Partien in kompletter Länge anschaut. Und indem er sein altes Tipp-Kick-Spiel aus dem Keller holt und die noch ausstehenden Spiele Liverpools in dieser Saison vorausspielt, in der die Reds unter Trainer Jürgen Klopp nach dem Champions-League-Sieg im Vorjahr endlich auch den ersten Englischen Meistertitel seit 30 Jahren holen.
Doch wie kann jemand, der einen Verein so heiß und innig liebt, noch echter Fan eines anderen Clubs sein? Die Antwort ist: Die Fortuna bedient nicht nur analog die deutsche Seite Campinos, sondern vor allem seine Düsseldorfer Seele. Er ist in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens geboren und ihr bis heute eng und innig verbunden. Doch sowohl zur Stadt als auch zur Fortuna sei es „keine Liebe auf den ersten Blick" gewesen, berichtete Campino: „Es hat lange gedauert, bis wir zueinanderfanden." Und seine Düsseldorfer Sport-Liebe ist zunächst die Düsseldorfer EG. Eishockey statt Fußball, die Abgrenzung ist noch logischer. Zur Fortuna zieht es Campino zunächst gar nicht, was nachvollziehbare Gründe hat. Zwischen Punks und Fußball-Hooligans gibt es in den 80ern eine große Rivalität, und die Hosen als zunächst regionale Punk-Größe sind vielen ein Dorn im Auge. Die Fortuna-Hools hätten gewusst, „wo sie uns finden konnten", schreibt Campino: „Manchmal statteten sie uns einen Besuch ab, was mal mehr, mal weniger gut ausging. Man wusste nie, wie sie gerade drauf waren. Einmal tranken sie mit uns, ein anderes Mal gab es Ohrfeigen." Erlebnisse dieser Art trugen laut Campino „dazu bei, dass ich für deutschen Fußball und somit auch für die Fortuna keine großen Sympathien hegte. Meine Gefühle zum englischen Fußball blieben davon unberührt, obwohl deren Krawallmacher einen weitaus schlimmeren Ruf hatten. Doch die waren weit weg und hatten mit meinem Alltag nichts zu tun."
„Nicht monogam, aber treu"
Doch seine Bandkollegen Andi und Breiti sind eingefleischte Fortuna-Fans. Und sie geben Campino sogar einmal die Liebe zum Fußball zurück. Er hatte sich von ihm abgewendet nach der Katastrophe von Heysel, als 1985 vor dem Endspiel im Europapokal der Landesmeister zwischen Liverpool und Turin 39 Menschen starben. Er habe damals „vom Fußball erst mal nichts mehr wissen wollen", schreibt er: „Aber er ließ mich eben doch nicht los. Über die Jahre kehrten die Gefühle wieder zurück. Das hatte auch mit meinem Heimatverein Fortuna Düsseldorf zu tun, mit dem die Toten Hosen immer enger zusammenwuchsen."
Bei der Tour 1988 verlangen die Hosen für jedes verkaufte Ticket zusätzlich eine „Fortuna-Mark", weil sie dem in die 2. Liga abgestiegenen Traditionsclub einen neuen Spieler kaufen wollen. Etwa 150.000 Mark kommen zusammen, ein Grundstock für den Kauf des Spielers Anthony Baffoe, der daraufhin sagt: „Mein rechtes Bein gehört den Toten Hosen." Anfang des Jahrtausends wird die Band sogar zum Haupt- und Trikotsponsor. Heute sind die Hosen Ehrenmitglieder der Fortuna. „Wir sind Fortunen, wir gehören zur Familie, und das fühlt sich gut und richtig an", sagt Campino dazu.
Seine beiden Lieben fasst Campino so zusammen: „Ich bin vielleicht nicht monogam, aber ich bin treu." Das alles ändert nichts daran, dass die Liebe zu Liverpool die wahrscheinlich größere, weil einfach gewachsenere ist. „Wenn ich zur Fortuna gehe, besuche ich ein Familientreffen", sagt Campino: „Liverpool ist das Date mit meiner großen Liebe."