„Lupin" ist die erste französische Serie, die es in die amerikanische Netflix-Top-Ten geschafft hat. Nicht nur dort hat der Gentleman-Gauner die Herzen der Zuschauer erobert.
Es ist wohl das strahlende, unwiderstehliche Lächeln von Omar Sy, das einen so galant durch die fünf Episoden von „Lupin" führt. Der 1,90 Meter große Hüne, der vor allem durch die Erfolgstragikomödie „Ziemlich beste Freunde" bekannt wurde, spielt darin Assane Diop. Der große Mann mit der großen Klappe hat ein großes Herz – und ein großes Trauma. Als Sohn eines senegalesischen Einwanderers lebt er in Paris, wo sein Vater Babakar (Fargass Assandé) als Chauffeur eines reichen Industriellen arbeitet.
Eines Tages wird der allseits beliebte Vater beschuldigt, ein wertvolles und historisch bedeutendes Collier gestohlen zu haben. Babakar beteuert seine Unschuld, unterschreibt jedoch ein Geständnis und wandert ins Gefängnis. Dort erhängt er sich. 25 Jahre später taucht das Collier wieder auf und soll im Namen besagter Industriellen-Familie versteigert werden. Assane Diop, der durch obsessive Lektüre von „Arsène Lupin"-Romanen mittlerweile zu einem genialischen Meisterdieb herangereift ist, wittert eine Verschwörung und möchte seinen Vater rächen.
Dass es diese Verschwörung natürlich gibt und Assane sie auch aufdeckt, liegt in der Natur der Sache. Das tut der Kurzweil aber keinen Abbruch, denn „Lupin" ist zum größten Teil flott inszeniert, schickt seinen Hauptdarsteller in bester James-Bond-Manier von Schauplatz zu Schauplatz und navigiert ihn kompetent durch alle Nebenstränge der Handlung. Immer im Mittelpunkt: Arsène Lupin. Die Figur des Gentleman-Diebs wurde von Autor Maurice Leblanc ab 1905 in zahlreichen Romanen, Kurzgeschichten und Theaterstücken erdacht und veröffentlicht.
In James-Bond-Manier flott inszeniert – von Schauplatz zu Schauplatz
Lupin ist ein herausragend ausgebildeter Mediziner, spricht mehrere Sprachen, schlüpft von einer Verkleidung in die nächste, hat einen untrüglichen Sinn für Kunstobjekte, beherrscht verschiedene Arten der Kampfkunst und hat ein überbordendes Selbstbewusstsein. Genau diese Eigenschaften verkörpert Omar Sy als Lupin-Epigon perfekt. Er scharwenzelt um die Damenwelt, foppt die Polizei ein ums andere Mal, provoziert die bösen Buben – und macht im Grunde nur einen einzigen Fehler. Dieser führt am Ende der ersten fünf Episoden zu einem überraschend gelungenen Cliffhanger, der dann in der zweiten Staffel aufgeklärt wird. Diese soll ab dem Sommer bei Netflix bereitstehen.
Bis es so weit ist, taucht man ein in die nichtlineare Erzählung der Handlungsstränge, was die Spannung des Geschehens aufrechterhält. So erlebt man das Aufwachsen von Assane, der als Junge von Mamadou Haidara gespielt wird und in Sachen Charisma Omar Sy in nichts nachsteht. Mühelos stellt er sowohl das gute Leben unter seinem Vater als auch die sich anbahnenden Konflikte mit der reichen Familie und das Durchschlagen auf einer privaten Eliteschule dar. Dies wurde Assane durch eine Gönnerin ermöglicht, die ihr Gewissen beruhigen will. Später in seinem Leben scheint keiner so recht zu wissen, was er beruflich eigentlich so macht. Seinem Sohn ist er merkwürdig fremd, seiner Ex-Partnerin (Ludivine Sagnier; „The New Pope") ebenso.
Ganz auf die actionreiche Handlung einlassen
Das ist privat offensichtlich von Nachteil, kommt seiner Laufbahn als Meisterdieb aber natürlich sehr entgegen. Einige Fragen bleiben aber dennoch unbeantwortet. Ist es wirklich so einfach, in ein französisches Gefängnis ein- und wieder auszubrechen? Kann man sich wirklich innerhalb von zwei Wochen in das Louvre-Reinigungspersonal schmuggeln, das ja immerhin mit Kunstschätzen von unermesslichem Wert zu tun hat? Ist es wirklich so geschickt, den bearbeitenden Inspektor (Vincent Garanger) zu entführen und ihm in einem schwachen Moment seine Identität zu verraten? Ist Omar Sys Charakterkopf nicht etwas zu auffällig für einen Dieb, der ja eher unauffällig bleiben sollte?
Hinterfragen sollte man diese Dinge also nicht und sich stattdessen ganz auf die actionreiche Handlung einlassen. Die wurde übrigens von Louis Leterrier (Episoden eins bis drei) und Marcela Said (vier und fünf) inszeniert. Leterrier ist unter anderem für seine Regiearbeiten „Transporter" mit Jason Statham, „Der unglaubliche Hulk" und „Die Unfassbaren" bekannt. Die Chilenin Said inszenierte einige Dokumentationen, bevor sie 2013 mit „Der Sommer der fliegenden Fische" ihr Spielfilmdebüt vorlegte – und dafür in einer Nebenkategorie in Cannes nominiert wurde.