Für 80 Prozent aller Fälle von Lungenkrebs ist das Rauchen verantwortlich. Dabei gilt die Krebsart als eine der häufigsten hierzulande. Prof. Dr. Dr. Robert Bals vom Uniklinikum Homburg, spricht über weitere Risikofaktoren, ein neues Tumor-Screening und Herausforderungen für die Forschung.
Herr Prof. Bals, Lungenkrebs ist bei Männern hierzulande die zweit- und bei Frauen die dritthäufigste Krebserkrankung. Etwa acht von zehn Lungenkrebs-Patienten haben ein nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom, 20 Prozent der Patienten das selten auftretende kleinzellige Bronchialkarzinom. Wie unterscheiden sich die Karzinome?
Es gibt völlig unterschiedliche Formen des Lungenkarzinoms. Je nach vorliegender Form können wir unterschiedliche Behandlungen durchführen. Klassischerweise wurde die Diagnose der Formen mit dem Lichtmikroskop, sprich mit einer ganz alten Methode, gewählt. Dabei zeigen sich die Zellen des Lungentumors unterschiedlich. Manche Tumore haben sehr kleine Zellen, dann spricht man von einer kleinzelligen Tumorart. Daneben gibt es die Gruppe der nicht kleinzelligen Tumore, die sich ihrerseits in weitere Untergruppen auffächert. 20 Prozent sind kleinzellige Lungenkarzinome, 80 Prozent dementsprechend nicht kleinzellige. Die nicht kleinzelligen Lungenkarzinome unterteilen sich wiederum in Adeno-Karzinome, Plattenepithelkarzinome und eine Reihe weiterer seltener Formen.
Warum erkranken Männer öfter an Lungenkrebs als Frauen?
Es gibt einige Risikofaktoren. An allererster Stelle steht das Rauchen. Deshalb ist in der Personengruppe, die mehr raucht, auch etliche Jahre später eine erhöhte Anzahl an Tumoren festzustellen. Das ist damit zu erklären, dass Männer in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren mehr geraucht haben und demzufolge auch mehr an Tumoren erkranken. Frauen haben in der Vergangenheit etwas aufgeholt, weshalb sie leider in den letzten Jahren auch mehr Tumore haben.
Seit den 80er-Jahren geht die Zahl der Neuerkrankungen bei Männern allerdings zurück, wohingegen die Erkrankungszahl bei Frauen ansteigt. Experten erklären diese Entwicklung damit, dass in jüngster Vergangenheit mehr Frauen rauchen. Können Sie das bestätigen?
Die Zahlen belegen eindeutig, dass Frauen in den vergangenen Jahrzehnten vermehrt das Rauchen angefangen haben und somit auch mehr Frauen ein Lungenkarzinom bekommen.
Tabakkonsum ist der größte Risikofaktor für die Entstehung von Krebs. Laut aktuellem Tabakatlas des Deutschen Krebsforschungszentrums sind 80 Prozent aller Fälle von Lungenkrebs auf das Rauchen zurückzuführen. In Nordrhein-Westfalen und im Saarland erkranken jedes Jahr die meisten Menschen an der Krebsart. Wie erklären Sie sich das?
Rauchen ist einfach der größte Risikofaktor, eine kleine Prozentzahl machen die Exposition mit Radon, einem radioaktiven, aus dem Boden austretenden Gas, und die allgemeine Umweltverschmutzung aus. Wenn die Saarländer und Nordrhein-Westfalen mehr als die übrigen Bundesbürger an Lungenkrebs erkranken, liegt das daran, dass sie früher mehr geraucht haben. Das ist eine proportionale Beziehung.
Wie kommt es, dass der Anteil der rauchenden Männer zurückgegangen ist?
Im Gesamten sind die Raucherzahlen in Deutschland deutlich zurückgegangen. Rauchen gilt nicht mehr als cool, weshalb junge Menschen nicht mehr so viel rauchen wie früher. Das ist sehr wichtig für die Gesundheit, weil Rauchen unter den Top 3 der Faktoren ist, die man selbst beeinflussen kann, um länger zu leben. Hinzu kommen Anti-Rauch-Kampagnen und Gesetzgebungen, um Werbung für Tabak und Zigaretten zu verbieten und vieles andere mehr. Das Ganze hat insofern gefruchtet, als dass heute deutlich weniger Menschen rauchen als früher. Entsprechend sinkt die Zahl der Lungenkrebs-Erkrankten.
Können Sie feststellen, dass die Zahl der Lungenkrebs-Erkrankten im Saarland sinkt?
Wir haben im Saarland ein sehr gutes und detailliertes Krebsregister. Das gibt es in kaum einem anderen Bundesland. Da sieht man ganz deutlich, dass die Zahl der Erkrankten allmählich zurückgeht.
Aber trotzdem sind die Zahlen der neu erkrankten Lungenkrebs-Patienten im Saarland und in Nordrhein-Westfalen immer noch überdurchschnittlich hoch.
Offensichtlich haben die Saarländer vor vielen Jahren überdurchschnittlich viel geraucht. Das ist eine einfache Korrelation: Wer viel Lungenkrebs hat, hat
viel geraucht.
Neben Radon, dessen Konzentration von Region zu Region unterschiedlich ist, zählen außerdem auch noch Autoabgase, Feinstaub und Luftverschmutzung zu den Risikofaktoren. Ist das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken abhängig davon, ob man im ländlichen Raum oder in einer Großstadt mit Industrieansiedlung lebt?
Das größte Risiko ist und bleibt das Rauchen. Andere Faktoren wie zum Beispiel Radon, das nicht unbedingt in jeder Großstadt, sondern eher in ländlichen Gegenden in höherer Konzentration nachweisbar ist, oder die allgemeine Umweltverschmutzung aus verschiedensten Quellen sind aber anteilsmäßig mit Blick auf das Lungenkrebs-Risiko so gering, dass sie weit hinter das Rauchen zurücktreten.
Nun ist es ja so, dass Lungenkrebs im frühen Stadium kaum Beschwerden hervorruft – erst wenn die Erkrankung fortgeschritten ist, treten Symptome auf. Welche Symptome und deren Ursachen sollten unbedingt durch einen Arzt abgeklärt werden?
Das ist schwierig zu beantworten, weil das keine Symptome sind, die genau auf das Lungenkarzinom hindeuten. Zudem sind das keine Frühbeschwerden, sondern treten oft erst im fortgeschrittenen Stadium auf. Bei allen Beschwerden, die länger als eine Woche anhalten und die man nicht zuordnen kann, sollte man auf jeden Fall einen Arzt zurate ziehen. Vor allem sollte man häufiges Husten, vermehrten Auswurf, mehr Luftnot und Schmerzen im Bereich des Brustkorbs untersuchen lassen. Ganz wichtig: Wenn man Blut hustet, umgehend einen Arzt aufsuchen.
An welchen Arzt sollte man sich wenden?
Ich denke für den Anfang ist der Hausarzt eine gute Wahl. Danach muss man schauen, ob man die Schleife macht über die Bildgebung, sprich über ein Röntgenbild oder eine Computertomografie – je nach Ausmaß der Beschwerden –, oder ob man sich von einem Lungenarzt untersuchen lässt.
Warum unterscheidet man vier Tumorstadien?
Man muss jede Therapie planen, indem man erst einmal prüft, wie weit der Tumor im Körper beziehungsweise in der Lunge ausgebreitet ist. Bei nahezu jedem Tumor geht man in drei Stufen vor und schaut, ob er sich von selbst ausgebreitet hat, das heißt, ob er sich am Ort der Entstehung lokal ausbreitet und ob er in andere wichtige Organe eingewachsen ist. Zweitens wird überprüft, ob die lokalen Lymphknoten befallen sind. Dafür braucht man im Wesentlichen ein CT oder PET-CT, also eine nuklearmedizinische Untersuchung. Drittens schaut man, ob Fernmetastasen vorliegen, wofür man ebenfalls ein PET-CT benötigt. Je nach Ausbreitung, Befall und Streuung kann man den Tumor in die Stadien eins bis vier einteilen. Die Stadien eins bis drei verlaufen im Allgemeinen ohne vernetzte Fernmetastasierung. Im Stadium vier liegt eine Fernmetastasierung vor. Ein solcher Lungenkrebs ist völlig anders zu behandeln als ein lokal begrenzter Tumor, denn den kann man in guten Fällen rausschneiden, um eine Heilung zu erreichen. Deswegen ist es wichtig, dass man eine Stadieneinteilung vornimmt.
Fernmetastasierung bedeutet, dass der Tumor streut?
Genau, das heißt, dass der Tumor übers Blut oder andere Wege Metastasen abgesetzt hat.
Wie sehen Lebenserwartung und Heilungschancen für Lungenkrebs-Patienten aus – im frühen und späten Tumorstadium?
Für den einzelnen Fall ist es natürlich immer extrem schwierig das exakt zu sagen. Deshalb halten wir uns auch zurück, irgendwelche Zeitangaben zur voraussichtlichen Lebenserwartung zu machen. Bei manchen Patienten mit fortgeschrittenem Tumorstudium läuft es sehr gut. Man kann mit den neuen Therapieverfahren in der Tat den Lungenkrebs in eine chronische Erkrankung überführen. In anderen Fällen sieht es eher kritisch aus. Klar, wenn ein Tumor schon gestreut ist, also sich im Stadium vier befindet, dann ist es eine Erkrankung, die man nicht mehr heilen kann. Aber natürlich kann man sie im Verlauf mit modernen Therapieverfahren in den allermeisten Fällen sehr günstig beeinflussen. Natürlich ist das Ziel in den Stadien, in denen sich der Tumor noch nicht ausgebreitet hat, auf jeden Fall zu heilen, indem man durch Chirurgie, Strahlentherapie und Systemtherapie versucht den Tumor loszuwerden.
Systemtherapie meint Chemotherapie?
Früher gab es nur die Chemotherapie mit relativ harten Medikamenten. Doch in den letzten Jahren sind sehr viele neue Substanzen auf den Markt gekommen und zugelassen worden. Das sind zielgerichtet wirkende Medikamente, die Stoffwechselwege oder andere tumorspezifische Eigenheiten angreifen und recht wenige Nebenwirkungen haben. Zu diesem Bereich zählt auch die Immuntherapie, bei der man das körpereigene Immunsystem aktiviert, sodass es den Tumor attackiert. Das nennt man Systemtherapie, weil es auf den ganzen Körper wirkt, aber es ist keine klassische Chemotherapie.
Das Tumor-Screening senkt die Sterblichkeit an Lungentumoren um 20 Prozent
Mediziner haben ein Problem, Lungenkrebs früh zu erkennen. Warum ist bislang noch keine zuverlässige Methode zur Früherkennung gefunden worden?
In der Tat wäre es sehr erfreulich, wenn wir mit einer Früherkennung arbeiten könnten. Da gibt es einige gute, große Studien, die zeigen, dass man mit einem CT bei Risikopatienten, also bei älteren Menschen, die viel geraucht haben, sehr gut frühe Stadien von diesen Tumoren identifizieren, abklären und entsprechend operieren kann. Das ist durchaus wirksam und senkt die Sterblichkeit an Lungentumoren. Mit dem Tumor-Screening wird schon in einigen Ländern wie den USA gearbeitet. Insgesamt senkt es grob gesagt die Sterblichkeit an Lungentumoren um 20 Prozent. Aber auch hierzulande soll das Screening bald kommen. Dazu werden derzeit Verhandlungen mit den Kostenträgern geführt. Sicherlich wird diese neue Screening-Methode im Laufe des nächsten Jahres auf uns zukommen.
Welche Diagnose- und Therapieverfahren haben sich bewährt und auf welche setzen Sie als einer von drei Co-Leitern im Lungenkrebszentrum des Saarlandes?
Letztlich setzen wir am Lungenkrebszentrum des Saarlandes auf standardisierte und weltweit anerkannte Therapieverfahren, die im Wesentlichen auf chirurgischen Verfahren, auf Strahlentherapie und Systemtherapie basieren.
Am Uniklinikum Homburg wird auch eine Rauchersprechstunde angeboten. Was wird da gemacht?
Rauchentwöhnung ist ein sehr wichtiges Thema, das leider hierzulande nicht so gut in der Öffentlichkeit kommuniziert wird wie in anderen Ländern, weil die Kosten eines Raucherentwöhnungsprogrammes im Allgemeinen nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Es gibt für Raucher verschiedene Anlaufstellen – wir selbst bieten nicht nur die Sprechstunde an, sondern auch viele Hilfsmöglichkeiten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung berät telefonisch zur Rauchentwöhnung und darüber hinaus bieten viele Krankenkassen-Kurse einen Einstieg in ein nikotinfreies Leben.
Wo liegen Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen in der Lungenkrebs-Forschung?
Ich denke, da gibt es viele Herausforderungen. Zum einen muss die Therapieforschung noch viel weiter vorangebracht werden, weil trotz der größeren Fortschritte, die erzielt wurden, noch immer viele Tumore nicht heilbar sind. Zweitens geht es auch darum, die Ursachen besser kennenzulernen. Neben dem Rauchen gibt es weitere wichtige Ursachen, zum Beispiel welchen Einfluss die Umweltverschmutzung auf die Entstehung von Lungenkrebs hat. Auch mit Blick auf die Präventionsmethoden stehen wir vor der Frage, ob es andere Methoden der Früherkennung gibt und wie wir es noch effektiver schaffen, dass sich Frauen und Männer gar nicht erst dem Risiko an Lungenkrebs zu erkranken aussetzen.