Klaus Hoffmann und Benjamin Oppier gehen offen mit ihrer Homosexualität um. Das Ehepaar möchte auch anderen Mut machen, ehrlich zu ihren Gefühlen zu stehen.
Wir waren uns schon so oft begegnet in der Bahnhofstraße oder auf dem St. Johanner Markt. Haben uns dabei freundlich zugenickt. Mehr nicht. Und dann, plötzlich, völlig ungeplant, von einer Sekunde auf die nächste war klar: Wir verabreden uns." So beschreiben Klaus Hoffmann und Benjamin Oppier übereinstimmend den Beginn ihrer Beziehung, die vor rund elf Jahren begann und beide vor zwei Jahren zum Standesamt führte. Damals war Klaus als langjährig erfahrener Dekorateur im Ausschuss der Gestalter für visuelles Marketing bei der Industrie- und Handelskammer tätig. Benjamin informierte sich auf einem Prüfungstermin der Schaufenstergestalter über seine im nächsten Jahr anstehende Abschlussprüfung. „Ich stand da inmitten vieler anderer Besucher, Klaus kam auf mich zu und es hat sofort gefunkt zwischen uns. Zu unserem ersten Date trafen wir uns im ‚Flammkuchenhaus‘ in Saarbrücken. Klaus erzählte dabei, dass er unbedingt nach Borneo reisen möchte. Da sagte ich ihm: ‚Das ist ja ein schöner Zufall. Borneo liegt sozusagen bei mir um die Ecke. Lass uns doch lieber in meine Heimat, nach Sumatra, fliegen. Ist viel schöner.‘" Kurz darauf saßen die beiden auch schon im Flieger und besuchten Benjamins Familie. „Leider lebten meine Mutter und auch mein Vater damals nicht mehr", erzählt er, „aber ich konnte Klaus sofort viel über meine Herkunft und meine Familie erzählen. Ich glaube, das ist wichtig in bi-nationalen Beziehungen, dass beide Interesse und Verständnis für die jeweilige Herkunft und Kultur des anderen haben." „Stimmt", bestätigt Klaus Hoffmann, „Für mich war es wichtig zu sehen, wo Benjamin groß geworden ist und seine Geschwister kennenzulernen. Ist ja schließlich nicht so selbstverständlich mit einem Partner, der aus einem völlig anderen Kulturkreis stammt."
Was in Deutschland noch bis 1994 unter Strafe stand und gesellschaftlich sogar mit dem Strafrechtsparagrafen 175 geächtet war, nämlich sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts, ist in Indonesien bis heute ein absolutes Tabuthema. Zwar wird Homosexualität in Indonesien, anders als in vielen anderen muslimischen Ländern und außer in der Provinz Aceh, offiziell toleriert. Doch seit Jahren nehmen Übergriffe auf Homosexuelle in dem muslimisch geprägten Land in beängstigendem Maße zu.
Mit 20 schon geoutet
Umso erstaunlicher ist es, dass die Geschwister von Benjamin keine Abwehr gegen die Liebe ihres Bruders zu einem Mann hegen. „Mein Elternhaus war ausgesprochen liberal. Wir sind protestantische Christen. Ich habe mich schon mit 20 Jahren geoutet. Mein Vater meinte nur: ‚Das ist dein Leben, mein Junge, und wenn du einen Mann so liebst, wie ich deine Mutter, dann habe ich kein Problem damit.‘ Meine Brüder kommen auch damit klar. Für mich war es wichtig, dass meine Eltern wissen, dass ich schwul bin. Alles andere ist egal." Klaus denkt genauso. Hauptsache seine Familie akzeptiert seine Homosexualität. „Ich habe mich auch mit 20 geoutet. Sonntags beim Mittagessen mit Oma und Tante. War gar kein Problem." Er hatte schon früh gespürt, dass Mädels nichts für ihn sind, obwohl er auch zwei Jahre eine „wirklich tolle Freundin" hatte. „In der Schule habe ich keinerlei Beleidigungen oder Beschimpfungen erlebt. Ich denke, den Menschen, denen man wichtig ist, die wissen eh, wie du tickst und für die ist es nicht wichtig, ob du homo- oder heterosexuell bist. Meine Eltern haben das wohl auch schon geahnt, dass ich schwul bin. Dass andere Mütter und Väter es nicht wissen wollen oder überhaupt nicht vermuten, dass ihr Kind sich zu dem eigenen Geschlecht hingezogen fühlt, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen." Doch so gänzlich ohne Ressentiments sind beide nicht groß geworden. „Als ich mit 16 mit der Schulklasse in der damaligen DDR war und über den Marktplatz in Magdeburg geschlendert bin, hat mir jemand ‚Du blöde Schwuchtel‘ hinterhergerufen", erinnert sich Klaus. „Das war’s dann aber auch schon." Für Benjamin war es etwas schwieriger. „In Indonesien gibt es trotz aller gesetzlicher Regelungen immer noch Abwehr bei den Menschen. Es wird eben auch ungern über dieses Thema gesprochen. Wirklich angefeindet oder körperlich angegriffen wurde ich aber nie, trotzdem trage ich meine sexuelle Orientierung nicht offen zur Schau." Zurück aus dem Urlaub in Sumatra im Jahr 2011 sind die beiden heute 49- und 47-Jährigen schnell zusammengezogen. In den kommenden Jahren haben sie dann das Elternhaus von Klaus umgebaut und für sich und die Mutter von Klaus gemütlich eingerichtet. Beide Wohnstile – der indonesische und der saarländische – finden gemeinsam Platz, unaufdringlich und harmonisch aufeinander abgestimmt. Kein Wunder, beide sind Dekorateure und haben ein Gespür für Farben, Stoffe, Möbel, Funktionalität und Schnörkeleien. Dass die beiden nicht nur zusammenleben und wohnen, sondern auch gemeinsam durch „gute und schlechte Tage, durch Gesundheit und Krankheit" gehen wollen, hat eine Zeit lang auf sich warten lassen. „Zwar hatte Benjamin damals schon eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, aber aus rationaler Sicht war uns klar, dass eine Hochzeit auch eine gewisse Sicherheit wie Rentenanspruch, Besuchsrechte im Krankenhaus und so weiter bringt", erzählt Klaus. Auch hätte Benjamin im Falle des Todes von Klaus keinen Anspruch auf das gemeinsame Haus gehabt. Vieles sprach also für eine Heirat. An Benjamins Geburtstag vor drei Jahren stellte Klaus dann die entscheidende Frage. „‚Komm, Baby, es wird Zeit‘, sagte er, und ich musste sofort weinen. Vor lauter Glück", erzählt Benjamin. Danach ging alles schnell. „Wir träumten davon mit möglichst vielen Freunden und Verwandten eine richtige Party auf die Beine zu stellen, und dazu sollte natürlich auch Benjamins Familie aus Indonesien anreisen." Während Klaus sich um alle Formalitäten im Saarland kümmerte, flog Benjamin nach Sumatra, da er eine Reihe von Papieren brauchte. „Insgesamt musste ich dreimal nach Indonesien fliegen, um bei den Behörden vorstellig zu werden. Wichtig war vor allem das Dokument, welches bescheinigt, dass ich ledig bin. Die Behörden in Sumatra hätten diese Ledigkeitsbescheinigung allerdings mit dem Hinweis, dass ich berechtigt bin, in Deutschland eine Frau zu heiraten, ausstellen können, worauf mich vorher die Dame von der Ausländerbehörde in Saarbrücken hingewiesen hat. Und dass ich deswegen bloß keinen Aufstand machen sollte, wer weiß, was in Sumatra passiert wäre, besser gesagt, nicht passiert wäre. Für das deutsche Standesamt war nur der Vermerk ‚ledig‘ wichtig."
„Wir dürfen glücklich sein"
Die Hochzeitsfeier stand dann ganz im Zeichen von Multikulti. Überglücklich waren sie auch, dass Benjamins Bruder, seine Schwägerin und drei seiner Freunde aus Sumatra, Java und Bali sich rundum wohlgefühlt haben. Dass sie als homosexuelles Paar so unbeschwert und rechtssicher zusammenleben können, halten sie für einen großen Gewinn. „Wir sind uns bewusst, dass wir den vielen Vorkämpfern für die gleichgeschlechtliche Ehe viel zu verdanken haben und wissen auch, wie beschwerlich es für viele ist, ehrlich und offen zu ihren Gefühlen zu stehen", so Klaus. „Von Männern, die im gestalterischen, kreativen Bereich tätig sind, wird oft fast schon vorausgesetzt, dass sie schwul sind – eben eines der vielen Klischees, mit denen wir leben müssen."
Für viele Politiker, Fußballer oder Pflegekräfte sei es immer noch heikel, sich zu outen, ohne mit Repressionen rechnen zu müssen. „Was den Sport angeht, tut sich da ja erfreulicherweise etwas, wenn auch sehr langsam. Trotzdem erschreckend, wie salonfähig es doch zum Beispiel ist, dass eine falsche Schiedsrichterentscheidung nicht die eines schlechten Schiedsrichters ist, sondern, vollkommen normal, die eines schwulen Schiris! Das macht uns einfach sauer. Wir dürfen wirklich glücklich sein, so gut leben zu können. Wir sollten aber nicht aus den Augen verlieren, dass da schon noch eine Strecke bis zur völligen Gleichberechtigung und Gleichbehandlung vor uns liegt."