Die Siegesserie von Alba Berlin in der Basketball-Bundesliga ist gerissen. Auch Maodo Lô konnte das nicht verhindern, obwohl der Neuzugang zuletzt mächtig aufdrehte.
Maodo Lô wohnt wieder in der Wohnung seiner Mutter Elvira Bach. Die bekannte Künstlerin hat ein Atelier in Kreuzberg geräumt, damit ihr Sohn, der Basketball-Profi von Alba Berlin, sich dort heimisch fühlen kann. Sie selbst wohnt in einem anderen Atelier um die Ecke – und das ist wohl auch gut so. Denn schon zu Kindeszeiten raubte der Basketball-spielende Maodo der Künstlerin die Nerven. „Wenn ich nur an den Lärm in der Wohnung denke", sagte Bach einmal rückblickend. „Er hat auf dem Parkett in der Wohnung gedribbelt, er konnte vom Basketball nicht lassen." Von Sport hatte die Mutter, die zu den bekanntesten deutschen Malerinnen zählt und Medienberichten zufolge für ein Bild bis zu 80.000 Euro verdient, keine Ahnung. Daher habe sie ihn „nie gedrängt, Basketball zu spielen". Im Gegenteil: „Er hat seine ganze Karriere alleine aufgebaut." Und diese Karriere verlief deshalb auch alles andere geradlinig. Der Sohn von Bach und dem senegalesischen Vater Alioune Lô begann erst spät, im Verein Basketball zu trainieren. Das Spiel gelernt hatte er da bereits auf der Straße, im Käfig, und später auf dem College in den USA. Das prägte ihn – und diese Art des Basketballs versperrte ihm damals den Weg in die Junioren-Nationalmannschaften. „Mein Spielstil wurde früher nicht so anerkannt in Deutschland", sagt Lô. Das sei einer der Gründe gewesen, „warum ich damals nie so die Anerkennung bekommen habe".
„Mein Spielstil wurde früher nicht anerkannt"
Doch das ist vorbei, die Qualitäten von Maodo Lô sind im Verein und in der Nationalmannschaft extrem gefragt. Der Aufbauspieler hat sich nach Startschwierigkeiten bei Alba zu einem Leistungsträger etabliert. Auch dem 28-Jährigen war es zu verdanken, dass sich der Double-Gewinner in der Basketball-Bundesliga mit elf Siegen in Folge wieder zum Maß aller Dinge aufschwang. Doch am vergangenen Sonntag (14. Februar) bei Brose Bamberg riss die Siegesserie: Beim ersatzgeschwächten Dauer-Rivalen der 2000er-Jahre, dem nur sieben gesunde Spieler zur Verfügung standen, kassierte Alba eine 76:67-Auswärtsniederlage. Unerwartet, aber völlig verdient. Man sei nicht fokussiert gewesen und habe „nicht mit der richtigen Intensität" gespielt, kritisierte Alba-Headcoach Aíto García Reneses, der in den Wochen zuvor nur wenig bis nichts zu kritisieren hatte. „Deshalb haben wir viele Würfe vergeben und sind nie richtig ins Spiel gekommen", ergänzte der Spanier. „Bamberg hingegen war immer da, hat gut getroffen und wollte unbedingt gewinnen."
Die Spieler zeigten sich hinterher einsichtig. „Die Energie war nicht da", sagte der Schwede Marcus Eriksson. Angesichts der strapaziösen Doppelbelastung ist das kein Wunder, auch der ebenfalls in der Euro League startende Rivale Bayern München strauchelt in der Liga. Doch der harmlose Auftritt in Bamberg war teilweise erschreckend, „wir haben vor allem in der Offensive enttäuscht", so Eriksson. Während der Schwede mit 16 Punkten noch erfolgreichster Werfer seines Teams war, kam von den sonst so zuverlässigen Luke Sikma (4) oder Johannes Thiemann (3) nur wenig. Auch Maodo Lô erzielte bei der Rückkehr an die alte Wirkungsstätte nur drei Punkte, zudem blieb er in den Statistiken Assists (5) und Wurfquote (8,3) weit unter seinen Möglichkeiten. Beim Stand von 67:62 für Bamberg zweieinhalb Minuten vor dem Ende zog Lô mit einem schönen Dribbling am Gegenspieler vorbei, doch sein Korbleger missglückte. Im Gegenzug erhöhte Bamberg seinen Vorsprung auf sieben Punkte – die Vorentscheidung.
Zwei Tage zuvor war der Aufbauspieler noch der umjubelte Matchwinner gewesen. Beim klaren 80:68-Sieg gegen Bayreuth avancierte der spielfreudige Lô mit seinen 23 Punkten und sechs Assists zum überragenden Mann. Die Corona-Erkrankung, die ihn Mitte Oktober für drei Wochen komplett rausgerissen hatte („Ich habe meinen Körper drei Wochen lang quasi gar nicht bewegt und mich total schwach gefühlt"), scheint überwunden. „Die Beine sind ein bisschen stabiler, es ist alles konstanter", sagt Lô.
„Wir haben in der Offensive enttäuscht"
Der Nationalspieler hatte seit seinem Wechsel im Sommer von München nach Berlin aber nicht nur gesundheitliche Probleme. Auch die Umstellung auf das Alba-Spielsystem war ein längerer Prozess als erwartet. „Der Spielstil bei Alba ist auf jeden Fall sehr eigen", erklärt Lô. „Wenn man das vorher nie gespielt hat, muss man sich erst einmal daran gewöhnen." Anders als bei seinen vorherigen Stationen in München und Bamberg gibt es in Berlin kein starres System mit stark einstudierten Automatismen, Trainer Reneses setzt auf ein situatives System, das den Akteuren viel Kreativität und Eigenverantwortlichkeit abverlangt. Die Spieler sollen die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit treffen. In der Theorie klingt das nach genau dem richtigen Konzept für den Instinkt-Basketballer Lô, und das war auch ein Grund, warum er trotz lukrativer Gegenangebote in seine Heimat zurückgekehrt war. „Die Spielphilosophie von Trainer Aíto Reneses ist in ganz Europa sehr angesehen", sagte er kurz nach seiner Verpflichtung. „Der Ball bewegt sich schnell, die Spieler sind mit großem Spaß dabei, sogar Enthusiasmus. Das ist ein Umfeld, das mich sehr reizt."
In der Praxis benötigte Lô aber etwas Anpassungszeit. Nun ist er – abgesehen vom Ausrutscher in Bamberg – ein Gewinn für das Alba-Team. Und umgekehrt. „Sobald man das Spielsystem herausfindet, kann man davon profitieren", sagt er, „und ich glaube, dieser Prozess passiert gerade." Durch die Ausfälle der verletzten Point Guards Peyton Siva und Jayson Granger musste er zudem mehr Verantwortung übernehmen, „das gefällt mir". Das bedeutet aber, auch mal über seine Grenzen zu gehen. Bei der Euro-League-Niederlage in München (101:95 nach Verlängerung) war Lô auf dem besten Weg, sein Team mit einer persönlichen Punkte-Bestleistung zum Sieg zu führen. Doch ab dem dritten Viertel plagten ihn Wadenkrämpfe. Lô biss auf die Zähne und hielt durch. Auch in der Euro-League-Partie an diesem Freitag (19. Februar) gegen Fenerbahce Istanbul ruhen Albas Hoffnungen auf Lô.
Sein ungewöhnlicher Werdegang über das College-Basketball in den USA bis in die Nationalmannschaft soll auch Jugendliche dazu animieren, nicht immer mit dem Strom zu schwimmen. „Man muss eine gewisse Leidenschaft haben und darf sich nicht vom Weg abbringen lassen", sagt Lô, „dann hat man eine Chance." Dass er als Jugendlicher von den Auswahlmannschaften übersehen wurde, „hat schon wehgetan", gibt Lô zu, „aber die Leidenschaft war größer". Das bekam auch die Mama zu spüren. Das Prallen des Basketballs auf dem Parkett im Wohnzimmer kann Elvira Bach heute noch hören. Doch auch sie erkannte schon damals das große Talent ihres Sohnes: „Maodo hatte schon als kleiner Junge enormes Ballgefühl."