Dass in der Corona-Krise weniger ausgebildet wird, liegt auf der Hand. Dennoch liegt die Zahl der Azubis immer noch über 400.000 – dank großer Anstrengungen der Politik und vieler Betriebe.
Die Tourismusbranche bricht ein, Hotels und Gaststätten ächzen unter dem Lockdown, der Friseurnachwuchs lernt an Holzköpfen, der Einzelhandel musste die Rollläden herunterlassen – wie steht es da um die Ausbildung von jungen Leuten? Viele Betriebe haben ihr Angebot radikal reduziert, andere versuchen es in Trockenkursen oder überlassen vieles den Berufsschulen. Wurden 2019 noch über eine halbe Million Ausbildungsplätze gemeldet, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 466.000. Auch viele Jugendliche zögern, überhaupt eine Ausbildung anzutreten, bleiben lieber noch in der Schule und bauen auf den höheren Abschluss. Knapp 400.000 Azubis suchten überhaupt eine Stelle, so wenige wie nie in den vergangenen Jahren.
Als einziger Wirtschaftszweig meldet laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die Bauindustrie einen Zuwachs – von zwei Prozent. DIHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks sagte: „Am unteren Ende der Skala mit einem Minus von fast 30 Prozent stehen Hotellerie und Gastgewerbe." Schon machen sich Verbände und Gewerkschaften Sorgen um die Zukunft der Jugendlichen und auch um die der Betriebe. „Wir müssen eine Generation Corona unter allen Umständen verhindern", sagte die zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, der Deutschen Presse-Agentur. Die große Gefahr sei, dass Jugendliche verunsichert auf der Strecke bleiben, warnen Arbeitsmarktexperten. Wenn erst einmal einige Jahre zwischen Schule und Berufsstart vergangen seien, sei die Chance auf eine ordentliche Ausbildung meist vertan.
Förderung auch rückwirkend möglich
Da Azubis weder in Kurzarbeit geschickt werden können noch ihre Ausbildung rein virtuell am Bildschirm organisiert werden kann, brauchte es besondere Fördermaßnahmen, damit sie nicht vor dem Nichts standen. Pünktlich zum neuen Ausbildungsjahr starteten am
1. August 2020 deshalb Teile des Bundesprogramms „Ausbildungsplätze sichern", mit dem die Bundesregierung kleine und mittlere Unternehmen fördert, die ausbilden. Für dieses Programm standen insgesamt 500 Millionen Euro zur Verfügung. Vorgesehen waren Ausbildungsprämien in Höhe von 2.000 beziehungsweise 3.000 Euro für Betriebe, die – obwohl sie die Corona-Krise stark getroffen hat – ihr Ausbildungsniveau halten beziehungsweise erhöhen. Außerdem gab es Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung, wenn der Ausbildungsbetrieb Ausbilder nicht in Kurzarbeit schickt, und Übernahmeprämien an Betriebe, die Auszubildende von insolventen Betrieben übernehmen. Im Dezember 2020 trat das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf den Weg gebrachte Programm in Kraft, das die Maßnahmen verlängerte, die Fördermöglichketen erweiterte und einen dauerhaften Schutzschirm für Azubis bilden sollte. Kleine und mittlere Ausbildungsbetriebe (bis 249 Mitarbeiter) konnten mit Ausbildungsprämien gefördert werden, wenn sie Umsatzeinbußen von durchschnittlich mindestens 50 Prozent innerhalb von zwei Monaten zwischen April bis Dezember 2020 hatten (oder Einbußen über fünf Monate hinweg in Höhe von 30 Prozent).
Übernimmt ein Betrieb einen Auszubildenden, der seine Ausbildungsstelle wegen einer pandemiebedingten Insolvenz verloren hat, kann dieser künftig unabhängig von den Betriebsgrößen mit der Übernahmeprämie gefördert werden. Solche Übernahmen können bis zum 30. Juni gefördert werden (bisher: bis zum 31. Dezember 2020). Die Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung werden bis Juni verlängert (bisher: Laufzeit bis Dezember 2020). Interessenten können die Förderung auch rückwirkend unkompliziert bei den Agenturen für Arbeit beantragen. Seit August 2020 haben laut Bundesagentur für Arbeit (BA) rund 23.000 Betriebe mindestens eine Prämie beantragt. Bis zum Februar 2021 wurden noch einmal an rund 14.000 dieser Betriebe eine oder mehrere Prämien ausgezahlt.
Jetzt, in der dritten Stufe, wird der Schutzschirm noch einmal weiter gespannt. Die Prämien sollen von 2.000 auf 4.000 Euro verdoppelt und auch größere Betriebe gefördert werden. Unternehmen, die ihre Ausbildungskapazitäten etwa ausbauen und mehr Auszubildende als in den letzten drei Jahren einstellen, sollen einen Zuschuss von 6.000 Euro erhalten. Die Kosten werden auf rund 570 Millionen Euro kalkuliert. Das aufgestockte Paket mit dem Namen „Ausbildungsplätze sichern" solle möglichst schon am 10. März im Kabinett verabschiedet werden. Diese Frist ist versäumt. Laut Bundesarbeitsministerium befindet sich die Richtlinie noch in der regierungsinternen Abstimmung.
Die Förderung scheint auch bitter nötig, denn 2021 könnte der Ausbildungsmarkt stärker einbrechen als 2020. „Wir sehen, dass die Arbeitgeber uns deutlich weniger Ausbildungsplätze melden. Zugleich gibt es viel weniger Bewerber", fasste der Vorstandschef der BA, Detlef Scheele, die Lage zusammen. „Wenn sich daran nichts ändert, wird es dieses Jahr schwer auf dem Ausbildungsmarkt", sagte er. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist ohnehin ziemlich unsicher. Denn in der langen Lockdown-Phase waren die Jugendlichen an den Schulen viel schwerer zu erreichen. „Wir konnten keine Berufsberatung an Schulen machen, keine Ausbildungsmessen durchführen. Viele Betriebe bieten wegen der Kontaktbeschränkungen kaum Betriebspraktika an", sagte der BA-Chef. Diese seien aber ein entscheidender Faktor im Bewerbungsprozess.
Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Sorgen noch verstärkt: Demnach plant ein Zehntel der ausbildungsberechtigten Betriebe, im kommenden Ausbildungsjahr weniger Lehrstellen anzubieten oder ganz auf die Bereitstellung zu verzichten. Auch nach den Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) liegen die Angebote der IHK-Lehrstellenbörse aktuell gut acht Prozent unter dem Vorjahreswert. Ausbildungsprämien allein würden außerdem nicht genügen, um neue Ausbildungsplätze zu schaffen, heißt es vom DIHK. Entscheidend sei nun vielmehr, dass Unternehmen wie Einzelhandel, Hotels, Gaststätten und Tourismus baldige Öffnungsperspektiven für ihre Branchen erhalten – nur so ließen sich verlässliche Ausbildungsperspektiven bieten.
Verbände fordern Perspektive für Öffnungen
Positiver sieht das Handwerk hingegen die geplanten Verbesserungen bei den Azubi-Prämien: Eine Erhöhung der Prämien sei ein „deutliches politisches Zeichen an die Betriebe im Handwerk, dass ein gesellschaftliches Engagement in der beruflichen Ausbildung unter den aktuell schwierigen Bedingungen wertgeschätzt wird", heißt es beim Zentralverband des Handwerks (ZdH). Zusätzlich müssten aber auch die Auszubildenden, die vor ihrem Abschluss stehen, bei der Prüfungsvorbereitung unterstützt werden.
Auch der Bundesverband der freien Berufe (BfB) begrüßt die Pläne und drängt darauf, das Programm „Ausbildungsplätze sichern" bekannter zu machen. Im November 2020 etwa wusste rund die Hälfte der Betriebe nichts von möglichen Azubi-Prämien, zeigte damals eine Umfrage des IAB. Hilfreich wäre es zudem, „wenn die Ausbildungsprämien auch möglichst unbürokratisch bewilligt werden", so BfB-Präsident Wolfgang Ewer.
„An den guten Zukunftsperspektiven, die sich für junge Menschen im Handwerk eröffnen, hat auch Corona nichts geändert", macht ZdH-Präsident Hans Peter Wollseifer Mut. Der Fachkräftebedarf bleibe nach der Pandemie hoch.