Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki unterstützt im FORUM-Interview den Vorstoß von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zum Umgang mit Geimpften. Zugleich kritisiert Kubicki Fehler und Versäumnisse von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Herr Kubicki, Außenminister Heiko Maas hatte von Privilegien für Geimpfte gesprochen und es wurde viel darüber diskutiert. Wie sehen Sie das - ist das der Einstieg in eine zwei Klassen Gesellschaft?
Zunächst: Es handelt sich hier nicht um Privilegien, sondern um Grundrechte. Mich stört sehr, dass wir unter dem Eindruck einer Pandemie eine Begründungsumkehr erleben. Denn nicht derjenige, der seine Freiheiten wiederhaben will, muss sich erklären, sondern die staatlichen Organe müssen jeden Tag aufs Neue erklären, warum den Bürgerinnen und Bürgern diese Rechte versagt werden. Wer geimpft und nicht mehr ansteckend ist, muss zwingend seine Grundrechte vollständig zurückerlangen. Alles andere wäre verfassungswidrig.
Eigentlich sollten Geschäfte, Gastronomie, Dienstleister und Co längst wieder geöffnet haben - nun die nächste Verlängerung des Lockdowns. Hält die Wirtschaft das noch lange aus?
"Die" Wirtschaft wahrscheinlich schon. Ich befürchte aber, dass viele kleine und mittlere Unternehmen die kommenden Wochen nicht überstehen werden. Ich bekomme täglich Dutzende Mails von Inhabern kleinerer Läden, von Soloselbstständigen und von Geschäftsführern größerer Ketten, die an der Krisenbewältigungspolitik der Bundesregierung verzweifeln. Es treibt mich um, wie viele Unternehmen durch die Fehler und Versäumnisse, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier mittlerweile verantworten muss, in die Insolvenz getrieben werden. Hier brauchen wir schnelle und unbürokratische Hilfe, zum Beispiel eine Liquiditätshilfe durch eine negative Gewinnsteuer. Das könnte schnell und wirkungsvoll helfen.
Neun Monate waren Stoffmasken das Mittel der Wahl - nun sollen sie zu unsicher sein. Verstehen Sie diesen Wandel?
Nein, ich verstehe die Kommunikation grundsätzlich nicht: Zuerst hieß es vom RKI, Masken würden nichts bringen. Dann sagte man uns, alles, was man sich ins Gesicht hängen kann, hilft. Jetzt stimmt das auch nicht mehr. Klar war aber schon lange, dass FFP2-Masken das beste Mittel für den Eigenschutz sind. Deshalb haben wir schon im März den Bundesgesundheitsminister aufgefordert, die nationale Produktion hochzufahren. Es ist niemandem zu erklären, dass private Unternehmen in zehn Monaten so etwas Komplexes wie einen Impfstoff herstellen können, der Staat aber nicht in der Lage ist, in zehn Monaten ziemlich einfach herzustellende FFP2-Masken für die Menschen flächendeckend zu beschaffen. In diesen Monaten zeigt sich bei Corona wie unter dem Brennglas: Deutschland ist in so vielen Bereichen international abgehängt, dass wir dringend unseren Anspruch hinterfragen sollten, wir seien eine der führenden Nationen der Welt.