Viele Ministerien laden sich gern externe Berater ein oder lassen sich von Firmen unterstützen. Ihr Einsatz ist umstritten. Matthias Höhn (MdB, Die Linke) fragt regelmäßig nach dem Stand des „Beraterunwesens".
Die sitzen nie weit von den Zentren der Macht entfernt. Manche haben sogar ihren Arbeitsplatz in die Ministerien verlegt. McKinsey, KPMG, PwC, EY – sie alle bieten ihre Dienste an – und sie werden gerne genommen. Und das für immer mehr Geld. 2014 lagen die Beraterausgaben noch bei 63 Millionen Euro, 2015 waren es schon 105 und 2017 bereits 248 Millionen Euro. 2020 gab die Bundesregierung dann mehr als eine halbe Milliarde Euro für externe Berater aus. Das ergab eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Matthias Höhn an das Finanzministerium. Von den 15 Ministerien lag das Verteidigungsministerium mit 155 Millionen Euro an der Spitze. Dahinter folgten das Innenministerium mit 152 und das Verkehrsministerium mit 110 Millionen. Das Kanzleramt kam im zweiten Halbjahr auf 537.000, das Bildungsministerium auf 717.000 Euro. Die Beratertätigkeit geht also ungebrochen weiter. Dabei hat ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss seit anderthalb Jahren die Vorgänge im Verteidigungsministerium unter die Lupe genommen. Fazit, so ein Sondervotum von Grünen, Linken und FDP zum Abschlussbericht: Es gab ein System „organisierter Verantwortungslosigkeit", das zu „teils systematischen und massiven Vergaberechtsverstößen und der Verschwendung von Steuergeldern in Millionenhöhe" führte. FORUM hat mit Matthias Höhn gesprochen.
Herr Höhn, Sie fragen seit einiger Zeit immer wieder nach den Beraterverträgen. Wie sind Sie auf das Thema gestoßen?
Ich bin im Sommer 2018 darauf aufmerksam geworden, weil ich damals die ersten Rechnungshofberichte gelesen habe zu Verträgen, die im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums mit externen Firmen abgeschlossen wurden. Der Rechnungshof hat damals eine ganze Reihe von gravierenden Mängeln offengelegt. Er hat kritisiert, dass in den meisten Fällen keine Bedarfs- und keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen stattgefunden haben. Und er hat vor drohenden Abhängigkeiten der Bundeswehr von einzelnen Firmen gewarnt. Seitdem versuche ich, ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen, was nicht ganz einfach ist.
Können Sie uns Beispiele nennen, wozu Beraterverträge abgeschlossen wurden?
Ausgangspunkt war die Entscheidung der 2014 neuen Ministerin Ursula von der Leyen, Katrin Suder von McKinsey zur Staatssekretärin zu machen. Ihr sind ganz viele weitere Beratungsunternehmen oder Personen nachgefolgt. Das war Absicht, von der Leyen wollte das so, weil sie glaubte, auf diesem Weg könne sie das Ministerium effizienter, moderner machen. Als sie aufgehört hat und nach Brüssel gewechselt ist, haben alle gewusst: Das hat alles nicht geholfen, es hat nur viel Geld gekostet. Was zum Beispiel schiefgelaufen ist, war der Versuch, die im Bundesbesitz befindliche Heeresinstandsetzungslogistik (HIL) zu privatisieren. Da ist bei der Ausschreibung getrickst worden, Firmen sind unter Beugung des Vergaberechts beauftragt worden, diesen Prozess zu konzipieren und umzusetzen. Das ganze kostete schließlich über 30 Millionen. Annegret Kamp-Karrenbauer hat das Projekt schnell beendet, als sie Ministerin wurde – zu Recht.
Und was passiert so in den anderen Ressorts?
Aktuelles Beispiel: Ernest and Young sollte im Auftrag des Gesundheitsministeriums den Einkauf von Schutzmasken im ersten Lockdown koordinieren. Das hat mindestens 9,6 Millionen Euro gekostet und ging trotzdem schief. Mehr als 70 Lieferanten klagen zurzeit gegen das Ministerium vor Gericht. Anderes Beispiel: Die Firma Roland Berger bekommt gerade 800.000 Euro – und wahrscheinlich werden es noch mehr –, um Reformvorschläge für die Neustrukturierung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu machen, Stichwort Wirecard-Versagen.
Wann hat das angefangen mit der intensiven Beratertätigkeit?
Wir hatten schon immer Firmen und Beraterbüros im Umkreis der Politik, die gerne ihre Konzepte und ihre Dienste anbieten. Das wird auch so bleiben. Die Ursache, warum solche Dinge nicht mehr die Ausnahme waren, sondern zur Regel wurden, liegt in den 1990er-Jahren. Damals wurde begonnen, den öffentlichen Dienst massiv abzubauen und auszudünnen. Dieser Personalabbau, der sich über 15 bis 20 Jahre hinweg gezogen hat, hat dafür gesorgt, dass in allen öffentlichen Bereichen Behörden massiv unterbesetzt sind.
Gilt das auch für die Bundesregierung? Immerhin sind in den Ministerien rund 20.000 Beamte und Angestellte beschäftigt.
Die Aufgaben sind ja nicht weniger geworden. Und überall in den Verwaltungen fehlen Expertinnen und Experten, die früher noch festangestellt im öffentlichen Dienst waren. Jetzt werden diese Lücken durch Beratungsfirmen gefüllt. Die sind erstens viel teurer als regulär Beschäftigte. Der Tagessatz für einen Berater liegt deutlich über dem, was ein Beamter verdient. Und zweitens gefährdet das die Unabhängigkeit des Staates. Je mehr von diesen Firmenvertretern in den Ministerien ein- und ausgehen, desto größer ist die Gefahr, dass nicht mehr unabhängig, sondern nach privaten Interessen entschieden wird.
Wie steht es mit der Kontrollfunktion des Bundesrechnungshofs?
Der prüft nicht regelmäßig im Vorfeld, bevor Verträge unterschrieben werden. Er kontrolliert stichprobenartig das Handeln der Verwaltungen und Ministerien. Wie gesagt: Sein Bericht aus dem Jahr 2018 zum Verteidigungsministerium war der Auslöser für die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss, an der ich ja selbst beteiligt war.
Gibt es auch Fälle, in denen Berater und ihre Dienste zu Recht in Anspruch genommen werden?
Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dass es ein absolutes Verbot geben soll für den Einkauf von externer Beratung oder Unterstützung. Es gibt Projekte beispielsweise im IT-Bereich, bei denen ein Ministerium eine Spezialistin für ein paar Monate braucht und dann eben auch genau dafür einkaufen kann. Das muss aber die Ausnahme sein, in der Regel sollen die Kompetenzen in der eigenen Behörde vorhanden sein.
Wie lässt sich das „Beraterunwesen" eindämmen?
Leider sind immer noch jeden Tag Beratungsfirmen vor Ort. Das kostet nicht nur Hunderte Millionen, sondern dadurch werden auch Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst nicht aufgebaut. Es gibt immer noch zu wenig Transparenz: Wer ist da unterwegs? Wieviel verdienen die genau? Und was machen die dort? Das muss für die Öffentlichkeit sichtbar sein. Wenn ich meine Anfragen stelle, dann versucht die Bundesregierung regelmäßig, die Zahlen zu verschleiern, oder liefert mir bei jeder Anfrage andere Angaben, oder die Zahlen werden kurzerhand zur Verschlusssache erklärt. Wir brauchen mehr Transparenz und den Aufbau der eigenen personellen Ressourcen, mehr Fachpersonal. Es muss öffentlich einsehbar sein, was die öffentliche Hand einkauft, zu welchem Preis und wofür. Am besten würden die Ministerien regelmäßig berichten, vollständig und ohne Definitionstricks – und nicht warten, bis sie gefragt werden.