Spannende Geschichte gepaart mit einer bezaubernden Landschaft – das erwartet Besucher bei einem Streifzug durch den Glienicker Schlosspark.
Natürlich! Zunächst zur Glienicker Brücke! Wer vom Berliner Zentrum aus nach Potsdam fahren will, sollte hier anhalten und diese Konstruktion fußläufig bestaunen. Sie hat eine eigene Bushaltestelle. Die Glienicker Brücke überspannt die Havel, markiert in ihrer Mitte die Grenze zwischen Berlin und Brandenburg und bietet beste Aussichten auf die umliegenden Parklandschaften zu allen Seiten.
Erstmals verband zum Ende des 17. Jahrhunderts eine schmale Holzbrücke die Potsdamer Schlösser mit den Jagdgründen auf der anderen Havelseite, ein späterer Bau wurde als „plumpe Eisenkonstruktion" geschmäht, aber die Geschichte sollte der Brücke trotzdem noch einen besonderen symbolischen Charakter verleihen. Als die Querung nach der Kriegszerstörung 1949 als „Brücke der Einheit" wieder eröffnet wurde, war es mit der Einheit Deutschlands eigentlich schon vorbei. Später markierte ein weißer Strich die unüberwindbare Grenze zwischen Westberlin und der DDR, berühmt wurde die Glienicker Brücke als abgeschirmter Ort des Agentenaustauschs zwischen den beiden Machtblöcken. Kein Wunder, dass ihr 1998 eine eigene Briefmarke gewidmet wurde und sie viele Jahre später als eindrucksvolle Kulisse des Films „Bridge of Spies – Der Unterhändler" diente. Und in den Filmarchiven zur deutschen Wiedervereinigung hat sie einen festen Platz. Auf dieser berühmten Brücke sollte man also zumindest einmal gestanden haben.
Wer sich nun umdreht und zurück auf das Berliner Havelufer schaut, wird entdecken, woran er fast vorbeigefahren wäre: den wundervollen Landschaftspark Klein Glienicke. 1841 schrieb Helmuth Graf von Moltke an seine spätere Frau: „Gewiss ist der Glienicker Park einer der schönsten in Deutschland. Es ist unglaublich, was die Kunst aus diesem dürren Boden gemacht hat." Dies gilt auch heute noch. Wer das weitläufig umzäunte Areal durch einen der vier Zugänge betritt, sieht eine andere Welt. Nicht märkische Heide, nicht märkischer Sand erwarten den Besucher, sondern eine groß angelegte Landschaft voller Anmut und Wildheit. Ist es ein Park oder ein Wald? Es ist beides. Wer das Gelände unweit der Glienicker Brücke von der Südseite her betritt, wird zunächst staunend vor der Fassade eines mächtigen Baus verharren, der auf den ersten Blick nicht wie ein Schloss aussieht. Zwar verweisen die Löwenfontäne und die Figuren der Medici-Löwen davor auf Wohlstand und Prunk, das Gebäude selbst ähnelt aber einer großzügig errichteten italienischen Villa.
Prinz Carl baute ein Sommerschloss
Und genau so wollte es Prinz Carl von Preußen (1801–1883) mit seinem Sommerschloss haben, denn alles, was ihn an Italien und die Antike erinnerte, gefiel ihm über alles. 1816 hatte schon Karl August Graf von Hardenberg das bestehende Gut zu einem Schlösschen in einer parkähnlichen Landschaft anlegen lassen, 16 Hektar groß. Zwischen drei Hügeln und dichtem Wald erstreckte sich der Wiesengrund nach den Ideen englischer Vorbilder in der Landschaftsarchitektur, umgesetzt und weiterentwickelt von Peter Joseph Lenné. Prinz Carl aber, selbst ein Landschaftsgärtner aus Leidenschaft, war es, der über eine Dauer von 30 Jahren imposante Parkkultur schöpferisch entstehen ließ, geprägt von bedeutenden Künstlern wie Ludwig Persius und Karl Friedrich Schinkel. Im nördlichen Teil waldig, im südlichen Teil offen und weiter angelegt, bestimmt das südländisch Heitere die Atmosphäre des Schlossparks. Es sind wohl auch die verstreuten Gebäude und das als römische Villa im Landhausstil entworfene Schloss, die dem Ganzen etwas Leichtes geben.
Wer den Park nach Norden weiter erschlendert, trifft nach einiger Zeit auf die eiszeitlichen Hügel und den Wald. Die Stimmung wird germanisch. An schönen Ausblicken mangelt es gerade in diesem nördlichen Teil nicht. Breit geschwungene Wege führen zu überraschenden Sichtweisen. Der leichte Anstieg durch vorerst lichte Baumgruppen gibt den Blick frei auf sanfte Wiesen, ein wenig steiler, wilder ist die geplante Natur ein Stückchen weiter oben. Schaut man sich auf halber Strecke um, so scheint alles zu schweben, wenn die Sonne richtig steht. Und von oben dann der Blick auf die Havel und ihre stillen Buchten, an manchen Stellen breit wie ein See und doch ein Fluss.
Dies alles musste erst wieder hergestellt und restauriert werden. Nachlässige Erben, der Zweite Weltkrieg, Plünderungen, Versteigerungen des Inventars – die Verwahrlosung und allgemeines Desinteresse konnten durch gelegentliche Ausbesserungen nicht wirklich gestoppt werden. Ernsthafte Anstrengungen, um Gebäude und Park auf ursprünglichem Niveau wieder herzustellen, wurden erst ab Beginn der 80er-Jahre unternommen. Mit dem Fall der innerdeutschen Grenze rückte das weiträumige Areal wieder ins Zentrum der Berliner und Potsdamer Parks und Schlossanlagen. 1990 wurde das Areal in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen.
Malerisches Schloss auf der Pfaueninsel
Wer nun durch das nördliche Backsteintor den Park verlässt, um den Havelweg bis zur Pfaueninsel entlangzulaufen, wird sich einen Blick auf die Heilandskirche von Sacrow nicht entgehen lassen. An einer gegenüberliegenden Bucht, die den Havelfischern Schutz bot, ließ Friedrich Wilhelm IV. zwischen 1841 und 1844 das Gotteshaus errichten, auch dies im italienischen Stil mit separatem Campanile. Zu DDR-Zeiten von Mauern und durch die Havel laufende Grenze ins Abseits verbannt, gehört sie heute zu den wichtigsten Ausflugszielen des gesamten Ensembles.
Den Havelweg entlang nach Norden, links das Wasser, rechts dicht bewaldete Hügel und mittendrin Fußgänger und Radfahrer, um verständnisvolles Miteinander bemüht. Für viele, die hier für einige Stunden ihre Isolation in Corona-Zeiten durchbrechen können, sind dies aufheiternde Stunden. Andere meiden die Masse, für sie ist die frühe Stunde wohl die beste Zeit, die Natur fast ungestört zu genießen. Kleine Ferienhäuser, die versteckt auf einer kurzen Strecke des Ufers gegenüber stehen, stören hier nicht. Weit kann man schauen über das flache, saubere Havelwasser. Hin und wieder streicht ein kleines Segelboot vorbei, Ruderer, ein flacher Frachtkahn noch viel seltener. Wie gut auch, dass das Ufer der Havel durch dichtes Gehölz, Schilf und schlammigen Boden zumeist unzugänglich ist, von sandigen Buchten abgesehen. Von der Landschaft zu sehen ist mehr als genug, und beruhigend die Gewissheit für den, der die Ruhe sucht: Gelage am Gestade sind hier kaum möglich.
Schon bald rückt die Pfaueninsel ins Blickfeld, nur mit der Fähre zu erreichen, 1,5 Kilometer lang und 500 Meter breit. Mit ihren künstlich versteckten Ruinen und einem malerischen Schloss, das als Kulisse aus einem Märchenfilm errichtet zu sein scheint, dem Landschaftspark, der sich fast über die ganze Insel erstreckt, käme das nächste Ziel in Sicht. Das wäre noch am gleichen Tag zu schaffen. Aber eigentlich ist diese landschaftliche Perle einen eigenen Besuch wert, der eben so viel Zeit und Muße verdient wie der Glienicker Schlosspark. Das Auto sollte man zu Hause stehen lassen. Alles hier ist gut und schnell mit dem ÖPNV zu erreichen.