Mit Alfred Holzwarth ist ein Urgestein saarländischer Sozialdemokratie und Politik gestorben. Er war einer der Ideen- und Einflussreichsten im Land und hat nachhaltige Spuren hinterlassen.
Im Übergang in das neue Jahr ist Alfred Holzwarth gestorben. Vielen ist er als Toto- und Spielbankdirektor in Erinnerung, anderen als Chef der Saarbrücker Parkhäuser oder als Kommunalpolitiker. Er, der so viele gesundheitliche Katastrophen überstanden hatte, musste sich – gerade 89 geworden – der tödlichen Krankheit beugen.
Er ackerte auf vielen Feldern. Als Direktor von Toto, Lotto und Spielbank gehört er zweifellos zu den großen Nummern. Sein Prinzip, besser zu investieren als Abgaben bezahlen, trug reife Früchte. Er modernisierte und erweiterte das Spielbank-Imperium. Seine Fähigkeit, Interessen zu erkennen und zu bündeln, brachte ihn unter anderem mit Hartmut Ostermann zusammen.
Die Verlagerung der Spielbank mit dem großen Spiel von der Saarlandhalle in das Deutschmühlental verknüpfte er mit dem Vorschlag, das dort siechende Parkhotel durch ein modernes Haus zu ersetzen und damit auch dem DFG ein neues Glanzlicht zu geben. So entstand nahe der Deutsch-Französischen Grenze das Domizil von Victor’s und in der Folge das bis heute andauernde Unternehmens-Engagement vor allem für den saarländischen Sport.
Besonders gelungen schien Alfred Holzwarth sein 30-Millionen-Projekt Schloss Berg in Perl-Nennig. Der Gedanke, das Schullandheim Schloss Berg, das nicht mehr zeitgemäß erschien, mit einer Dependance der Spielbank zu erweitern und zum Hotel mit Gastronomie umzubauen, wurde erst dann zum Erfolg, als er erneut Hartmut Ostermann ins Spiel brachte und der mit Victor’s Residenzhotel Schloss-Berg eines der besten Hotels in der Region baute.
In Alfred Holzwarths Elternhause hingen keine Gainsboroughs, wurde auch kein Chopin gespielt. Mit 16 zog er aus, schlug sich durch, lernte Kaufmann, arbeitete als Straßenbahner, ging Ende der 50er zur Sparkasse und wechselte 1965 als Direktionsassistent zu den Stadtwerken Saarbrücken. Dann residierte er im Lampertshof und Haus Berlin als Parkhaus-Chef. Aus dem Wechsel der Landesregierung im Jahre 1985 resultierte auch sein Sprung an die Spitze der Saarländischen Sporttoto-GmbH. Hier hatte er nun Spielräume für seine Kreativität und seinen Gestaltungsdrang.
Außergewöhnlicher Drang zu Aktivitäten
Politisch war er ein unbeirrbarer Sozialdemokrat. Als Straßenbahnfahrer war er der SPD beigetreten. Er machte die oft geschmähte und doch so segensreiche „Ochsentour", engagierte sich bei den Jungsozialisten, dann im SPD-Ortsverein Malstatt, der auch der meine war und ist, wurde stellvertretender Vorsitzender, dann Vorsitzender und bei Oskar Lafontaine und mir Schatzmeister des Kreisverbandes (Unterbezirk hieß es damals noch) Saarbrücken der SPD. Er legte besonderen Wert auf die Betriebsgruppenarbeit, Vorläufer der späteren AfA (Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen). Er begriff die Partei als schützenswerten Organismus, er wusste um den Wert der Organisation. Seine Loyalität galt zuerst ihr, dann erst den handelnden Personen. Trotz mancher Irritationen blieb er in der SPD, seiner Partei.
Nach der Gebietsreform 1974 gehörte er viele Jahre dem Stadtverbandstag (heute Regionalverbandstag) an, zeitweise als ehrenamtlicher Beigeordneter. Er gehörte zu der verschworenen Schar, die damals Pläne, das alte Stengelschloss wiederaufzubauen, zu Fall brachte und den Weg bereitete für den architektonischen Geniestreich Gottfried Böhms, der dafür dann gern auch noch ein Parkhaus in der Talstraße entwarf. Da Holzwarth dessen Fassade als zu kahl empfand, organisierte er kurzerhand einige Kübel, in die er Bäume setzen ließ. Und nicht wenigen wird der Keller in den Felsen in Erinnerung sein, der auch als privates Weinlager diente und einen großen Tisch für freundliche Begegnungen in der Mitte hatte.
Oskar Lafontaine und ich verdanken ihm viel. Mitte der 60er-Jahre wurden wir an die Spitze der Saarbrücker Jungsozialisten gewählt. Alfred Holzwarth arbeitete als Direktionsassistent bei den Saarbrücker Stadtwerken für Karl-Heinz Schneider, Vorsitzender der Saarbrücker Sozialdemokraten. Holzwarth hatte einen Blick für die Neuen. Er lud uns zum Essen in „Addis Hinkelsnest" in der Brückenstraße ein. Die Spitzenrestaurants waren damals noch nicht angesagt. Daraus wurde eine über Jahrzehnte reichende Zusammenarbeit und Freundschaft. So gesehen sind wir beide seine Zöglinge.
Sein Aktivitätsdrang war außergewöhnlich. Es gab Zeiten, in denen sich die Saarbrücker Sozialdemokraten zum (unpolitischen) Schlachtfest im Ostertal versammelten, wo Holzwarth und Schneider Wochenendhäuser besaßen. Während die über Nacht gebliebenen noch tief schliefen, war er schon längst wieder aktiv, räumte auf, kochte Kaffee und entwickelte Vorschläge für die nahe und fernere Zukunft.
Zu seinen selbst genehmigten Privilegien gehörte es, stets unangemeldet zu erscheinen, ob im Büro oder zu Hause, selbst im Urlaub in Irland tauchte er plötzlich auf, um eine Woche lang über Pläne zu sprechen, zu angeln und Skat zu spielen.
Sein Lebenslauf ist nicht nur der Aufstieg eines Begabten ohne Gymnasium und Studium, es ist auch ein Beispiel des sozialdemokratischen Ideals der Durchlässigkeit der Gesellschaft, für das Glück des Tüchtigen. An seinem Beispiel lassen sich aber auch die aktuellen Probleme der SPD erkennen. Sein erstes Haus in der Malstatter Wiesenstraße lag direkt neben den großen Wohnblöcken der Saarbrücker Siedlungsgesellschaft in den Leipziger Wiesen. Er lebte dort in engem Kontakt mit den Menschen, die ihn gerne wählten. Seine beruflichen Erfolge ermöglichten ihm dann einen großzügigeren Lebensstil auf dem bürgerlichen Homburg in St. Johann und als Nächstes ein Ferienhaus in Spanien, das für ihn im Ruhestand zur zweiten Heimat wurde.
Als Kommunikator beziehungsweise Netzwerker, wie die modernen Begriffe lauten, war er nicht zu übertreffen. Immer wieder führte er Menschen zusammen, vermittelte Gespräche, organisierte Runden – gerne Skat, wobei es ihm mehr um das allgemeine Vergnügen als ums Gewinnen ging.
Er angelte mit Leidenschaft, betreute stolz einen Weiher im Steinbachtal und ging auf die Jagd. Er tat auch dies mit Erfolg, reichte vom Erbeuteten gerne weiter.
2019 starb seine Frau Gisela, bescheiden und charakterstark, die Gefährtin an seiner Seite, die ihn erdete. Den beiden wünschen wir, dass es ein Jenseits gibt, in dem sie wieder zusammen sein können.