Einige Kult-Vereine scheiterten auch 2020 wieder an den riesigen Erwartungen des Umfelds – und an sich selbst. FORUM stellt die größten Sorgenkinder vor.
Was wurde in den vergangenen Jahren nicht alles über den Hamburger SV gespottet und gelacht. Der HSV gilt als Sinnbild für jahrelange Misswirtschaft und das Ausruhen auf den Erfolgen vergangener Tage. Wirft ein Verein mal wieder überhastet seinen Trainer raus oder trifft kaum nachvollziehbare Entscheidungen, wird oft der Club aus dem Norden als Vergleich herangezogen. Doch auch im gerade zu Ende gegangenen Jahr zeigte sich wieder, dass der HSV mit schlechten Entscheidungen und haarsträubenden Leistungen auf dem Platz längst nicht allein da steht. Die Hanseaten spielten um den Aufstieg in die Bundesliga. Vor der Saison wurde hierfür Daniel Thioune verpflichtet. Der ehemalige Osnabrücker Übungsleiter sollte einen anderen Flair in den Norden bringen.
Doch warum war das überhaupt wieder nötig? Seit dem Abstieg im Mai 2018 saßen insgesamt vier Trainer auf der Bank des HSV. Christian Titz wurde abgesägt, obwohl er auf einem Aufstiegsplatz stand, Hannes Wolf übernahm. Die Mannschaft landete letztlich auf dem vierten Platz und bleib weiterhin zweitklassig. Auf den für viele zu unerfahrenen Wolf folgte das absolute Gegenteil Dieter Hecking. Hecking sollte die Nordstädter mit seiner Ruhe in die Erste Liga führen – und scheiterte noch krachender als Wolf. Nicht vom Tabellenplatz, sondern mit der Art und Weise. Im eigentlich entscheidenden Spiel beim 1. FC Heidenheim führte die Hamburger-Mannschaft mit 2:0, ehe sie dann noch mit 3:2 verlor und Heidenheim in die Aufstiegsrelegation marschierte. Hecking, der mittlerweile Sportdirektor des 1. FC Nürnberg ist, räumte mehr oder minder freiwillig das Feld, sein Nachfolger Daniel Thioune scheint auch in der aktuellen Saison mit der fehlenden Konstanz des HSV und dem unruhigen Umfeld zu kämpfen zu haben.
Hoffnung beim HSV, Ratlosigkeit auf Schalke
Dennoch – der HSV spielt im Gegensatz zu den anderen Traditionsclubs eine bisher gute Saison und hat noch alle Chancen, seine Ziele zu erreichen. Weit entfernt von einer ordentlichen Saison ist derzeit der FC Schalke 04, obwohl die Knappen derzeit auf Rekordjagd sind – sie sind auf dem besten Weg, den Sieglos-Rekord von Tasmania Berlin zu brechen. Der letzte Saisonsieg gelang den Schalkern gegen Mönchengladbach im Januar 2020. Schalke war schon immer ein unruhiger Club, aber seit der Vizemeisterschaft unter Domenico Tedesco geht es stetig bergab. Doch der Reihe nach. Zur Saison 2017/18 wurde Markus Weinzierl durch Tedesco als Cheftrainer ersetzt. Mit einem Alter von lediglich 31 Jahren stellte Domenico Tedesco einen Rekord als jüngster Trainer der bisherigen Schalker Vereinsgeschichte auf, die Hoffnungen in das Trainertalent waren groß. Unter Tedesco gelang Schalke im Revierderby bei Borussia Dortmund die historische Leistung, einen Vier-Tore-Rückstand aufzuholen.
Am Ende der Saison wurde der FC Schalke 04 mit 21 Punkten Rückstand auf den FC Bayern München Vizemeister und qualifizierte sich für die Uefa Champions League. Im DFB-Pokal schied man im Halbfinale gegen den späteren Pokalsieger Eintracht Frankfurt aus. Da schien die königsblaue Welt noch in Ordnung.
Der Start in die Saison 2018/19 war dann der Beginn einer Talfahrt. Die ersten fünf Spiele wurden verloren, nach dem krachenden Aus in der Champions League gegen Manchester City musste Tedesco seinen Hut nehmen. Es übernahmen „Jahrhunderttrainer" Huub Stevens und „Eurofighter" Mike Büskens. Bereits am 23. Februar trat Christian Heidel als Sportvorstand zurück und wurde durch Jochen Schneider ersetzt, der heute immer noch im Amt ist. Am Saisonende belegte der Verein mit 33 Punkten den vierzehnten Tabellenplatz und blieb damit weit hinter den Erwartungen zurück. Als Mann, der die Königsblauen zurück zu alter Stärke führen sollte, wurde David Wagner ausgewählt. Die Hinrunde beendete der neue Trainer mit seiner Mannschaft auf dem fünften Tabellenplatz, danach folgte die schlechteste Rückrunde der Vereinsgeschichte. Zu Beginn der aktuellen Saison war auch für Wagner Schluss, für ihn übernahm Manuel Baum. Auch unter ihm gelang den Knappen kein Saisonsieg. Kurz vor Weihnachten sprang Huub Stevens ein, auch er verlor. Nun soll Christian Groß retten, was eigentlich nicht mehr zu retten ist. Auch weil der Verein nicht zur Ruhe kommt, die Corona-Pandemie reißt ein Loch in die sowieso klammen Kassen des Vereins.
Von klammen Kassen kann der 1. FC Kaiserslautern auch ein Lied singen. Wie so oft wurde auch vor dieser Saison der erneute Angriff auf die Aufstiegsplätze versprochen, selbst nach bescheidenem Start verwiesen Vorstandmitglieder darauf, dass noch alles möglich sei. Jeff Saibene grätschte vor einigen Wochen dazwischen und rief den Abstiegskampf aus – Geschlossenheit sieht anders aus. In diesem Jahr wurde auch die mittlerweile längst erwartete Insolvenz abgeschlossen, die einige Gläubiger ein hübsches Sümmchen Geld kostete. So zum Beispiel die SG Dynamo Dresden oder Sonnenhof Großaspach, die auf vereinbarten Ablösesummen sitzen blieben.
In den Kader investiert wurde trotzdem munter. Dass der FCK trotz der Insolvenz auf dem Transfermarkt aktiv werden und namhafte Spieler wie Marvin Pourié, Marlon Ritter, Adam Hlousek und Tim Rieder verpflichten konnte, lag vor allem an den generierten Transfererlösen. Fair finden das die anderen Vereine aus der Liga nicht – ändern können sie es aber auch nicht. Ob durch die abgeschlossene Insolvenz nun Ruhe und sportlicher Erfolg an den einst so erfolgreichen Betzenberg zurückkehrt, darf bezweifelt werden.
Tristesse in Duisburg und Kaiserslautern
Auf der Suche nach Erfolg ist derzeit auch der MSV Duisburg. Bis März waren Torsten Lieberknecht und der MSV Duisburg auf dem besten Weg zurück in die 2. Fußball-Bundesliga. Dann kam Corona und der große sportliche Absturz. Seit dem Re-Start lief nichts mehr für die Zebras zusammen, in der neuen Saison dümpeln sie in den hinteren Tabellenregionen herum, teilweise standen sie sogar auf einem Abstiegsplatz. Die neuerliche Trainerverpflichtung stieß bei den Fans auf wenig Gegenliebe. Gino Lettieri war nämlich schon einmal Cheftrainer in Duisburg. Auf die Kritik reagierte er aber mit deutlichen Worten: „Ich frage mich immer: Wie will ein Mensch über mich urteilen, wenn er mich gar nicht kennt? Mir wurde vorgeworfen, dass ich nicht fannah und nicht kommunikativ oder charakterlich geeignet bin. Ich denke aber zum Beispiel daran zurück, dass ich nach meiner ersten Amtszeit noch mal zurück nach Duisburg zu den Fans musste, die mich verabschieden wollten, nachdem ich nicht mehr Trainer war. Außerdem kam der Aufstieg nicht von allein. Daher kann ich solche Anschuldigungen nicht einfach so stehen lassen", machte Lettieri deutlich. 2015 hatte er die Zebras zum Zweitliga-Aufstieg geführt. Dennoch hat der Verein auch schon länger finanzielle Probleme, selbst als kurzzeitig Zuschauer zugelassen waren, bekam der MSV nicht genug Zuschauer ins Stadion, um ausverkauft zu melden. Die Beispiele zeigen: Tradition bringt keinen sportlichen Erfolg. Im Profifußball braucht es klare Ausrichtungen, gute Trainer und vor allem – viel Geld.