Die Pandemie setzt gerade den Tagungs- und Kongresshotels besonders zu. Viele mussten aufgeben, andere haben sich gründlich umgestellt und Vorkehrungen getroffen.
Deutschlands größtes Kongress- und Tagungshotel, das „Estrel" in Berlin-Neukölln, hat gerade in einen Anbau investiert, der den Kongressbereich noch einmal um 5.000 Quadratmeter vergrößert. Das Projekt wurde trotz Corona-Krise durchgezogen. Keine Angst vor dem Risiko, dass keiner mehr kommt? Hotel-Chefin Ute Jacob setzt auf die Zukunft: „Wir haben bewiesen, dass Präsenzveranstaltungen mit größtmöglicher Sicherheit problemlos durchführbar sind." So im September der FDP-Parteitag mit rund 800 Teilnehmern, eine Tagung von Immobilienverwaltern und die Formel E. Ute Jacob: „Da haben wir eine Woche 1.000 Teilnehmer im Haus gehabt – und das ganz ohne Corona-Ausbruch."
Sie baut auf ihr Hygienekonzept: keine einzige Tür mehr, die von Hand geöffnet werden muss, vergrößerte Gangbreiten, Einbahnsysteme für die Laufwege, riesige Abstände zwischen den Sitzplätzen, am Eingang eine Schranke, die automatisch Fieber misst, und Schnelltests. Und sie ist überzeugt, dass man sich eher ansteckt, wenn man mit Verwandten stundenlang im engen Wohnzimmer sitzt als bei ihr im Hotel. Alle Fakten sprächen dagegen, dass Häuser wie ihres die Pandemie begünstigten. Doch seit dem Herbst hagele es Absagen, bis in den Mai 2021, klagt sie im Interview mit der „Wirtschaftswoche". Und dann noch der Lockdown, Ute Jacob ist sauer. Die Politik habe den Menschen Angst gemacht. „Im Frühling hieß es, wir müssen einen Weg finden, mit der Pandemie zu leben, weil sie uns noch länger begleiten wird. Genau dafür haben wir, also nicht nur das ‚Estrel‘, sondern die gesamte Veranstaltungsbranche, die Vorkehrungen getroffen. Wir haben es möglich gemacht. Und dann sagt die Bundeskanzlerin einfach: Bleiben Sie am besten zu Hause!"
„Die Politik hat den Menschen Angst gemacht"
In der Tat haben nicht wenige Tagungshotels sich auf die neue Situation einzustellen versucht: kontaktloser Check-in, enger getaktete Reinigungszyklen, besondere Konzepte für die Restaurant- und Veranstaltungsbereiche, Hotelzimmer, die komplett ausgestattet als Homeoffice zu nutzen sind; Konferenzsäle mit riesigen Videowänden, die technisch einwandfreie Konferenzen über das Internet ermöglichen, auch auf internationaler Ebene, und so hybride Tagungen möglich machen. Das bedeutet: Ein Teil der Teilnehmer tagt im Hotel, die anderen sind von außen zugeschaltet.
Doch viele Häuser mussten auch aufgeben: In Berlin schloss das „Maritim" seinen Veranstaltungsbereich, das „Sofitel" in der Nähe des Kurfürstendamms ist pleite. Während die touristischen Anbieter wenigstens im Sommer vom Fremdenverkehr profitieren konnten, verloren die innerstädtischen Business-Hotels dramatisch an Gästen. Nach offiziellen Angaben sanken die Übernachtungszahlen im ersten Halbjahr 2020 um rund 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders drastisch war die Lage im April: Hier betrug der Rückgang fast 90 Prozent.
Erst 2022 erholt sich der Markt für Geschäftsreisen
Dabei war Deutschland einmal der bedeutendste Hotelmarkt Europas für Geschäftsreisen, der größte Messestandort weltweit und der zweitwichtigste Kongressmarkt. In den vergangenen Jahren war die Zahl der Geschäftsreisenden stetig gestiegen. Doch die Corona-Pandemie setzte dem ein jähes Ende. „Es ist eine sehr schwierige Lage", sagt Hotel-Expertin Silvia Horn von der Beratungsgesellschaft BBE Handelsberatung. Die durchschnittliche Zimmerbelegung in der deutschen Hotelbranche habe 2019 bei 71 Prozent gelegen. „Im Zeitraum bis Juli verzeichnet die Branche 38 Prozent. Das lässt sich nicht einfach ausgleichen." Dazu komme, dass der jährliche Umsatz von zwei Dritteln der Hotelleriebetriebe unter einer Million Euro liege – da sind die Rücklagen schnell aufgebraucht. Auch wenn es an der Auszahlung noch hapert, derzeit sollen Hotels und Gaststätten immerhin 75 Prozent des Umsatzes bekommen, der im gleichen Monat ein Jahr zuvor erzielt wurde. Das galt für November und Dezember. Für 2021 ist noch nichts endgültig entschieden. Und selbst bei einer zeitnahen Rückkehr zur Normalität ist frühestens 2022 damit zu rechnen, dass der Geschäftsreisemarkt in Deutschland das Niveau von 2019 erreicht, heißt es beim Zentralen Immobilienausschuss (ZIA).