Der Regisseur, Fotograf und Produzent unterstützt seit Jahrzehnten die nachfolgende Filmgeneration. Wim Wenders bekommt für seine Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film den Ehrenpreis beim 42. Filmfestival Max Ophüls Preis.
Mehr als 60 Filme hat Wim Wenders bis heute gedreht und wurde für sein Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mehrfach mit den Hauptpreisen in Cannes, Berlin, Venedig und Locarno. Dreimal wurde er schon für den US-Filmpreis Oscar nominiert („Das Salz der Erde", 2015; „Pina", 2011; „Buena Vista Social Club", 2000). Besonders an seiner Arbeitsweise ist, dass er einen guten Blick für junge Filmemacher hat und stets den Mut beweist, dem Nachwuchs wichtige Aufgaben bei seinen Projekten anzuvertrauen. „Max Ophüls Preis"-Festivalleiterin Svenja Böttger benennt, dass der inzwischen 75-Jährige „seine reichhaltige Erfahrung und seine offiziellen Aufgaben dafür einsetzt, junge Filmschaffende in ihrem kreativen Bestreben mit allen Mitteln zu unterstützen – sei es durch künstlerische Einbindung ins eigene Werk, durch Vermittlung oder die Vergabe von Stipendien."
Die Stiftung fördert unabhängige Ideen Filmschaffender
Wenders Projekte zur Förderung junger Talente sind vielfältig. In seiner Geburtsstadt Düsseldorf verleiht die Wim Wenders Stiftung zusammen mit der Film- und Medienstiftung NRW seit 2012 das „Wim Wenders Stipendium". Das Stipendium, das jährlich mit einer Gesamtsumme von 100.000 Euro ausgelobt wird, ermöglicht jungen Filmemachern und Filmemacherinnen eine unabhängige Entwicklung ihrer filmischen Ideen. „Es war mir eine Ehre, Wim Wenders beim Aufbau der Stiftung unterstützen zu dürfen und mit ihm die Stipendien auszuloten", sagt Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW. Im Dezember 2020 wurden zum siebten Mal die Stipendiaten bekannt gegeben. „Mich freut es ungemein, dass wir mit dem Stipendium gerade in dieser schwierigen Zeit für das Kino beitragen, den ausgezeichneten Filmemachern die nötige Zeit und den Handlungsspielraum zu gewähren, um ihre Projekte voranzutreiben", sagt Wim Wenders. Mehr denn je brauche das Medium Film neue Präsentationsformen, um das Kino zu stärken, fügt er hinzu. Die nun geförderten Projektideen wären „ideenreich und außergewöhnlich", sagt Petra Müller.
In den Genuss eines fünfstelligen Euro-Betrages kommen unter anderem der Film „Aus-Länder", in dem die Regisseurin Loreto Quijada über Migration erzählt, Christian Zipfels Drama „Pestizid", in dem er eine fragile Liebe zweier Menschen thematisiert, und „Stille Beobachter" von Eliza Petkova und Constanze Schmitt, die für ihren Film die Perspektive von Tieren eingenommen haben. Die Filmemacher sind noch unbekannt – aber dank der Unterstützung des Wim-Wenders-Stipendiums sieht ihre Zukunft vielversprechend aus. Denn einige Stipendiaten der vergangenen Jahre sind inzwischen gut im Geschäft. So standen Produktionen wie „Draußen in meinem Kopf" (2018) von Eibe Maleen Krebs sowie „Lost in Face" (2020) von Valentin Riedl schon auf dem Programm des Filmfestivals Max Ophüls Preis und wurden am Ende sogar mit Preisen bedacht. „Immer mehr Filme von ehemaligen Stipendiaten sind erfolgreich auf Festivals und im Kino gelaufen", sagt Hella Wenders, Geschäftsführerin der Stiftung und Nichte von Wim Wenders. Er bezieht auch immer wieder junge Filmschaffende direkt in seine Dreharbeiten ein, erzählt sie. So sei ihm zum Beispiel bei einem Werbefilm einst Franz Lustig aufgefallen. Als Kamermann war er für die Lichtsetzung verantwortlich. Wenders war von Lustigs Arbeit so angetan, dass er ihn für seinen nächsten Langfilm ins Team holte, obwohl Lustig selbst noch unerfahren war bei einem so großen Projekt. Aber Wenders Gespür war richtig. Lustig wurde für mehrere Preise nominiert und gewann im Jahr 2005 den Europäischen Filmpreis für die Beste Kamera in Wim Wenders Regiearbeit „Don’t Come Knocking". Franz Lustig ist inzwischen ein begehrter Kameramann für Werbung und Film.
Auch als Wim Wenders „Pina" (2011) drehte, entdeckte er ein Talent. Maxine Goedicke war Hospitantin für den Filmschnitt. „Ihm war die damals 22-Jährige aufgefallen, und er übertrug ihr die Aufgabe, probeweise eine der Filmszenen eigenständig zu schneiden", erzählt Hella Wenders. Als er sich eine Woche später das Resultat angeschaut hat, sei er über die hohe Qualität des Schnitts überrascht gewesen. „Der Schnitt hatte Rhythmus und die Auswahl der Kamerawinkel war durchgehend optimal." Wim Wenders hat Maxine Goedicke anschließend den Schnitt für „Das Salz der Erde" (2014) und „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes" (2018) anvertraut. Sie ist seitdem Cutterin zahlreicher nationaler und internationaler Filme.
Sein Lehrfach an der HFBK Hamburg hieß „Digitales Kino"
Wie wichtig Wim Wenders die Förderung des Nachwuchses ist, zeigt er auch als Lehrender. Er war insgesamt 15 Jahre lang an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg tätig. Sein Lehrfach hieß „Digitales Kino". „Er hat in dieser Zeit mehr als 100 Studierende betreut", so Hella Wenders. Auch an der Hochschule für Fernsehen und Film München war Wim Wenders als Lehrender tätig. Ein besonderes Projekt aus dieser Zeit ist der Film „Die Gebrüder Skladanowsky" (1995). Es ist eine Hommage an die Brüder, die im Jahr 1895 in Berlin ihre Kurzfilme zeigten und so die Geburtsstunde des Kinos markierten. Mitarbeitende an diesem Film waren Jung-Regisseure wie Veit Helmer, German Kral und Florian Gallenberger, die inzwischen im Filmgeschäft Karriere gemacht haben.
Viele seiner Filme (zum Beispiel „Pina" und „Papst Franziskus") produziert Wim Wenders als Geschäftsführer der Firma Road Movies in Berlin. Zu deren Aufgaben gehört auch die Realisation von Projekten aufstrebender Talente. Mehrere Erstlingsfilme wurden produziert, zum Beispiel „Halbe Miete" von Marc Ottiker (2002), „Egoshooter" der Regisseure Christian Becker und Oliver Schwabe (2004) sowie Sonia Kennebecks „National Bird" (2016). Kürzlich hat Wim Wenders mit Road Movies „A Black Jesus", den ersten Langfilm in dokumentarischer Form des Autors, Regisseurs und Kameramanns Luca Lucchesi fertiggestellt. Lucchesi war seit 2007 bei vielen Projekten von Wenders Assistent und auch als Kameramann für ihn tätig.
Wenders verfolge, so sagt die Leiterin des Filmfestivals Max Ophüls Preis, „seit mehr als einem halben Jahrhundert seine künstlerische Version und verknüpft sein Wirken auf einzigartige Weise mit jedem der nachfolgenden Generation."