Das Freizeitverhalten hat sich seit Beginn der Pandemie verändert – kaum verwunderlich. Zahlen belegen nun, dass durch die Lockdowns seit einem Jahr Gesellschaftsspiele und Puzzles Gewinner der Krise sind.
Fahrradfahren ist in. Laut den Demoskopen des Allensbach-Instituts stieg der Anteil der Bürger, der täglich Fahrrad fährt, im Vergleich zu 2019 von 17 auf 22 Prozent. Viele möchten laut dieser Studie auch nach der Krise öfter mit dem Zweirad unterwegs sein. Radeln, Wandern, Basteln, Nähen, Stricken, Malen, Kochen, Backen, Kleingärtnern und was noch so alles im Privaten oder draußen möglich ist, erlebte ein Comeback dank der Corona-Krise. Besonders gefragt: Gesellschaftsspiele. Spielen als Gemeinschaftserlebnis leiste einen wichtigen Beitrag in der Krisenzeit, weil es Menschen Freude bereite, wenn andere Unternehmungen wie etwa ein Urlaub ausfallen müssten, betont dementsprechend der Branchenverband Spieleverlage.
Von Januar bis Oktober konnte der Umsatz auf dem deutschen Spielzeugmarkt nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens npd Group um 172 Millionen Euro wachsen, das sind elf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Umsatztreiber waren demnach Gesellschaftsspiele und Puzzles, Outdoor-Spielzeug und Bausätze. Dass viele Menschen ihre Freizeit in den vergangenen Monaten spielend verbracht haben, bestätigt auch eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov für den Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) in Nürnberg. Darin gaben 36 Prozent der Befragten an, dass ihnen Spielzeug geholfen hätte, um besser durch die Corona-Pandemie zu kommen.
Shootingstar der Krise: die Puzzles für Erwachsene
„Die Spielwarenbranche kommt insgesamt richtig gut durch die Krise", sagte DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil. Die Gesamtbranche gehört mit ihrem Angebot tatsächlich deutlich zu den Profiteuren der Krise: In der Isolation und mangels Unterhaltungsalternativen haben viele Familien und Spielefreunde ihre Schränke aufgefüllt. Bis jetzt konnte die Branche mit 21 Prozent Umsatzplus die positive Entwicklung der vergangenen Jahre noch einmal deutlich überflügeln, wie der Verein der Spieleverlage mitteilt. Auch nach dem Lockdown halte der Boom an: „In einer Zeit, wo Urlaub machen gerade nicht so angesagt ist, greifen viele Leute zum Spiel", sagt der Vereinsvorsitzende Hermann Hutter.
Ein ordentliches Wachstum verzeichneten hierbei die Kinderspiele mit knapp elf Prozent Steigerung und Kartenspiele mit etwa 17 Prozent Plus. Beliebt waren auch Klassiker, die gerade bei den Familien wieder oft aus dem Regal geholt, aber auch mit neuen Spielen ergänzt wurden. Spitzenreiter in der Entwicklung aber waren Puzzles, bei denen insbesondere Erwachsenenpuzzle mit knapp 50 Prozent Wachstum höchst beliebt waren, Kinderpuzzles verbesserten sich um 15 Prozent.
Der Spielwarenhersteller Ravensburger gehört zu den großen und traditionsreichsten deutschen Verlagen. Die Unternehmensgruppe konnte den Umsatz 2020 um satte 20 Prozent auf 632 Millionen Euro steigern. „Zum einen ist der Trend nach haptischen Produkten nicht erst seit Corona zu beobachten. In der zunehmend digitalen Welt suchen die Menschen bewusst Möglichkeiten abzuschalten und zu entspannen", sagt Heike Herd-Reppner von Ravensburger. Zum anderen aber hat die Krise dazu geführt, dass nun auch die Spieleverlage umdenken müssen. Denn gerade Vielspieler, die ihr Hobby mit Freunden regelmäßig ausüben wollen, mussten während Corona auf Distanz gehen. Die Abhilfe: digitale Spieltische wie „Tabletopia" oder der „Tabletop Simulator", die für eine Vielzahl gängiger Gesellschaftsspiele mittlerweile eine PC-Variante anbieten.
Die schon lange wachsende digitale Gemeinschaft der „Board-Gamer" ist ohnehin längst digital: In unzähligen Youtube-Clips und Podcasts informieren die Influencer der Szene längst über ihre Lieblingsspiele, andere bloggen seit Jahrzehnten über Geheimtipps oder die neueste Erweiterung zum Klassiker. Die neuen Medien haben zum neuen Erfolg der Gesellschafts- und Kartenspiele zweifelsohne beigetragen. Der persönliche Austausch mit Fans und Medien, von dem auch die Spielebranche lebt, muss allerdings in diesem Jahr warten – die traditionell am Jahresbeginn stattfindende Nürnberger Spielwarenmesse wurde erstmals in den Sommer verschoben. „Mit den ausfallenden Messen leidet der Kontakt der Verlage und Autoren mit der Spielerszene und erschwert die Entwicklung neuer Spiele", erklärt Hutter.
Schwer zu kämpfen hat der stationäre Spielwaren-Fachhandel. Mit vielen kreativen Ideen haben die Händler den Kontakt zu ihren Kunden gehalten. Der Handelsverband Spielwaren nutzt dabei nach eigenen Angaben ebenfalls alle Kanäle, die zur Verfügung stehen: vom Telefon über den Onlineshop bis hin zum Verkauf über Messenger-Dienste. „Die staatlichen versprochenen Hilfsmaßnahmen sind für diese engagierten Händler nur spärlich und oft sehr spät geflossen", sagt Hermann Hutter. Deshalb hat sich die Branche auch in einem Brief an die Bundeskanzlerin gewandt. Dagegen sind wie erwartet die Marktanteile des Onlinehandels sowie der Lebensmittel- und Drogeriemärkte, die auch Spielzeug verkaufen, gestiegen.
Die Begeisterung für das Gesellschaftsspiel, die bereits vor der Krise sichtbar wurde, wird danach nicht abnehmen, dessen ist sich die Branche sicher. Entsprechend bleiben kreative Spielideen gefragt. Denn „German Board Games" seien nicht nur national ein Renner, sagt Heike Herd-Reppner, sondern auch international.