Gal Gadot ist der strahlendste Stern am Himmel von Hollywood. Und viel mehr als nur ein neuer Superstar: Sie ist eine selbstbewusste Frau mit Charakter.
Wie erobert ein Model aus Israel so viele Herzen in Hollywood?" Gal Gadot lacht und zupft mit zwei Fingern ihr schwarzes Minikleid zurecht. Dann fixiert sie ihr Gegenüber mit warmen, leuch-tenden dunkelbraunen Augen und sagt: „Das war alles andere als leicht. Ich hatte zwar schon in Israel als Schauspielerin gearbeitet, aber als ich dann den Sprung nach Hollywood wagte, nahm mich anfangs kaum jemand zur Kenntnis. Erst als ich im Jahr 2009 in ‚Fast & Furious – Neues Modell. Originalteile‘ mitspielen durfte, ging es langsam mit meiner Karriere bergauf. Ich war dann noch bei drei weiteren ‚Fast & Furios‘-Movies mit von der Partie und habe noch einige andere Filme gedreht. Aber mein erster richtiger Film – in dem ich nicht nur als sexy Sidekick besetzt wurde –, war sicher ‚Wonder Woman‘. Das war mein Durchbruch in Hollywood."
Und nicht nur in Hollywood. Auf der ganzen Welt war das Kino-Publikum von Gadots frischer und kraftvoller Interpretation der Superheldin total begeistert. Sogar die eingefleischte „Wonder Woman"-Fanbase, die sich im Internet über die Neubesetzung ihrer Amazonen-Prinzessin zunächst deutlich Luft gemacht hatte. Man warf Gadot tatsächlich vor, sie hätte als Wonder Woman einen viel zu kleinen Busen. Und überhaupt würde sie aussehen wie ein „Wischmopp mit Kürbis-Kopf". Unvorstellbar! Wie steckt man solche Unverschämtheiten eigentlich weg? „Man konzentriert sich auf das, worauf es wirklich ankommt", meint die Schauspielerin, „nämlich darauf, seinen Job so gut wie möglich zu machen. Man hat allerdings auch schon an meinem Aussehen herumgemäkelt, als ich noch als Model gearbeitet habe. Es gab Zeiten – vor allem als ich noch jünger war –, da ging mir das schon ziemlich unter die Haut. Aber irgendwann habe ich gelernt, diese blöden Sprüche einfach an mir abperlen zu lassen."
„Miss Israel" und Kampfausbilderin in der Armee
Mit 18 Jahren trat Gal Gadot bei einem Schönheitswettbewerb auf, zu dem ihre Mutter sie aus einer Laune heraus angemeldet hatte. Und wurde prompt zur „Miss Israel 2004" gekürt. Im selben Jahr sabotierte sie allerdings ihren Auftritt beim „Miss Universum"-Wettbewerb in Ecuador höchst erfolgreich. „Dort habe ich mich fürchterlich aufgeführt und trug ausgesucht hässliche Kleider. Mir wurde nämlich schlagartig klar, dass ich das gar nicht bin!", lacht sie und lässt ihre weißen Zähne blitzen. Der Ausflug ins Beauty-Business brachte ihr trotzdem einige wohldotierte Aufträge als Mo-del ein. Mit 20 wurde sie dann – wie in Israel üblich – zum Militärdienst eingezogen. Zwei Jahre lang diente sie in der Armee als Kampfausbilderin. Dort lernte sie den professionellen Umgang mit Waffen und musste sich einem rigorosen Kraft- und Ausdauer-Training unterziehen. Das ihr, wie sie rückblickend meint, zweifellos dabei geholfen hat, die Rolle der Drogenschmugglerin und Waf-fenexpertin Gisele im „Fast & Furious"-Action-Franchise zu ergattern. Schon damals war das Filmemacher-Team davon beeindruckt, wie mutig Gal Gadot sämtliche Stunts selbst absolvierte. „Der Adrenalin-Kick, den ich dabei hatte, war einfach unglaublich. Endlich konnte ich all die Dinge machen, die ich mich im wirklichen Leben nie getraut hätte." Die extreme physische Fitness und Agilität hat sie sich bis heute bewahrt. Ebenso ihre Liebe zu heißen Motorrädern.
Nach dem Ende des Militärdiensts studierte sie Jura am Herzlia-College, unweit ihrer Geburtsstadt Tel Aviv. „Damals hatte ich mit der Schauspielerei überhaupt nichts am Hut. Mein Vater ist Ingenieur und meine Mutter Lehrerin. Auch ich wollte einen sinnvollen Beruf erlernen. Ich habe eine Zeitlang ernsthaft darüber nachgedacht, Rechtsanwältin zu werden. Und zwar aus dem starken Antrieb heraus, den Schwachen und in Not Geratenen zu helfen. Um wenn möglich etwas mehr Frieden in die Welt zu bringen. Im Grunde meines Herzens habe ich nämlich sehr viel Empathie für meine Mitmenschen."
Sie wollte auch mal Anwältin werden
Klingt wie ein Zitat aus „Wonder Woman". Wie publicityträchtig eingefärbte Imagepflege. Ist es aber nicht! Man glaubt ihr jedes Wort. Warum? Weil sie echt wirkt und absolut unverstellt. Kollegen schwärmen ständig von Gal Gadots Herzenswärme und Anteilnahme. „Selbst nach einem erschöpfend langen Drehtag hat sie immer ein offenes Ohr für die Probleme und Sorgen anderer", bestätigt zum Beispiel „Wonder Woman"-Co-Star Chris Pine. Bei aller Herzlichkeit weiß sich die 35-Jährige gleichzeitig auch im Hollywood-Powerplay gut zu behaupten. Stichwort: sexuelle Übergriffe. „Ich wurde zum Glück noch nie eindeutig sexuell bedrängt oder gar körperlich missbraucht. Was ich allerdings erleiden musste, war eine ganz subtile Art von Unterdrückung. In Hollywood herrscht eindeutig eine Doppelmoral, und die geht so: Ein Mann ist energisch – eine Frau ist aufdringlich. Ein Mann ist durchsetzungsfähig – eine Frau aggressiv. Ein Mann denkt strategisch – eine Frau ist manipulierend. Ein Mann zeigt Führungsstärke – eine Frau ist ein Kontroll-Freak. Ein Mann ist beharrlich – eine Frau ist machtbesessen. Ein Mann ist konsequent – eine Frau ist erbarmungslos. Ein Mann bleibt seiner Überzeugung treu – eine Frau ist starrköpfig. Ein Mann ist kompromisslos – eine Frau geht einem auf die Eier. Ein Mann ist ein Perfektionist – eine Frau ist eine Nervensäge! Ich finde das schrecklich unfair."
Durch solche negativen Erfahrungen und nach einer langen Durststrecke, in der sie keine wirklich guten Rollen angeboten bekam, wollte sie vor fünf Jahren ihre Zelte in Hollywood tatsächlich ab-brechen. Sie erinnert sich: „Irgendwann war ich von den vielen ‚Neins‘ bei den Vorstellungsgesprächen so frustriert, dass ich wieder in meine Heimat Israel zurückkehren wollte. Dort ist mein Ehe-mann (der Unternehmer Yaron Varsano; Anm. d. Red.) in Tel Aviv sehr erfolgreich als Geschäftsmann tätig. Damals pendelte ich zwischen Los Angeles und Tel Aviv hin und her, was mir auch ziemlich zu schaffen machte. Doch es war mein Mann, der mich schließlich dazu ermunterte, doch noch eine Zeitlang durchzuhalten. Yaron meinte, dass ich alles auf der Welt erreichen könnte, wenn ich es nur wirklich wollen würde. Er war derjenige, der mir die Kraft gab, meinem großen Traum zu folgen." Kaum war Gal Gadot wieder in L.A., bekam sie tatsächlich die „Wonder Woman"-Rolle angeboten. Die Rolle also, die ihr Leben von Grund auf veränderte.
Kritik an Kleopatra-Darstellung
Ihren Ehemann hat Gal Gadot übrigens 2006 kennengelernt – in der Wüste. Dorthin hatten sich die beiden in ein Yoga-Zentrum zurückgezogen, um zu meditieren und innere Einkehr zu finden. Ein befreundetes Ehepaar stellte sie auf einer Party einander vor. „Wir haben zwar keine innere Einkehr gefunden, dafür aber uns", scherzt Gal heute. Dann fährt sie fort: „Wir haben uns nächtelang die Köpfe über Gott und die Welt heißgeredet. Und bei unserem zweiten Date hat Yaron mir dann eröffnet, dass er mich in zwei Jahren heiraten würde – was er auch tat. Ein Mann – ein Wort." Sie heirateten 2008 in Tel Aviv. Gal war 22, Yaron 32. Ihre Tochter Alma wurde 2011 geboren, Maya 2017. Das Familienleben steht bei Gal Gadot an erster Stelle. Mutter zu sein sei das Allerbeste, was sie je gemacht habe, sagt sie, und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Daraus ziehe sie die meiste Kraft und Freude (siehe auch das Interview auf Seite 22). Mutter zu sein gibt ihrem Leben Sinn und Mitte.
Vor zwei Jahren gründete Gal Gadot zusammen mit ihrem Ehemann die Produktionsfirma „Pilot Wave". Ihr aktuelles Projekt ist eine Mini-Serie für Apple TV+ über die Lebensgeschichte der Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr. Natürlich spielt sie diese außergewöhnliche Frau – die die Grundlagen für die Technologien wie WiFi, GPS und Bluetooth gelegt hat –, ebenfalls selbst. Hollywoodstar Annette Bening meint: „Gal ist die perfekte Besetzung! Sie ist eine äußerst talentierte Schauspielerin, die viel mehr zu bieten hat, als ‚nur‘ Wonder Woman zu sein. Und sie steht sicher erst am Beginn einer großen Karriere." Bening spielt, neben Gal Gadot, unter der Regie von Kenneth Branagh im Remake von Agatha Christies Kult-Krimi „Tod auf dem Nil" mit. Dieser Film hätte eigentlich schon im Jahr 2020 in die Kinos kommen sollen, wurde wegen der Corona-Pandemie jedoch zurückgehalten. Wir können nur hoffen, dass er bald – wo auch immer – zu sehen sein wird. In Planung ist zudem ein weiterer „Wonder Woman"-Film unter der Regie von Patty Jenkins.
Zuvor wird Gal Gadot aber – ebenfalls unter der Regie von Patty Jenkins – in einer neuen Verfilmung des Historienepos „Cleopatra" zu sehen sein. Dass eine israelische Schauspielerin diese legendäre ägyptische Herrscherin spielen soll, hat im Internet leider für große Aufregung und Gegenwind gesorgt. Gal Gadot reagierte auf die diskriminierenden Tiefschläge mit einer wunderbar eleganten Replik: Kleopatra sei ja mazedonischer Herkunft. Und da man keine passende mazedonische Schauspielerin gefunden habe, habe sie sich entschlossen, diese Rolle zu übernehmen.
Gal Gadot ist nicht nur hinreißend talentiert, sie hat auch Scharfsinn und einen erfrischend luziden Humor. Sie ist eine Klasse für sich.