Am 20. März ist Weltglückstag. Experten auf dem Gebiet müssten die Finnen sein. Denn ihr Land wurde auch 2020 wieder zum glücklichsten Land der Welt gewählt – ein Blick aufs Glück (nicht nur) aus der nordischen Perspektive.
Petri Honkala (59) und Sauli Niinistö (72) sind zufrieden. Der eine ist Physiotherapeut und Happiness Guide, der andere finnischer Staatspräsident. 2020 wurden die Finnen zum dritten Mal in Folge zum glücklichsten Volk der Welt gewählt. Fragt man dazu die Menschen auf der Straße, erntet man entweder ein Kopfschütteln oder Antworten wie „Keine Ahnung wie die auf uns gekommen sind."
Für besonders glücklich halten sich die wenigsten. Denn Glück kann man nach der Definition vieler Finnen nur in einem Land erleben, in dem immer die Sonne scheint und der Alkohol billig ist. Ihre Lieblingsreiseziele wählen die Nordmänner genau nach diesen Kriterien aus. Fragt man dann aber weiter, kommt schnell der Punkt, an dem das Gegenüber von der finnischen Natur, vom letzten Sommer im Ferienhaus und von der Tiefenentspannung in der Sauna zu schwärmen beginnt. Und davon, dass man in Finnland sicher und sorglos leben kann. Kriminalität gibt es kaum und wem es schlecht geht, um den kümmert sich der Staat. Schulen und Universitäten sind kostenlos und so gut, dass Finnland auch in der Pisa-Studie auf den vorderen Rängen rangiert.
Und so stimmen der Staatspräsident und sein Volk in ihren Schlussfolgerungen überein. In einem Interview im Sommer des Coronajahres 2020 sagte Sauli Niinistö: „Wir sind vielleicht nicht das glücklichste Volk der Welt, aber das zufriedenste." Und auf die Zusatzfrage, ob er persönlich denn glücklich sei, überlegte der Staatspräsident lange und sagte dann: „Warum eigentlich nicht?" Und dann erklärte er, wo es ihm besonders gut geht – im Sommer, im Ferienhaus, dann wenn er das Holz für die Sauna hackt. Glück kann so einfach sein, auch für den Präsidenten.
Petri Honkala, der mit Zopf, Vollbart und lässig ins Haar gesteckter Sonnenbrille aussieht wie eine Mischung aus Althippie und einem ehemaligen Weltmeister im Surfen, spricht ebenfalls lieber von Zufriedenheit. Glück, das klinge so absolut, so als müsse immer alles perfekt sein, sagt er. Als Happiness Guide ist es Petri Honkalas Aufgabe, Menschen aus anderen Ländern den finnischen Weg zum Glück zu zeigen. Das geschieht mit einem Augenzwinkern, denn natürlich glaubt auch er nicht, dass man in Finnland den Königsweg zum perfekten Leben gefunden hat. Ein bisschen hat das Ganze auch mit Touristenwerbung zu tun. Bei „Visit Finland", der staatlichen Tourismusorganisation, hat man nämlich schnell entdeckt, dass Glück auch ein gutes Verkaufsargument sein kann.
Eine angenehme und freudige Gemütsverfassung
Der Duden definiert Glück als eine „angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in den Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat." Für Meik Wiking, den CEO des Kopenhagener Instituts für Glücksforschung, ist „Glück ein Überbegriff, in den wir alle möglichen Dinge legen, die für uns ein gutes Leben ausmachen". Doch jeder hat eine andere Vorstellung davon, was Glück ist. Selbst über die Kriterien, die die Forscher als Voraussetzung für Glück aufzählen kann man trefflich streiten. Eine stabile Beziehung, Gesundheit, ein erfüllender Beruf, Freunde, Kinder und Geld sind häufig genannte Grundbedürfnisse auf der Liste der „must haves" fürs perfekte Glück. Für die Mehrheit mag das richtig sein, doch lässt sich so auch das Glück des Einzelnen definieren? Muss denn jeder Single unglücklich sein? Kann ein Kranker nicht trotzdem Glücksmomente erleben? Muss einem kinderlosen Paar zwangsläufig etwas fehlen? Und macht Geld wirklich glücklich? Und falls ja, wieviel davon braucht man zum Glück?
Forscher wollen herausgefunden haben, dass in unseren Breitengraden ein Monatseinkommen von etwa 7.000 Euro die glücklich machende Summe ist. Ginge es nach den Glücksforschern, sollte jeder, der so viel Geld zur Verfügung hat, alle weiteren Lohnerhöhungen ablehnen. Denn mit jedem Euro mehr sinkt die Lebenszufriedenheit angeblich wieder. Mit 11.000 Euro im Monat ist man dann genauso unzufrieden, wie man einst mit 3.500 war. Die Wissenschaft spricht vom Wohlstandsparadox und erklärt damit, warum die Menschen in den letzten Jahrzehnten nicht glücklicher wurden, obwohl der Reichtum der Gesellschaft immer weiter zunimmt.
Glückskiller Corona
Wie bei allen menschlichen Fähigkeiten gibt es auch im Falle des Glücks Menschen mit mehr und weniger Talent. Während der eine einen Lottodreier mit einer Lokalrunde feiert, macht sich der andere bei einem Millionengewinn erst einmal über die Probleme bei der Geldanlage Sorgen. Die Gene bestimmen zu einem guten Teil, wie wir uns in solchen Situationen verhalten. Und auch das Alter. Ob man sich auf seiner Suche nach dem Glück über jedes gewonnene Lebensjahr freut oder ärgert, hängt davon ab, welcher Forschungsrichtung man glaubt. Während die Biologen eine sinkende Produktion von Glückshormonen feststellen und mit weniger Glück im Alter drohen, wollen Psychologen und Sozialforscher beobachtet haben, dass die Glückskurve im Laufe eines Menschenlebens ein „U" nachzeichnet – in der Jugend also auf hohem Niveau beginnt und in der Lebensmitte in eine tiefes Tal absinkt, um dann im Alter wieder anzusteigen.
Aber auch die Rahmenbedingungen, die die Gesellschaft bietet, spielen eine wichtige Rolle. Glücksforscher Meik Wiking sagt, dass Angst und Unsicherheit nicht nur im individuellen Bereich ein Glückskiller sind, sondern dass das auch für eine gesamtgesellschaftliche Situation gilt. Aktuell ist die Coronakrise so eine Glücksbremse. „Die Leute sind ängstlich und machen sich Sorgen um ihre Gesundheit und die ihrer Liebsten", so Wiking. Dazu kommen die Angst um den Arbeitsplatz und ein genereller Zukunftspessimismus. Für die Wissenschaft ist eine solche Stimmungsdelle eigentlich nicht beunruhigend. Denn wir Menschen sind hart im Nehmen, und kaum ist eine Krise vorbei, erklimmen wir schnell wieder das ursprüngliche Glücksniveau. Ob das im Falle von Corona auch so sein wird, mag Wiking aber nicht voraussagen. Denn dazu gibt es noch zu wenige Daten.
Ratgeber und Seminare
Jeder will glücklich sein und entsprechend versuchen wir alles, um dieses Ziel zu erreichen. Die entsprechende Ratgeberliteratur boomt und wer will, kann Glücksseminare und -kurse belegen. Überall findet man Anleitungen zum Glücklichsein.
Bekommen wir nicht von frühester Jugend an gesagt, dass man alles erreichen kann, wenn man es nur ernsthaft genug versucht? Warum nur funktioniert das nicht, wenn es ums Glücklichsein geht? Die Psychologin Ulrike Scheuermann, selbst Autorin eines entsprechenden Ratgeberbuchs, warnt: „Das Streben nach Glück kann zu Leistungsdruck führen, der dann ins Unglück führt." Dass die verbissene Jagd nach dem Glück zum Scheitern verurteilt ist, bestätigt auch eine Studie aus dem Jahr 2018 von Forschern der Rutgers University Newark und der University of Toronto. Wer sich aktiv auf die Suche nach Glück macht und eine Aktivität an die andere reiht, gerät häufig in eine Stresssituation, die zu gesteigerter Unzufriedenheit führt. Die Autoren der Studie schlussfolgern: „Die Ergebnisse legen nahe, dass die Suche nach Glück ironischerweise auf Kosten der Zufriedenheit geht." Das ist deswegen bedauerlich, weil Zufriedenheit ein Dauerzustand sein kann, während Glück immer ein flüchtiger Gewinn ist.
Ein Glücksgefühl ist nämlich nichts anders als die Reaktion auf die Ausschüttung körpereigener Opioide und weil deren Wirkung nach kurzer Zeit abklingt, ist dauerhaftes Glück biologisch gar nicht möglich. Auf ein Hoch folgt daher immer ein relatives Tief. Trotzdem kann der Mensch auch dann zufrieden sein, wenn die Dinge mal nicht optimal laufen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Finnen die eigentlichen Glückskönige sind. Sie jagen nicht dem Flüchtigen hinterher, sondern nehmen die Dinge wie sie kommen. " Onni ei tule etsien, vaan eläen", lautet ein bekanntes finnisches Sprichwort. Ins Deutsche übersetzt heißt das: „Glück findet man nicht, indem man es sucht, sondern indem man es lebt."