Jahrelang hat man beim 1. FC Saarbrücken darauf gewartet, dass ein Nachwuchsspieler den Sprung zu den Profis schafft. Mit Luca Kerber hat sich nun ein Junge ins Rampenlicht gespielt, den zuvor kaum jemand auf der Rechnung hatte.
Mit Fußball-Profis bringt die Allgemeinheit gern große Autos, auffallende Tattoos und Luxus-Klamotten in Verbindung. Luca Kerber hat noch nichts von alledem. Die Termin-Koordination mit dem 18-jährigen Mittelfeldspieler des 1. FC Saarbrücken ist daher auch ungewöhnlich. Denn Kerber muss den Fahrplan der Deutschen Bahn im Auge behalten. Zum Training des Drittligisten reist der Dillinger mit dem Zug an. „Ich habe zwar einen Führerschein, aber dadurch dass ich als Student ein Semesterticket habe, kann ich so Geld sparen", erklärt das Talent. Es sind diese Kleinigkeiten, die FCS-Trainer Lukas Kwasniok so an seiner Entdeckung schätzt. „Er kommt aus einem guten Elternhaus, hat den Kopf gerade auf den Schultern sitzen und geht seinen Weg. Er ist das, was man als guten Jungen bezeichnen kann", sagt der 39-Jährige.
Der Weg des Mittelfeldspielers, der am 10. März 19 Jahre alt wird und eigentlich noch A-Jugend spielen könnte, war nicht unbedingt Richtung Profifußball vorgezeichnet. In der U14 wechselte er von seinem Heimatverein SSV Pachten in die Jugend des FCS. Ein Jahr später wurde er zu einem Lehrgang der Nationalmannschaft eingeladen, Vereine wie Mainz 05 oder die TSG Hoffenheim klopften an. Doch Kerber entschied sich dagegen, das familiäre Umfeld und die Freunde gegen den Internatsalltag bei einem Bundesligisten einzutauschen. „Das muss jeder für sich selbst entscheiden, aber ich bin froh und zufrieden hier. Die Bedingungen beim FCS sind gut, ich habe die Entscheidung zu keiner Sekunde bereut."
„Entscheidung zu keiner Sekunde bereut"
Im vergangenen Frühjahr absolvierte er sein Abitur, seit einigen Monaten studiert er Wirtschaftsingenieurwesen in Saarbrücken. Dass er plötzlich Drittliga-Profi ist, war eigentlich nicht abzusehen. Klar, als Kapitän der Saarbrücker U19 war er zwangsläufig im Blickfeld der Profis. Doch eigentlich sollte er mit dafür sorgen, dass die A-Jugend in der Bundesliga Fuß fasst. Doch nach drei Spielen wurde die Saison im Herbst schon wieder unterbrochen. Ob und wann sie fortgesetzt wird, ist offen. Für viele Spieler des ältesten Jugendjahrgangs ist das eine unbefriedigende Situation. Für Luca Kerber hingegen öffnete sich die Tür in den Profibereich: „Es gibt auch im Sport Corona-Verlierer und -Gewinner. Ich gehöre wohl zu letzteren, auch wenn es sich ein wenig zynisch anhört."
Coach Kwasniok beförderte ihn in den Kader des Aufsteigers, und beim Jahresauftakt in Meppen stand Kerber zum ersten Mal von Beginn an auf dem Platz. Trainer und Mitspieler schwärmen von der Ruhe und Gelassenheit des 18-Jährigen. „Als Kind träumst du doch von dieser Chance. Wenn sie dann da ist, musst man sie halt auch nutzen. Natürlich war ich nervös, aber es gehört dazu, dass man das ausblenden kann", sagt Kerber.
Nach einem Startelf-Einsatz rückte Kerber erst einmal wieder ins zweite Glied. Doch nach der Rot-Sperre für Kapitän Manuel Zeitz schlug seine Stunde. Dreimal durfte ihn der Youngster auf der zentralen Position im defensiven Mittelfeld vertreten. Der FCS holte sieben Punkte, und Kerber wurde mit Lob überhäuft. Und plötzlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hat der FCS wieder ein Eigengewächs in seiner Profimannschaft. 2013 schaffte es U23-Kapitän Philipp Hoffmann, zwei jahre zuvor setzte sich Johannes Wurtz bei den Aktiven durch.
Studium soll fortgesetzt werden
Doch die größten Gemeinsamkeiten hat Kerber sicherlich mit Manuel Zeitz. Auch der wurde als A-Jugendspieler vom damaligen Trainer und heutigen Vizepräsidenten Dieter Ferner kurzerhand zum Profi gemacht. „Man muss berücksichtigen, dass wir damals in der Oberliga gespielt hatten. Da war der Sprung nicht so groß. Wie Luca die Aufgabe gelöst hat, ist schon beachtlich", lobt Kapitän Zeitz. Der marschierte damals mit dem FCS bis in die 3. Liga und wechselte anschließend zum 1. FC Nürnberg. Luca Kerber hat sich kürzlich bis Sommer 2023 an den FCS gebunden. Das schnelle Handeln der sportlichen Leitung ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass die ersten Späher größerer Vereine auf den 18-Jährigen aufmerksam geworden sind. Dem sind Vergleiche mit dem aktuellen Kapitän noch ziemlich peinlich: „Manuel ist hier eine Identifikationsfigur. Er hat viel geleistet, während ich erst am Anfang stehe", sagt Kerber. Trainer Kwasniok, der das Talent behutsam aufbauen will, ist auch darum bemüht, keine Konkurrenzdebatte zwischen Zeitz und Kerber aufkommen zu lassen. „Luca hat es als Vertreter von Manuel extrem gut gemacht. Aber vom Typus her ist es kein klassischer Sechser. Ich bin sehr froh, dass er die Position so gut ausfüllen kann, aber perspektivisch sehe ich ihn eher eins vornedran. Sein erstes Spiel hat er ja gemacht, als Manuel auch gespielt hat", betont der Trainer.
Während Zeitz früh alles auf die Karte Fußball gesetzt hat, will Kerber zweigleisig planen. Das Studium wird er auf jeden Fall fortsetzen, wenn auch ab Sommer an einer Fern-Uni. „Auf den langen Auswärtsfahrten bleibt genug Zeit zum Lernen. Aber ich habe schon einen gut gefüllten Tag. Viel Zeit für andere Dinge bleibt da eigentlich nicht."
Kwasniok wird den FCS im Sommer verlassen. Sein Schützling bedauert die Entscheidung, nimmt sie aber professionell: „Er hat mir das Vertrauen geschenkt und mich ins kalte Wasser geworfen. Das werde ich nie vergessen. Aber als Fußballer kannst Du Dich nicht von einem Trainer abhängig machen", sagt Kerber und erklärt, warum er trotz des Trainerwechsels einen Profivertrag unterschrieben hat: „Wenn man als Saarländer ein Angebot vom FCS bekommt, ist man fast schon verpflichtet, das anzunehmen."
Mit knapp 19 Jahren stehen dem Talent alle Türen offen. Ihm ist es wichtig, dass er keinen vorgegebenen Weg gehen will. „Ich will nicht ewig als der neue Zeitz gelten. Ich arbeite dafür, dass mich die Menschen als Luca Kerber wahrnehmen", sagt er.