Bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf gilt es für die deutschen Athleten, den zweiten Platz in der Nationenwertung zu verteidigen. Aber es dürfte diesmal schwer werden, wieder sechsmal Gold und dreimal Silber wie in Seefeld 2019 zu erringen.
Zum dritten Mal nach 1987 und 2005 ist die im Oberallgäu gelegene Gemeinde Oberstdorf vom 23. Februar bis 7. März 2021 wieder Gastgeber einer Nordischen Skiweltmeisterschaft. Wobei die Organisatoren letztlich vergeblich auf die Zulassung von Zuschauern bei dem sportlichen Großereignis gehofft hatten. Bei dem Event werden die neuen Weltmeister in den drei Disziplinen Skispringen, Langlauf und Nordische Kombination gekürt, wobei insgesamt 13 Wettbewerbe bei den Männern, zehn bei den Frauen sowie ein Mixed-Wettkampf (im Skispringen) auf dem Programm stehen. Während im Langlauf deutschen Athleten so gut wie keine realistischen Medaillenchancen eingeräumt werden können (Katharina Hennig als
einzige Hoffnungsträgerin), sieht es diesbezüglich im Skispringen und vor allem in der Nordischen Kombination besser aus. Auch wenn die deutschen Adler die Top-Form von der Jahreswende 2020/2021 mit Gold und Bronze bei der Skiflug-WM sowie dem zweiten Platz bei der Vierschanzentournee nicht halten konnten. Und es unter den Kombinierern einen norwegischen Dauersieger namens Riiber gibt, der es der starken deutschen Konkurrenz im Kampf um Edelmetall schwer machen wird.
Kaum Aussichten auf Edelmetall bei den Langläufern
Für die Nordischen Kombinierer hätte die WM-Generalprobe in Klingenthal Anfang Februar 2021 wohl kaum besser verlaufen können. Beim letzten Leistungstest dieser Disziplin vor Oberstdorf (die zusätzlich im Terminkalender geplante Doppel-Veranstaltung in Peking wurde coronabedingt abgesagt) präsentierten sich die deutschen Teilnehmer in beachtlicher WM-Form. Nach dem ersten Klingenthal-Event war das Podest in Gestalt des Trios Vinzenz Geiger, Fabian Rießle und Eric Frenzel komplett in deutscher Hand, was es letztmals bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeonchang gegeben hatte. Beim zweiten Wettbewerb des Klingenthal-Wochenendes hatte es mit Vinzenz Geiger beim Heimwelt-Cup immerhin ein heimischer Sportler auf den obersten Treppchenplatz geschafft und den wiedererstarkten Japaner Akito Watabe hinter sich gelassen. Auf dem Podest fehlten diesmal neben Geigers Teamkollegen, die die Plätze fünf (Rießle), sechs (Johannes Rydzek, der endlich seine Sprungprobleme in den Griff bekommen hat), sieben (Frenzel) und neun (Manuel Faißt) belegt hatten, eigentlich nur noch der österreichische Shooting-Star Johannes Lamparter und der vor allem in der Loipe glänzende Finne Ilkka Herola.
All diese genannten Konkurrenten könnte das fast durchweg extrem laufstarke deutsche Team wohl locker in Schach halten, sofern es auf der Schanze einigermaßen läuft. Aber da gibt es ja noch den sprichwörtlichen norwegischen Überflieger namens Jarl Magnus Riiber, der in Klingenthal eine Wettkampfpause eingelegt hatte und ansonsten auch in der aktuellen Saison mit sieben Siegen bei Einzelwettbewerben (darunter das begehrte Triple in Seefeld) bislang das Maß aller Dinge gewesen ist. Riiber ist eigentlich nur zu schlagen, wenn die deutschen Kombinierer den Rückstand auf der Normal- wie Großschanze in Grenzen halten können. Wenn er sich in Oberstdorf wie häufig in der aktuellen Weltcup-Saison einen Vorsprung von rund einer Minute herausspringen sollte, werden Geiger, Frenzel & Co. nur der Kampf um Silber und Bronze bleiben. Zwar zeigten sich die deutschen Kombinierer im Springen im Vergleich zur enttäuschenden Vorsaison deutlich verbessert, was auch auf die Verpflichtung des österreichischen Skisprung-Gurus Heinz Kutin durch Bundestrainer-Ikone Hermann Weinbuch zurückgeführt werden kann. Aber dennoch sind die Leistungen auf der Schanze nicht immer stabil, und Riiber konnte daher auch immer wieder weit davon fliegen. „Ein bisschen sind wir noch hinten", so Hermann Weinbuch selbst nach dem Klingenthal-Triumph, „Da hätte ich gerne noch drei, vier Meter, die wir noch rauskitzeln wollen."
Verpflichtung von Heinz Kuttin zahlt sich aus
Dennoch könnten die deutschen Kombinierer wieder zu Medaillenhamstern werden. In den beiden Staffelwettbewerben (Normalschanze/4 x 5 Kilometer und Großschanze/Teamsprint 2 x 7,5 Kilometer) dürfte das deutsche Team nur schwer zu schlagen sein. Im Einzel werden Vinzenz Geiger sowohl nach dem Springen von der Normal- wie auch von der Großchance die größten Siegchancen auf den jeweils folgenden zehn Kilometern Langlaufpiste zugetraut. Sofern er beim Loipenstart Riiber noch einigermaßen in Reichweite haben sollte. Wenn ihm das Auflaufen gelingen sollte, dürfte selbst der Norweger Probleme bekommen, weil Geiger einen unwiderstehlichen Antritt auf der Piste hinlegen kann und auch im Zielsprint über den nötigen Biss sowie den erforderlichen Endspeed verfügt, wie er bei seinen vier Saisonsiegen schon nachdrücklich beweisen konnte. Auch Fabian Rießle kann sich auf seine Sprinter-Qualitäten verlassen, während Eric Frenzel die Gegner eher durch ständige Attacken zermürben kann. Ob Hermann Weinbuch auch die Karte Johannes Rydzek spielen wird bleibt abzuwarten, weil der Großschanzen-Olympiasieger aus dem Jahr 2018 erst in Klingenthal sein wahres Potenzial einigermaßen nach bis dahin durchweg schwachen Saison-Schanzen-Vorstellungen abrufen konnte. Was den erstmals ins WM-Programm aufgenommenen Damen-Wettbewerb betrifft, so lässt sich angesichts nur eines einzigen ausgetragenen Saison-Wettkampfs kaum eine sichere Prognose wagen. Die US-Amerikanerin Tara Geraghty-Moats hatte sich bei ihrem historischen Premieren-Sieg in Ramsau auf der Loipe als haushoch überlegen präsentiert. Für die deutschen Starterinnen um Jenny Nowak dürfte schon eine Top-Ten-Plazierung eine Riesenüberraschung sein.
Im Skilanglauf sieht es aus deutscher Sicht mehr als traurig aus. Dabei hatte Bundestrainer Peter Schlickenrieder noch vor zwei, drei Jahren den Gewinn von Medaillen in Oberstdorf durch seine Schutzbefohlenen versprochen. Das wurde damals schon von seinem Vorgänger Jochen Behle als absolut utopisch deklariert. Und Behle sollte recht behalten, vor allem im Herrenbereich sind die deutschen Athleten nicht konkurrenzfähig. Bei den Damen gibt es mit Katharina Hennig einen einzigen Lichtblick. Im Massenstart war ihr bei der diesjährigen Tour de Ski sogar ein zweiter Platz in Val di Fiemme gelungen, allerdings in der von ihr bevorzugten Klassik-Technik. Auch Ende Januar schrammte sie im schwedischen Falun nur hauchdünn beim klassisch gelaufenen Zehn-Kilometer-Massenstart an ihrem dritten Karriere-Podestplatz vorbei. Wobei sie bei clevererem Agieren im Zielsprint durchaus auch als Zweite die Ziellinie hätte überqueren können. Schade nur, dass in Oberstdorf ihre Sahnedisziplin Massenstart klassisch nicht auf dem Programm steht. Und dass im Einzelwettbewerb die zehn Kilometer im Freistil bestritten werden müssen. Da bleibt ihr nur der 15 Kilometer Skiathlon als größte Treppchenchance, weil sie neben dem klassischen Stil inzwischen auch im Freistil mit den Großen mithalten kann. Um die Medaillen werden sich bei den Damen die Norwegerinnen um Therese Johaug mit der US-Amerikanerin Jesse Diggins und der Schwedin Linn Svahn (stark vor allem im Sprint) streiten. Bei den Männern müssen sich die Norweger in breiter Phalanx um Johannes Hösflot Klaebo, Simen Hegstad Krüger oder Emil Iversen vor allem der Attacken des physisch bärenstarken Russen Alexander Bolschunow erwehren, der nicht nur die letzte Tour de Ski gewonnen hat, sondern auch die Weltcup-Wertung klar anführt.
Eisenbichler kämpft gegen starke Konkurrenz
Im Skispringen waren die deutschen Damen noch vor einigen Jahren kaum zu schlagen gewesen. Doch seit den langwierigen Verletzungen von Sotchi-Olympiasiegerin Carina Vogt (Comeback Anfang Februar 2021 in Hinzenbach) und ihrer Kollegin Anna Ruprecht, dem unerklärlichen Schwächeln von Juliane Seyfarth und den jüngst nur noch für Top-Ten-Plazierungen ausreichenden Leistungen von Katharina Althaus kann man die deutschen Ladys getrost aus dem Medaillen-Rennen in Oberstdorf streichen (auch im Teamwettbewerb wohl nicht stark genug). Es gibt eine ganze Reihe von Top-Favoritinnen, beispielsweise die wiedererstarkte Japanerin Sara Takanashi, die blutjunge Österreicherin Marita Kramer, die Sloweninnen Nika Krizmar und Ema Klinec oder die Norwegerinnen Eirin Maria Kvandal und Silje Opseth.
Bei den Männern ruhen alle Hoffnungen nach dem frappierenden Formverlust von Skiflug-Weltmeister Karl Geiger, der bei der WM-Generalprobe in Klingenthal gleich zweimal nach dem ersten Durchgang ausscheiden musste, alleine auf Markus Eisenbichler, der zu Saisonbeginn mit zwei Einzelsiegen und späteren Podestplazierungen seinen Anspruch auf eine Favoritenrolle bei der WM angemeldet hatte, zuletzt in Klingenthal mit einem dritten Platz.
Aber die Konkurrenz ist sehr stark, vor allem in Gestalt des dominierenden Norwegers Halvor Egner Granerud sowie der Polen um Kamil Stoch, Dawid Kubacki und Piotr Zyla. Bei den Teamwettbewerben werden sich wohl Norwegen (mit Robert Johansson, Marius Lindvik und Daniel André Tande) und Polen einen Zweikampf um die Goldmedaille liefern.