Wirklich überzeugend sind die Umfrageergebnisse der CDU aktuell nicht. Denn sie hat ausreichend Baustellen: auseinanderdriftende Parteiflügel, eine dringend nötige Neuausrichtung nach der Ära Merkel, Korruptionsvorwürfe bei der Bundestagsfraktion, dazu die offenen Fragen nach Kandidat und Programm.
Die erste Entscheidung für dieses Jahr hat die CDU bereits getroffen – und Armin Laschet zum neuen Parteichef gewählt. Damit haben die 1.001 Delegierten mehrheitlich auf Nummer sicher gesetzt. Denn Laschet wird wohl keine Revolution des Merkel-Mitte-Kurses anstreben, gilt er doch selbst als eher liberal. Schon 2018 hatte er davon gesprochen, dass „der Markenkern" der CDU „nicht das Konservative" sei. Damit hatte er auch viel Unmut auf sich gezogen. Denn für das linke Spektrum ist die CDU zu konservativ, für viele Konservative aber zu liberal. Nicht zuletzt durch diese „Linksverschiebung" ist eine Abgrenzung zu anderen Parteien so schwierig geworden. Mit Friedrich Merz hatten einige auf ein klares Bekenntnis zum Konservatismus gehofft, allerdings hätte man mit dem Sauerländer auch einige Wähler vergrault.
Laschet gilt da schon eher als einer, dem man zutraut, die Strömungen innerhalb der Union wieder zu einen. Das zeigte er bereits in seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen. Doch traute man diese Fähigkeit auch seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu, die es in den vergangenen zwei Jahren nicht schaffte, die tiefen Gräben in der Partei zu schließen. Vor einem halben Jahr hatte sie gegenüber FORUM betont, wie wichtig es sei, dass die CDU geeint nach vorne gehe: „Wir haben gesehen, wie sehr es uns schadet, wenn auch nur der Eindruck entsteht, die Union sei nicht geschlossen." Auch langjährige Umfrageforschungen zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Eindruck, einer einigen Partei und ihren Wahlchancen.
Wer wird Union-Kanzlerkandidat?
Laschet bleibt dafür nun deutlich weniger Zeit. Seine Wahl war auch ein Auftakt ins Superwahljahr 2021. Gleich sechs Landtagswahlen und die Bundestagswahl kommen auf ihn zu. Und die beiden ersten großen Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg werden ihm kaum den Rückenwind bringen, den es dafür braucht, eine weitere entscheidende Frage zu klären: Wer wird als Kanzlerkandidat der Union ins Rennen gehen?
Eine Antwort soll es zwischen Ostern und Pfingsten geben, wie der CDU-Chef den „Aachener Nachrichten" ankündigte. Denn neben ihm steht der Chef der Schwesterpartei CSU, Markus Söder, zur Auswahl. Der Bayer liegt in Umfragen deutlich vor dem NRW-Ministerpräsidenten. Laut neuesten Civey-Umfragen sprechen Bürger Markus Söder die mit Abstand höchste Kompetenz in der Corona-Krise zu. Ganze 50,8 Prozent sind mit dem Krisenmanagement des bayrischen Staatschefs zufrieden – bis zum zweiten Platz, den SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz bekleidet, sind es 18 Prozent Vorsprung. Und Laschet kommt gerade mal auf 17,1 Prozent. Söder gilt als Hardliner in Sachen Corona-Politik. NRW-Ministerpräsident Laschet hingegen ist sein Hin und Her während der Pandemie zum Verhängnis geworden.
Genau das könnte die Aussichten Laschets auf den Spitzenposten bereits jetzt trüben – und das obwohl Söder bisher offen gelassen hatte, ob er überhaupt für das Kanzleramt kandidieren wollte. Markus Söder hat Profil gewonnen, Armin Laschet fehlt es dagegen an klaren Konturen. Laschet könnte genauso gut mit den Grünen koalieren, wie mit SPD oder FDP. Denn es gibt keinen erkennbar klaren Kurs, den er mit seiner CDU anstrebt.
Dieser Mangel hat viele Unions-Anhänger in einer regelrechten Orientierungslosigkeit zurückgelassen. Die Partei kommt einfach nicht zur Ruhe. Der gesamten CDU fehlt es an Profil, dieses zu schaffen wird eine der Hauptaufgaben für Laschet sein, wenn er nicht in den politischen Mühlen untergehen will. Dafür muss er aber erst einmal für sich selbst herausfinden, in welche Richtung er sich profilieren möchte.
Doch nicht nur Armin Laschet wirkt grau. Allgemein fehlt es den CDU-Spitzenpolitikern an einer Marschrichtung. Trotz anfangs großem Zuspruch stolpert Jens Spahn aktuell eher durch das Krisenmanagement, als dass er aufrecht geht. Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Baustellen ihrer Vorgänger im Verteidigungsministerium geerbt, die sie erst beseitigen muss, bevor man ihr Potential auf der Stelle erkennen könnte, Julia Klöckner haftet der Ruf als Werbe- und Lobbyministerin an. Mit Peter Altmaier als Wirtschaftsminister ist kein Blumentopf zu gewinnen und auch Bildungsministerin Anja Karlizcek fährt keinen klaren Kurs. Auch in den Ländern sieht es nicht besser aus, was die Führungsqualitäten der Staatschefs angeht. Wo sich in Schleswig-Holstein und im Saarland Daniel Günther und Tobias Hans zwar gerne vor Kameras zeigen und den lässigen Junggebliebenen mimen, fehlt es Michael Kretschmer in Sachsen oder Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt gänzlich an bundespolitischer Präsenz. Hessens Staatsoberhaupt Volker Bouffier kann das aufgrund seines gesundheitlichen Zustands auch nicht mehr wettmachen.
Profillos und ein Mangel an Inhalten
Dass die CDU die Umfragen trotz Sinkflug noch anführt, liegt nicht an Armin Laschet. Besonders die coronabedingte „Stunde der Exekutive" im Frühjahr des vergangenen Jahres hat der Union einige Stimmen einbringen können. Doch der Corona-Bonus verpufft. Seit Herbst ist die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung deutlich gesunken und mit ihr zum Teil die Prozente der CDU. Auch hierfür ist Laschet nicht verantwortlich zu machen, sondern ebenjene, die aktuell Regierungsverantwortung im Bund tragen. Das macht eine realistische Einschätzung für die anstehende Wahl aber auch so schwierig, gleichen die aktuellen Befragungen doch eher einer Bewertung der Kanzlerin als einem Stimmungsbild für die Union unter Laschet.
Als weiteres Problemkind entpuppt sich aktuell die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Dort soll der CSU-Parlamentarier Georg Nüßlein 660.000 Euro für die Vermittlung staatlicher Aufträge an einen Schutzmaskenhersteller eingestrichen haben. Auch CDU-Mann Nikolas Löbel soll darin verwickelt sein und Provisionen im Höhe von 250.000 Euro für die Vermittlung erhalten haben. Nach der Lobby-Affäre um CDU-Youngster Philipp Amthor im vergangenen Jahr könnte das nun weiteres Vertrauen kosten. Doch während Amthor nun als Spitzenkandidat für die CDU Mecklenburg-Vorpommern an den Start geht, wird von Nüßlein und Löbel der sofortige Rücktritt aus allen Ämtern gefordert. Erste Auswirkungen hat der Skandal bereits: In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ließ die Union wenige Wochen vor der entscheidenden Wahl einige Federn in den Umfragen. Aktuell kann sie nur hoffen, dass die Maskenaffäre bis zur Bundestagswahl im September in Vergessenheit geraten ist. Im aktuellen „Sonntagstrend" der „Bild am Sonntag" hat sie weitere zwei Prozent verloren und setzt ihren Abwärtstrend damit weiter fort. Mit nun 32 Prozent liegt sie sogar unter dem letzten Bundestagswahlergebnis von 32,9 Prozent.
Freuen wird es schlussendlich insbesondere AfD und FDP, wenn der CDU kein klarer Kurs gelingen sollte. Erstere profitieren schon lange von den abgewanderten CDU-Wählern, letzteren hat die Union dann den Platz als letzte Vertreter wirtschaftsliberaler Interessen hinterlassen.