Betrachtungen zum 42. Filmfestival Max Ophüls Preis
Die Online-Edition des Saarbrücker Filmfestivals war für die Macher, wie es der Künstlerische Leiter, Oliver Baumgarten, ausdrückte ein „Abenteuer". Klug war, dass die Festivalleiterin und Ko-Geschäftsführerin Svenja Böttger frühzeitig die Überlegungen für ein hybrides Festival ad acta legte und auf eine eigens für das Festival entwickelte Streaming-Plattform setzte. Dass das Filmfestival nicht verschoben – siehe Berlinale – oder ausgefallen ist, ist für sich genommen eine Besonderheit und nicht selbstverständlich. Saarbrücken signalisierte den Nachwuchsfilmern, dass die Filmkunst einen hohen Stellenwert besitzt und seinem Publikum, dass man es nicht enttäuschen wollte.
Die Streaming-Plattform erwies sich sowohl als gute als auch als verflixte Einrichtung. Mal so, mal so. Mal erschien in weißer Schrift auf schwarzem Grund ein Höfliches: „Leider ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später nochmal erneut." Leider hatte ich nicht immer Zeit für das Später. Mäkeln mag ich nicht über die Vertröstungen, weil es immer irgendwann weiterging. Die wenigen Filme, die ich gesehen habe, waren wirklich gut. Das deutet nicht unbedingt darauf hin, dass meine Auswahl vorzüglich, sondern, dass der Jahrgang hervorragend war.
Im Wettbewerb Kurzfilm war ich gespannt auf „Smallrats" von Lisa Miller, die 2018 mit „Landrauschen" den Max Ophüls Preis für den besten Spielfilm erhalten hat. Im „Kurzfilmprogramm 1" ging mir jedoch „Wir werden die Besten sein" ans Herz. Jelena Vujović drehte einen 20 Minuten kurzen, aber großen Antikriegsfilm. Dem Film hätte ich eine Auszeichnung gewünscht, aber für „Fische" ist sie mir ebenso lieb. Fasziniert beobachte ich auf meinen Laptop die „Fische". Ein Geschwisterpaar trifft sich in einem Chinarestaurant. Die Mutter wurde kürzlich beerdigt. Ihr Goldfisch soll unbemerkt im Aquarium des Restaurants ein neues Zuhause finden. Gesprächsfetzen und Lebensgeschichten anderer Restaurantgäste mischen sich, während die Geschwister versuchen, zueinander Kontakt zu finden. Die Farben, die Gestaltung der Szenerie, der Ton und Klangteppich: Wunderbar –
ein echtes Filmkunstwerk!
Die Preise-Abräumer, die ich nicht gesehen habe, heißen „Borga" und „Fuchs im Bau". Dass die Preis-Überhäufung mehr Aufmerksamkeit für einen Film erzeugt, glaube ich nicht. Und – auch wenn es mit den Regularien des Filmfestivals konform ist – Arman T. Riahi lasse ich nach fünf Langfilmen nicht mehr als Nachwuchsfilmer gelten. Er begeisterte mit „Migrantigen" 2017 und bildet mit seinem Bruder, dem Produzent Arash T. Riahi, ein Dream-Team in der österreichischen Filmszene. Der Produzent gewann als Regisseur und Drehbuchautor mit „Ein bisschen bleiben wir noch" im letzten Jahr den Publikumspreis. Bei der diesjährigen Preisverleihung war er zugeschaltet. Arman T. Riahi wirkte bei der Vergabe des dritten Preises für seinen „Fuchs" etwas verlegen und erinnerte daran, dass auch andere Filme eine Auszeichnung verdient hätten. Ganz genau. Beispielsweise „3Freunde2Feinde", dessen Frische und Frechheit mich ohne Umweg erreichte. Sebastian Brauneis in Personalunion Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann und Produzent präsentierte keinen perfekten, aber einen preiswürdigen Film.
Die Saarbrückerin Alison Kuhn wagt sich mit der Doku „The Case You" an ein Thema, das durch „#MeToo" ausgelöst wurde. Der Film beleuchtet eben nicht nur die Übergriffigkeit in künstlerischen Berufen, sondern Macht und Abhängigkeitsstrukturen in unserer Gesellschaft – beeindruckend! Dascha Dauenhauer und Alison Kuhn erhielten den Preis für die beste Musik in einem Dokumentarfilm.
Der Dokumentarfilm „Stollen" von Laura Reichwald führt ins Erzgebirge und erhielt den Max Ophüls Preis für den besten Dokumentarfilm – zu Recht. Ebenso preiswürdig erscheint „Wem gehört mein Dorf" von Christoph Eder, der uns an die Ostsee mitnimmt. Beide Filme beschäftigen sich mit dem Flächenverbrauch und dem Geschäft damit. Beide Filme gehören auf die große Leinwand! Beide Filme wurden vom MDR gefördert – wir werden sie irgendwann dort sehen können.
Sehen wir uns beim 43. Filmfestival Max Ophüls Preis? Bestimmt! Allerdings wünsche ich mir, dass die Streaming-Plattform eine zusätzliche Option werden würde. Das Beste aus beiden Welten – von Saarbrücken aus!