Schon Johan Huizinga hat 1938 vom „Homo Ludens", dem spielenden Menschen, geschrieben. In Zeiten von Lockdown und Ausgangsbeschränkungen erleben die digitale und die analoge Spielebranche einen echten Boom – denn immer mehr entdecken den Spieler in sich.
Egal ob ein Online-Multiplayer-Game, ein analoges Gesellschaftsspiel oder der digitale Brettspielsimulator – Spiele erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Nicht nur die analoge Spielebranche konnte im vergangenen Jahr ein Plus von 21 Prozent verbuchen, auch die digitale Gaming-Szene wächst und gedeiht. Laut Schätzungen des Marktforschungsunternehmens Newzoo beträgt der weltweite Umsatz mit Games aktuell rund 160 Milliarden US-Dollar – bis 2023 soll dieser sogar auf bis zu 200 Milliarden US-Dollar steigen.
Mitverantwortlich für diesen Boom: Die Corona-Pandemie. Denn viele Menschen verbringen deutlich mehr Zeit zu Hause, Aktivitäten außerhalb der eigenen vier Wände sind kaum mehr möglich. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte im ersten Lockdown Gaming als Freizeitbeschäftigung empfohlen. Kein Wunder, so lenken sie den Spieler nicht nur ab, sondern erfüllen auch einen psychologischen Auftrag. Denn der Mensch lernt bei allem, was er tut. Auch das Spielen ist dort keine Ausnahme. Das gilt nicht nur für Kleinkinder, sondern für jede Altersklasse. Der „Homo Ludens" beispielsweise ist ein Erklärungsmodell, nach welchem der Mensch seine individuellen Eigenschaften über das Spiel entdeckt und durch diese Erfahrungen die in ihm angelegte Persönlichkeit entwickelt.
Über die Auswirkungen von Spielen auf den Charakter wird schon seit Jahren diskutiert. Dabei häufig im Gespräch: Fördern gewalttätige Spiele wie Ego-Shooter aggressives Verhalten? Entwickelt man bei Multiplayer-Games ein besseres Sozialverhalten? Dazu kommt auch das Risiko einer Internet- und Videospielsucht. Bei den Jugendlichen von zwölf bis 17 Jahren hat sich der Anteil derer mit einer problematischen Internet- und Computerspielnutzung in den Jahren 2015 bis 2019 von 21,7 auf 30,4 Prozent erhöht, bei den jungen Erwachsenen von 18 bis 25 Jahren gab es einen Anstieg von 15,2 auf 23 Prozent.
Zahlen, die sich auch durch die immer größere Beliebtheit von Videospielen erklären lassen. Mehr als 34 Millionen Deutsche spielen mittlerweile Computer- und Videospiele – etwa 36 Prozent davon auf regelmäßiger Basis. Die meisten von ihnen – ganze 19,5 Millionen –
nutzen dafür ihr Smartphone, gefolgt von PC (16,3 Millionen), Konsolen (15,9 Millionen) und Tablets (11,2 Millionen). Damit ist jeder zweite Deutsche ein „Gamer". Kein Wunder also, dass vorherrschende Klischees gegenüber Videospielern immer weiter widerlegt werden. Wie bunt die Gaming-Bubble wirklich ist, zeigen Onlineplattformen wie Youtube und Twitch, wo eine Vielzahl von Gamern und Streamern ihre Videos und Livestreams mit Tausenden teilen – jeder auf seine ganz eigene Art und Weise. Von großen Namen wie Gronkh, Knossi oder Gnu, die mit den Streams ihr Geld verdienen, über kleine Kanäle, die ihre Community ganz neu aufbauen, bis hin zu Promis wie Kaya Yanar und Bushido, die sich im Gaming ausprobieren. Durchschnittlich schauen zu jeder Tages- und Nachtzeit mehr als eine Million Menschen gleichzeitig Streams auf der Plattform an.
Aber auch die Verkaufszahlen des vergangenen Jahres zeigt wie vielfältig die Branche ist: So wurde ‚Animal Crossing: New Horizons‘ im vergangenen Jahr über eine Millionen mal verkauft – ein Ergebnis, das noch nie von einem Spiel für die Switch eingeheimst werden konnte. Das Spiel rund um tierisch-süße Inselbewohner ist insbesondere bei weiblichen Spielern sehr beliebt. Mit über 500.000 verkauften Titeln folgen Spiele wie das Open-World-Action-Rollenspiel ‚Cyberpunk: 2077‘, die Action-Adventure-Fortsetzung ‚Assassin’s Creed: Valhalla‘ und das Survival-Horror-Game ‚The Last of Us Part 2‘.
Jeder zweite Deutsche zockt
Auch in der analogen Spielewelt konnten im vergangenen Jahr vielseitige Bewerber punkten. So wurde ‚Pictures‘ aus dem PD-Verlag, ein Spiel, in dem mit unterschiedlichen Materialien wie Schnürsenkeln oder Bauklötzen Fotos nachgestellt werden und die Mitspieler diese erraten müssen, zum Spiel des Jahres gewählt. Den begehrten Kennerspiele-Preis des Jahres konnte der Cosmos-Verlag mit ‚Die Crew‘ mit nach Hause nehmen. In dem kooperativen Stichspiel müssen die Spieler zusammen 50 Missionen bestehen – dabei ist die Kommunikation zwischen den Spielern eingeschränkt.
Aber auch die Spielehersteller nehmen einen immer höheren Stellenwert in Deutschland ein. Dabei hat Deutschland gerade einmal einen Marktanteil von 4,9 Prozent. 2019 wurde erstmals ein Budget von 50 Millionen Euro vom Bund für die Games-Förderung zur Verfügung gestellt. Auch die Länder zeigen Bereitschaft: Außer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Bremen hat jedes Bundesland diese Mittel noch einmal aufgestockt. Spitzenreiter hierbei: Nordrhein-Westfalen mit rund drei Millionen Euro.
Kein Wunder auch, dass gerade mit dem Bedeutungsanstieg von Videospielen auch Medienkompetenz immer stärker in den Fokus rückt. Nicht nur das Gaming und der engere Kontakt mit dem Internet, auch Homeschooling und Digitalunterricht machen eine frühe Aufklärung im Bereich der Medien unabdingbar. Nach einer aktuellen DAK-Studie habe der Medienkonsum von Jugendlichen während des ersten Lockdowns um 70 Prozent zugenommen.
Im Endeffekt ist es jedem selbst überlassen, ob er sich allein oder mit anderen, online oder analog, mit Publikum oder als Zuschauer mit Spielen auseinandersetzt. Das Entscheidende dabei ist und bleibt der Spaß.