Eintracht Frankfurt hat aktuell eine der spannendsten Mannschaften der Bundesliga. Das liegt nicht zuletzt am 2016 noch eisig empfangenen Manager Fredi Bobic. Und an Torjäger André Silva. Doch es ist fraglich, ob die Eintracht beide über die Saison hinweg wird halten können.
Man mag es aus heutiger Sicht kaum glauben. Aber als im Mai 2016 durchsickerte, dass Fredi Bobic neuer Sportvorstand von Eintracht Frankfurt werden soll, ging die Mehrzahl der Fans auf die Barrikaden. Bobic hatte keine negative Vergangenheit für die Eintracht. Er spielte nie für einen Erzrivalen und hatte sich nie abfällig über die Frankfurter geäußert. Dennoch hingen beim Abstiegs-Relegationsspiel der Hessen gegen den 1. FC Nürnberg Plakate im Stadion wie „Bobic bleib fott" oder „Bobic passt zu Frankfurt wie Fußballtradition zu Red Bull". Und das Fan-Portal „sge4ever.de" schrieb: „Man kann sicherlich nicht davon sprechen, dass die Besetzung der Position des Sportvorstandes mit Fredi Bobic die Frankfurter Anhängerschaft spalten würde. Zu einhellig ist die Ablehnung des früheren Stuttgarters."
Die Arbeit in Stuttgart war auch der Grund für die Proteste gegen Bobic. Der hatte im Schwabenland von 2010 bis 2014 zunächst als Sportdirektor und später als Sportvorstand mäßigen Erfolg. Wenn auch unter schwierigsten Bedingungen. Unter der Vorgabe des Kostenabbaus sollte er hohe Ziele erfüllen. Was ihm nicht gelang. Und bei der Personalauswahl hatte er in der Tat nicht immer ein glückliches Händchen.
Zwischen den Fans und Bobic knisterte es in Frankfurt immer mal wieder. 2019 zum Beispiel, als er Ex-Nationalspieler Andreas Möller als Nachwuchschef einstellen wollte. Dies sei ein „No-Go", schrieben die Fans, die dem gebürtigen Frankfurter die Umstände seiner Wechsel 1987 nach Dortmund und 1992 zu Juventus Turin übelnahmen. Bobic erklärte: „Wer gegen Möller ist, ist auch gegen mich." Woraufhin die Fanvertretung „Nordwestkurve" in einem Statement schrieb: „Mit welchem Recht maßt sich Fredi Bobic an, die Kritik an der Personalie Möller mit seinem persönlichen Schicksal zu verbinden? Das klingt gleichzeitig nach Gutsherrenart eines Sonnenkönigs, aber auch wie ein beleidigtes, bockiges Kind. In jedem Fall aber zeigt sich eine seltsame Vorstellung von Demokratie in einem Fußballverein."
Mehrere Karriere-Optionen für Bobic
Doch trotz aller Reibungspunkte würde es die absolute Mehrzahl der Eintracht-Fans als herben Verlust empfinden, würde Bobic in diesem Sommer wechseln. Vor allem Hertha BSC ist sehr interessiert am Ex-Nationalspieler, dessen Familie auch in Berlin lebt. Und auch für den einst von Ralf Rangnick bekleideten Posten als Head of Global Soccer bei Red Bull soll er im Gespräch sein. Ebenso wie als Nachfolger des im Sommer 2022 scheidenden DFL-Bosses Christian Seifert.
Denn Bobic hat wohl alle, die nach dem unglücklichen Stuttgart-Engagement an ihm gezweifelt hatten, überzeugt. Denn nach der Last-Minute-Rettung vor Bobics Ankunft belegte die Eintracht zunächst die Plätze elf und acht, holte 2018 zudem sensationell den DFB-Pokal. Und zog im Jahr darauf mit furiosem Fußball ins Halbfinale der Europa League ein. Aktuell belegen die Hessen einen Champions-League-Platz und spielen den vielleicht begeisterndsten Offensiv-Fußball der Liga.
Bobic wurde 2018 vom Fachmagazin „Kicker" zum „Mann des Jahres" gekürt, das Magazin „11 Freunde" wählte ihn 2018 und 2019 zum „Manager des Jahres". Seine Husarenstücke: Nach dem umstrittenen Abschied von Niko Kovac nach dem Pokalsieg 2018 zum FC Bayern holte er mit dem Österreicher Adi Hütter genau den richtigen Nachfolger. Und vor allem das glückliche Händchen des früheren Torjägers bei der Verpflichtung von Stürmern ist bemerkenswert. So baute er die berühmte „Büffelherde" auf, bestehend aus Sebastien Haller, Luka Jovic und Ante Rebic. Die kostete beim Einkauf rund 44 Millionen. Verkauft hat Bobic Haller und Jovic schließlich für zusammen 113 Millionen. Rebic tauschte er beim AC Mailand gegen André Silva ein, der in der Torjägerliste der Bundesliga mit 18 Toren Ende Februar auf Platz zwei hinter Robert Lewandowski und vor Erling Haaland steht. Und er ist sicher inzwischen auch schon mehr wert ist als die bei transfermarkt.de schon notierten 37 Millionen. Zudem lieh Bobic den bei Real Madrid bisher nicht glücklich gewordenen Jovic einfach zurück. Und glaubt man Medienberichten, will Bobic Jovic am Saisonende wieder fest verpflichten. Sicher für deutlich weniger als die aus Madrid erhaltenen 63 Millionen. Und sicher auch für weniger, als man bei einem Verkauf von Silva einnehmen würde. Denn der Portugiese ist, wie auch Hütter verriet, „natürlich begehrt". Zum Beispiel Atlético Madrid, in Spanien gerade Tabellenführer vor Real und dem FC Barcelona, soll Interesse zeigen. „Wohin sein Weg irgendwann gehen wird, kann ich nicht sagen", sagte Hütter.
Und weil der Portugiese Silva ebenso unglaublich beeindruckend auftritt, ist Jovic derzeit nur Joker. In den ersten acht Spielen des Jahres 2021 erzielte er neun Treffer, die meisten davon in beeindruckender Manier. Im „Kicker" erhielt er die ganze Saison über nie eine schlechtere Note als 4,5. Für einen Stürmer sehr ungewöhnlich. Haaland bekam zum Beispiel schon viermal in dieser Saison eine 5. Aber ein kompletter Totalausfall war der 25-Jährige auch an schlechten Tagen nicht, weil er immer für die Mannschaft arbeitete.
Silvas Karriere startete mit Problemen
Sein Potenzial war immer schon riesig. Derart riesig, dass von Weltstar Cristiano Ronaldo folgender Satz verbrieft ist: „Wenn ich zurücktrete, wird Portugal in guten Händen sein. Denn die Mannschaft hat bereits einen tollen Stürmer." Doch die Aussage aus dem Jahr 2017, Silva war damals gerade 21, war vielleicht auch eine Last. Der „neue Ronaldo" zu sein, das ist ganz schön erdrückend.
Nach dem 38-Millionen-Wechsel vom FC Porto zum AC Mailand lief es in Italien nicht so gut. Ganze zwei Treffer gelangen ihm bei 27 Einsätzen. Das erste Leihgeschäft mit dem FC Sevilla verlief mäßig. Und auch in Deutschland hatte Silva Startschwierigkeiten. Ein Geheimnis seines jetzigen Erfolges sei, dass man ihn nicht zu sehr unter Druck gesetzt hat, erklärte Trainer Hütter später: „Man muss Spielern auch mal Zeit geben, den Fußball in Deutschland, das Umfeld und die Sprache kennenzulernen."
In jungen Jahren war Silva offenbar übermotiviert. „Als Jugendlicher wollte ich ständig trainieren", sagte er in einem „Sport Bild"-Interview: „Aber es ist nicht immer besser, so viel zu machen wie andere. Sogar Cristiano trainiert nicht mehr so viel wie früher. Es geht mehr darum, dass ich so viel trainiere, wie mir guttut." Zudem sei er zu selbstkritisch gewesen: „Ich habe immer mir die Schuld gegeben, dass ich nicht getroffen habe oder wir verloren haben. Aber das zieht einen nur runter, daraus habe ich gelernt. Manchmal ist es einfach nicht mein Tag."
Doch Silva gilt eben als sensibel. Und lange war er offenbar auch zu introvertiert. Er habe immer stark wirken und nie Schwäche zeigen wollen. Und er habe mit seiner Familie nie über Fußball gesprochen, weil er sie nie belasten wolle, sagte er über seine schwierigen Zeiten. Doch die sind längst vorbei. Und als Mentor und Nebenmann in der Nationalmannschaft ist Ronaldo natürlich Gold wert. Er versuche, sich jedes kleine Detail von ihm abzuschauen, berichtete Silva.
Er ist eben auch reflektiert. Und er hat aus allem gelernt. Und die Geduld, die sie mit ihm in Frankfurt hatten, genutzt. „Er ist komplett in der Bundesliga angekommen. Und er ist regelrecht explodiert", stellte Bobic kürzlich stolz fest. Kurioserweise platzte der Knoten aber erst nach der Corona-Pause. In Geisterspielen. 26 Treffer in 30 Partien ohne Zuschauer hat Silva erzielt. Davor waren es vier gewesen in 15 Einsätzen. Hilft es ihm also sogar, wenn kein Druck von außen kommt? „Es ist anderherum", sagte Silva: „Mit den Fans im Stadion wird es noch besser."
Ob das dann aber noch in Frankfurt sein wird, scheint offen. Genau wie die Frage, ob im Falle eines Verbleibs Bobic dann noch sein Chef ist.