Männer leiden selten unter einer reinen Entzündung der Samenblase. Öfter tritt eine Spermatozystitis in Verbindung mit einer Prostata-Infektion auf. Prof. Dr. Florian Wagenlehner, Direktor für Urologie am Universitätsklinikum Gießen, erklärt Diagnose, mögliche Komplikationen und Behandlung der Erkrankung.
Herr Prof. Dr. Wagenlehner, die Samenblase ist die paarig angelegte Geschlechtsdrüse des Mannes. Wie häufig tritt bei Männern eine Spermatozystitis, also eine Samenblasenentzündung, auf?
Die Spermatozystitis ist eine absolute Rarität, wenn sie von einer isolierten Samenblasen-Infektion sprechen. Die Prostatitis und die chronische Prostatitis, auch als chronisches Beckenschmerz-Syndrom bezeichnet, treten hingegen häufig auf. Da findet man ungefähr zehn Prozent der Männer – in unterschiedlichen Studien wird diese Inzidenz zwischen vier und zwölf Prozent angegeben –,
die einmal in ihrem Leben solche Symptome entwickeln. Ich habe schätzungsweise eine Handvoll Patienten mit einer Spermatozystitis gesehen. Dabei war die Entzündung zum Teil dadurch bedingt, dass einmal eine Stanz-Biopsie der Prostata vorgenommen wurde. Ansonsten ist die Samenblase bei einer bakteriellen Infektion der Prostata typischerweise nicht betroffen.
Warum ist die Samenblase in solchen Fällen nicht mit betroffen?
Die Samenblase selbst produziert Sekrete, die antibakteriell wirken – das kann ein Grund sein. Ein weiterer Grund ist, dass im Vergleich zur Prostata die Samenblase letzten Endes ganz anders aufgebaut ist. Die Prostata ist ein sogenanntes parenchymatöses Organ, das heißt da ist – anders als bei der Samenblase – viel Gewebe vorhanden. Die Samenblase selbst ist im Wesentlichen ein Hohlraum, gefüllt mit Sekret, der wenig Gewebe hat, sodass da kaum Angriffsfläche für eine Infektion ist. Das gleiche Phänomen können Sie bei der Niere und dem Harnleiter beobachten. Die Niere kann sich infizieren, wohingegen der Harnleiter typischerweise nicht merklich infiziert ist. Das ist eine gewisse anatomische Eigenart.
Was sind die typischen Symptome bei den betroffenen Männern?
Eine Samenblasenentzündung tritt immer in Verbindung mit einer Prostata-Infektion auf. Da die beiden Samenbläschen sehr nah an der Vorsteherdrüse liegen, können die Symptome nicht voneinander getrennt werden. Das sind in aller Regel akute Infektionssymptome, wobei sich dort zum einen systemische, den ganzen Körper betreffende Infektionen mit schweren Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost und eine Blutvergiftung finden. Dazu gehören aber auch lokale Symptome, die von einer Infektion des unteren Harntraktes, also Beschwerden beim Wasserlassen bis hin zur Harnsperre reichen.
Kann man sagen, dass sich die Samenblasen- und Prostataentzündung entscheidend auf die Lebensqualität des Mannes auswirkt?
Natürlich wirkt sich eine schwere akute Infektion auf die Lebensqualität des Mannes aus. Die chronische Prostatitis ist eine häufige Erkrankung, bei der zehn bis zwölf Prozent der Patienten entweder infiziert sind oder chronische Beschwerden haben. Meiner Ansicht nach ist eine chronische Samenblasenentzündung als isolierte Erkrankung aber sehr selten.
Ist dabei das Alter ein Faktor, der die Erkrankung begünstigt?
Wenn man von einer akuten Samenblasenentzündung ausgeht, ist das Alter nicht unbedingt ein Faktor, der die Erkrankung begünstigt. Es gibt natürlich Begleitumstände, wodurch diese begünstigt werden kann, zum Beispiel wenn eine Prostata-Biopsie zum Karzinom-Nachweis durchgeführt wird. Da die Spermatozystitis so selten ist, gibt es allerdings keine Evidenz dafür, was diese Erkrankung noch begünstigen kann.
Wann kommt es zu Komplikationen der Erkrankung, beispielsweise zu einer Blasenentzündung oder Blutvergiftung?
Geht man von einer akuten Infektion aus, dann treten immer Komplikationen oder Beschwerden auf. Beispielsweise ist bei der akuten bakteriellen Prostatitis immer auch die Blase mit entzündet. Eine Urosepsis, also eine Blutvergiftung, die vom Urogenitaltrakt ausgeht, ist immer zu befürchten, wenn nicht rechtzeitig therapiert wird. Die Urosepsis ist in der Tat eine typische Komplikation. Zwar gehen akute Zystitis, also eine Blasenentzündung und akute Prostatitis fast immer miteinander einher. Hingegen ist in wahrscheinlich der Hälfte der Fälle einer akuten Infektion der Prostata und Samenbläschen unbehandelt mit einer Urosepsis zu rechnen.
Das Ejakulat sollte bei chronischen Fällen untersucht werden
Stimmt es, dass bei der Diagnose der Samenblasenentzündung immer Ultraschall oder bildgebende Verfahren wie eine Computertomografie oder Magnetresonanztomografie zum Einsatz kommen?
Mit Ultraschall allein kann man die Infektion der Samenbläschen schwer nachweisen. Im Falle einer akuten Infektion ist das nicht das typische Verfahren, das angewandt wird. Natürlich praktiziert man das, um zum Beispiel andere Pathologien von Vornherein auszuschließen. Aber erfahrungsgemäß helfen dem Patienten eine Untersuchung des Urins und die jeweilige Klinik. Bei der Prostatitis kommt es sogar in manchen Fällen zu Abszessen der Vorsteherdrüse. Deshalb empfehlen wir eine Ultraschalluntersuchung vornehmen zu lassen. Dabei kann man auf dem Ultraschall-Screen auch die Samenblase mit darstellen. Typische Veränderungen lassen sich auf dem Ultraschallbild allerdings nur eingeschränkt erkennen, da das Sekret, das dort gebildet wird, ohnehin so dickflüssig ist, dass es sich von Eiter nicht einfach unterscheiden lässt. Eine andere Methode, die in solchen Fällen sinnvoll ist, ist die Magnetresonanztomografie.
Sie hatten die Klinik angesprochen, die einen wichtigen Part spielt. Gibt es an Ihrer Klinik besondere Diagnoseverfahren für die Prostatitis und die Spermatozystitis?
Generell führen wir im Zuge der chronischen Prostatitis Spezialuntersuchungen, wie zum Beispiel die Mehr-Gläser-Probe, durch. Bei der Mehr-Gläser-Probe wird mehrfach der Urin untersucht, daneben wird die Prostata vom After massiert, um Prostatasekret zu bekommen. Das darf man aber im akuten Intervall einer Infektion keinesfalls machen, weil man sonst unter Umständen eine Urosepsis provoziert. Zusätzlich kann man in solchen Fällen auch das Ejakulat untersuchen lassen. Insbesondere bei chronischen Fällen ist eine solche Untersuchung angebracht. Zudem kommt es darauf an, was man mit diesen Proben anstellt: Wir führen sehr umfangreiche Untersuchungen durch, zum einen mikrobiologische, um so kleinste und seltene Bakterien nachzuweisen und zum anderen molekulare Entzündungsuntersuchungen. Denn, wenn man nur auf Zellen untersucht, kann einem manchmal eine tatsächlich vorhandene Entzündung entgehen.
Wie behandelt man am besten die Spermatozystitis und Prostatitis?
Wenn wir bei der Spermatozystitis bleiben, ist diese letztlich durch Bakterien verursacht. Übrigens genauso wie die akute bakterielle Prostatitis. Daher müssen beide Entzündungen antibiotisch und empirisch behandelt werden. Wichtig ist hierbei, dass man ohne Abwarten der Resistenz-Testung damit beginnt, weil sonst die schwerste Komplikation wie eine Sepsis droht. Da es ein schweres Krankheitsbild ist, nehmen die Patienten meist Breitband-Antibiotika. Die Einnahme würde man auf drei Tage begrenzen, bis das Ergebnis der Resistenz-Testung vorliegt. In nur zehn Prozent der Fälle einer chronischen Prostatitis kann man mit einer Spezialuntersuchung Bakterien nachweisen. Und nur in diesen Fällen ist eine Antibiotika-Therapie indiziert. In allen übrigen Fällen ist keine Antibiotika-Therapie angezeigt. Deshalb ist es sinnvoll genaue Untersuchungen zu machen, weil sonst viele Patienten unnötigerweise antibiotisch therapiert werden würden.
Sollten die männlichen Patienten auf Bettruhe achten und möglichst körperliche und geistige Anstrengungen vermeiden?
Patienten mit einer akuten schweren Infektion können gar keine großen körperlichen Anstrengungen mehr machen. Denken dürfen sie allerdings noch weiterhin. Aber in allen anderen Fällen einer chronischen Prostatitis sollte man nicht auf Bettruhe achten, sondern sollte sich möglichst normal verhalten. Belastende Tätigkeiten sollte man allerdings vermeiden. Auch hier gilt, dass geistige Anstrengung durchaus erlaubt und gewünscht ist.
In komplizierten Fällen kann eine Operation nötig sein. Dabei wird eine Drainage gelegt, um das aufgestaute Sekret in der Samenblase abfließen lassen zu können. Kommt es Ihrer Erfahrung nach eher selten zu solchen Komplikationen?
Das ist in der Tat ganz selten der Fall. Eine Drainage wird gelegt, wenn zum Beispiel ein Prostata-Abszess vorliegt oder wenn man ganz sicher ist, dass eine Eiteransammlung in der Samenblase vorliegt. In aller Regel wird punktiert, das heißt man steckt eine sonografisch gesteuerte Nadel in die Geschlechtsdrüse rein. Inzwischen können wir mit der Technik wie bei der Prostata-Stanz-Biopsie auf den Millimeter genau punktieren. So kann der Eiter abgesaugt werden. Wenn es eine große Eiterhöhle ist, kann man für einige Tage eine Drainage, also einen Schlauch legen. Aber es stellt eine große Ausnahme dar, dass man die Samenblase punktiert.
Teilen Sie die Aussage, dass man am besten mit einem starken Immunsystem einer Samenblasenentzündung vorbeugt?
Ein normales Immunsystem ist ja immer wichtig, um Harnweg- und Genitalinfektionen abzuwehren. Das ist sicherlich richtig, jedoch gibt es keine Untersuchungen, die belegen, dass immungeschwächte Patienten häufiger an dieser sehr seltenen Infektion der Samenblase leiden.
Denken Sie, dass Männer, die die Krankheit durchgemacht haben, sich scheuen, offen über ihre Erfahrungen zu sprechen?
Nein, sie scheuen sich nicht davor, offen über ihre Erfahrungen und Symptome zu sprechen. Gerade bei Patienten mit einer chronischen Prostatitis ist es aber so, dass sie im Management der Erkrankung nicht immer richtig aufgenommen werden. Das ist teilweise dem Umstand geschuldet, dass es eine sehr komplizierte Erkrankung ist. Die Patienten wünschen sich eine fundierte Betreuung und eine individuelle Therapie.
Sie sprachen von „Management der Erkrankung". Meinten Sie damit den Umgang im Klinikalltag?
Management meint Diagnostik und Therapie. Beides ist gleichermaßen wichtig.
Das heißt man sollte eine solche Erkrankung ernst nehmen?
Ja, weil natürlich auch Depressionen und psychische Parameter in die Erkrankung hineinfließen und man diese folglich auch im Therapiekonzept mitberücksichtigen muss.